Kurz nachdem die heimische Autozuliefererbranche aufgrund ihrer herausfordernden wirtschaftlichen Lage Alarm geschlagen hat (LEADERSNET berichtete), werden die geäußerten Bedenken und Kritikpunkte nun durch eine internationale Analyse bekräftigt. Laut der aktuellen "Automobilzuliefer-Studie" von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, sank der Marktanteil europäischer Zulieferer 2024 auf 13 Prozent. Damit erreicht er ein historisches Tief: 2015 lag der Anteil noch bei 14 Prozent, 2005 sogar bei 16 Prozent. Auch deutsche Anbieter büßten ein und kamen mit 23 Prozent nur noch auf das Niveau von 2005. Somit wird klar, dass sich der Weltmarkt für Automobilzulieferer verschiebt – und Europa gerät ins Hintertreffen.
Chinesen am Vormarsch
Während die großen Automobilhersteller weltweit mit stagnierenden Umsätzen zu kämpfen haben, bauen chinesische Zulieferer ihre Position weiter aus. Acht Unternehmen aus China zählen inzwischen zu den Top 100 der Branche, ihr Marktanteil liegt bereits bei zwölf Prozent. Sie nutzen ihren Heimatmarkt als Sprungbrett, investieren aggressiv in Batterien, Software und Fahrzeugelektronik und verschaffen sich so technologische und preisliche Vorteile von teils bis zu 50 Prozent gegenüber westlichen Konkurrenten.
"Die europäische Zulieferindustrie, vor allem in Österreich und Deutschland, steht vor enormen Herausforderungen. Aber sie ist nicht zum ersten Mal in einer solchen Lage", betont Henning Rennert, Partner bei Strategy& Deutschland. Er verweist auf die 1990er-Jahre, als eine Strukturkrise zu einer radikalen Neuordnung der Branche führte – und viele Unternehmen gestärkt daraus hervorgingen. Auch heute sei ein solcher Wendepunkt erreicht.
Innovationskraft vorhanden – Geschwindigkeit fehlt
Tatsächlich zeigen Patentdaten, dass Europa nicht an Ideen mangelt. Deutsche Zulieferer halten mit 32 Prozent den weltweit größten Anteil an neuen Patentfamilien, insbesondere in den Bereichen Fahrerassistenzsysteme und Elektromobilität. Doch die Umsetzung hapert. Laut Studie bremsen lange Entwicklungszyklen, komplexe Prozesse und starre Strukturen viele Unternehmen aus.
Rennert fordert, dass Innovationen schneller und mit größerer Skalierung in den Markt gebracht werden: "Um wieder auf Erfolgskurs zu kommen, braucht es mutige und vorausschauende Strukturentscheidungen. Die Innovations- und Leistungsdividende muss für die Zukunft erneut verdient werden."
Stagnierende Umsätze
In der globalen Automobilbranche zeigt sich ein nominales Nullwachstum, das real sogar einen Rückgang bedeutet. Demnach blieb der Umsatz der zehn größten Automobilhersteller der Welt 2024 mit rund 1,8 Billionen Euro gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert. Unter Berücksichtigung der Inflation und gestiegener Produktionskosten ergebe sich ein Rückgang um 0,6 Prozent. Der Markt selbst wachse nicht, dennoch versuchten immer mehr Automobilhersteller, sich ein Stück davon zu sichern. Die chinesischen Automobilhersteller streben in die Top-10 und gleichen der Studie zufolge den Rückgang der traditionellen Wachstumsstützen aus. Seit 2019 haben die großen europäischen Volumenhersteller signifikante Marktanteile und Produktionsvolumina verloren, die den europäischen Zulieferern fehlen. Diese Marktveränderung mache sich bemerkbar: Acht chinesische Automobilzulieferer sind nun unter den Top-100 der Branche.
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Finanzierungsdruck verschärft Lage
Besonders kleine und mittelständische Zulieferer stünden unter Druck, was für die österreichische Wirtschaft keine guten Nachrichten sind. Ihre oft enge Spezialisierung verliere in der Elektromobilität an Bedeutung, gleichzeitig erschwerten gestiegene Finanzierungshürden Investitionen in neue Technologien. Die Studie warnt: Ohne strategische Neuausrichtung drohen europäische Zulieferer, den globalen Anschluss endgültig zu verlieren.
Fazit
Der Markt wächst kaum, doch der Wettbewerb nimmt zu – getrieben von China. Europas Zulieferer verfügen zwar über technologisches Know-how, aber es fehlt an Geschwindigkeit, Flexibilität und Kapital. Die nächste Konsolidierungswelle in der Branche sei nach Einschätzung der Studienautor:innen nur eine Frage der Zeit.
www.strategyand.pwc.com/at
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