LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Pauser, Sie sind seit vielen Jahren ein prägender Teil des Hitradio Ö3. Was war Ihr persönlicher Weg in den Journalismus – und speziell zum Radio?
Michael Pauser: Aufgewachsen bin ich in einem Kurier-, Presse-, NÖN-Haushalt. Morgens lief das Ö1-Morgenjournal und dann Radio NÖ, um 19 Uhr Niederösterreich Heute und um 19.30 die ZiB. Für Ö3 mussten mein Bruder und ich ewig um einen Kassettenrekorder betteln, als Maturageschenk bekam ich einen Weltempfänger und hatte damit Zugang zur Welt der BBC von Radio Luxemburg und Atlantic 252. Dass ich in die Medien wollte, war mir – glaube ich – schon mit zehn Jahren klar. Als Grundlage schien mir ein Jus-Studium geeignet. Gegen Ende des 1. Studienabschnitts entschied ich mich nach einer Berlinreise, bei der ich viel Radio gehört hatte, dann einen Beschwerdebrief an den neuen Ö3-Chef Bogdan Roscic zu senden, weil mir Ö3 viel zu traditionell und verstaubt war. Der dürfte von meinen Ideen und Gedanken durchaus angetan gewesen sein, weil ich wenige Wochen später als Praktikant und ein Monat später als Freier Mitarbeiter bei Ö3 beschäftigt war. Meine Leidenschaft fürs Radiomachen ist seitdem ungebrochen. Über Radio als Live-Medium direkt mit Menschen zu kommunizieren, sie zu informieren und zu unterhalten finde ich noch immer faszinierend.
LEADERSNET: Ö3 gilt als das reichweitenstärkste Radioprogramm Österreichs. Was macht für Sie den Erfolg von Ö3 aus – gerade in einer Zeit, in der Audioangebote immer vielfältiger werden?
Pauser: Der Erfolg von Ö3 basiert auf mehreren Säulen: Erstens haben wir ein tiefes Verständnis für unser Land, unsere Hörer:innen und ihre Bedürfnisse und Wünsche. Unser Ziel ist es, sie motivierend durch den Tag zu begleiten, ihnen relevante, einordnende Informationen zu liefern und sie dabei zu unterhalten. Wir setzen auf eine sorgfältig kuratierte Musikauswahl, die sowohl aktuelle Hits als auch beliebte Classics aus den 80ern bis in die 2000er umfasst. Dies sorgt für ein abwechslungsreiches und ansprechendes Programm. Zweitens sind Robert Kratky, Gabi Hiller, Philipp Hansa ... – alle unsere Moderator:innen – authentisch und nahbar, was eine starke Verbindung zu unserem Publikum schafft. Sie sind nicht nur Stimmen im Radio, sondern echte Persönlichkeiten, die gemeinsam mit unseren Hörer:innen eine starke Gemeinschaft bilden – die Ö3-Gemeinde. Und nicht zuletzt sind wir immer bereit, uns ständig weiterzuentwickeln, ohne unsere Identität zu verlieren. Diese Mischung aus Tradition und Innovation macht uns in der vielfältigen Audio-Landschaft einzigartig.
LEADERSNET: Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Hörverhalten in den letzten Jahren verändert? Welche Rolle spielen Streamingdienste oder Podcasts in eurer strategischen Ausrichtung?
Pauser: Das Hörverhalten hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert, insbesondere durch die zunehmende Verbreitung von Streamingdiensten und Podcasts. Die Menschen haben heute mehr Kontrolle über ihre Mediennutzung und können Inhalte nach ihren individuellen Vorlieben und Zeitplänen konsumieren. Dies hat auch Auswirkungen auf das Radio, das sich anpassen muss, um relevant zu bleiben. Bei Ö3 sehen wir Streamingdienste und Podcasts nicht als Bedrohung, sondern als Ergänzung zu unserem Angebot. Wir integrieren Formate (Hawi d'Ehre) in unsere strategische Ausrichtung, wir haben exklusive Inhalte (Inside Washington) als Podcasts und wir ermutigen unsere Hörer:innen, unsere Sendungen (Frühstück bei mir) on demand zu genießen. Wir sehen die Kombination aus Live-Erlebnissen und On-Demand-Inhalten als die Zukunft des Radios an.
LEADERSNET: Was unterscheidet klassische Radioprogrammierung heute von einem digitalen On-Demand-Angebot?
Pauser: Klassische Radioprogrammierung bietet ein einzigartiges Live-Erlebnis, das durch die Spontanität und das Gemeinschaftsgefühl geprägt ist (gemeinsam aufstehen, gemeinsam den Sieg bei der Abfahrt erleben, gemeinsam spenden beim Ö3-Weihnachtswunder). Es gibt den Hörer:innen das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein, das in Echtzeit stattfindet. Diese Unmittelbarkeit und Interaktivität sind schwer zu reproduzieren und bieten ein Gefühl von Vertrautheit und Beständigkeit. Im Gegensatz dazu bieten digitale On-Demand-Angebote eine individuelle Kontrolle über den Konsum, mehr Flexibilität und Personalisierung, aber eben weniger Echtzeit-Gefühl. Beide Formate haben ihre Stärken, und bei Ö3 kombinieren wir das Beste aus beiden Welten.
LEADERSNET: Sie sprechen täglich mit Millionen von Hörer:innen. Wie gelingt es Ihnen, so eine breite Zielgruppe anzusprechen, ohne an Tiefe oder Relevanz zu verlieren?
Pauser: Es ist eine spannende Herausforderung, eine so breite Zielgruppe anzusprechen, und es erfordert eine Mischung aus Empathie, Flexibilität und einem guten Gespür für aktuelle Themen. Bei Ö3 setzen wir auf eine ausgewogene Mischung aus Unterhaltung und Information. Unsere Moderator:innen sind geschult, um relevante Themen aufzugreifen und sie auf eine Weise zu präsentieren, die sowohl unterhaltsam als auch informativ ist. Wir achten in Nachrichten und Fläche darauf, eine Vielzahl von Themen abzudecken, die unterschiedliche Interessen ansprechen, und wir sind stets offen für Feedback von unserem Publikum. Diese Rückmeldungen, die wir uns auch über Umfragen, Fokusgruppen und Publikumsgespräche holen, helfen uns, unser Programm kontinuierlich zu verbessern und sicherzustellen, dass wir sowohl inhaltlich als auch emotional relevant bleiben.
LEADERSNET: Wie wichtig ist Ihnen persönlich die Verbindung zur Community?
Pauser: Die Verbindung zur Community ist für mich von größter Bedeutung. Es ist das, was Radio von anderen Medien unterscheidet – die Fähigkeit, auf einer persönlichen Ebene mit den Hörer:innen zu interagieren. Wir sind nicht nur ein Sender, sondern ein Teil des täglichen Lebens unserer Hörer:innen. Wir organisieren regelmäßig Events und Aktionen, die den direkten Kontakt mit der Ö3-Gemeinde fördern. Zum Beispiel die Außensendungen "Knoll packt an". Diese Kontakte sind nicht nur bereichernd, sondern auch inspirierend und erinnern uns daran, warum wir tun, was wir tun. Die Community, die Ö3-Gemeinde, ist das Herzstück unserer Arbeit, und ihre Unterstützung motiviert uns, jeden Tag unser Bestes zu geben.
LEADERSNET: Welche Rolle spielt Innovation bei Ö3? Gibt es Technologien oder Formate, mit denen ihr gerade experimentiert?
Pauser: Innovation ist eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit und das ist beim Radio nicht anders. Wir arbeiten an KI für die Erledigung administrativer Tätigkeiten (z. B.: Metadatenerfassung) und für genauere Prognosen in der Ö3-Verkehrsinformation. Der AIditor, die preisgekrönte ORF-Entwicklung, ist bereits zentraler Bestandteil der täglichen Arbeit, um effizienter zu arbeiten und Fehler zu vermeiden. Auf Social Media experimentieren wir mit neuen Formaten, z. B.: "Brunch bei dir", als junge TikTok-Variante von "Frühstück bei mir". Ich bin überzeugt davon, dass die Verbindung von Technologie und Kreativität der Schlüssel ist, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
LEADERSNET: Österreich erlebt einen massiven Wandel im Medienverhalten der jungen Generation. Wie reagiert ihr programmatisch darauf?
Pauser: Der Wandel im Medienverhalten der jungen Generation ist eine spannende Herausforderung. Wir beobachten genau, welche Inhalte und Formate bei jungen Menschen Anklang finden, um etwa die aktuellen Bedürfnisse in Comedy und Unterhaltung zu erkennen und integrieren diese Erkenntnisse in unsere Programmgestaltung. Gleichzeitig entwickeln wir spezielle Formate, die die Interessen und Bedürfnisse der Jugend ansprechen, wie die TikTok-Rubrik "Sag' mal", um die junge Zielgruppe dort zu erreichen, wo sie sich aufhält. Wenn dann im Radio "Sag' mal" gehört wird und schon bekannt ist, erzeugt das für junge Menschen ein Gefühl der Vertrautheit mit Ö3. Wir sind auch viel unterwegs, um junge Menschen im echten Leben zu erreichen: mit unseren Veranstaltungen und mit "Frag das ganze Land on Tour" an den Schulen. Es gilt, uns jungen Menschen vorzustellen, damit sie sich für uns interessieren.
LEADERSNET: Wie sehen Sie die Zukunft des Radios – gerade im Kontext einer zunehmend digitalen Medienwelt?
Pauser: Die Zukunft des Radios in einer zunehmend digitalen Medienwelt ist herausfordernd, aber auch vielversprechend. Die Unmittelbarkeit des linearen Radios ist unersetzlich. Gleichzeitig sehen wir die Digitalisierung als Chance, unser Angebot zu erweitern und neue Zielgruppen auf uns aufmerksam zu machen.
LEADERSNET: Inwieweit ist die Stärke einer Marke und die Bekanntheit von Moderations-Testimonials in einer digitalisierten Welt von Bedeutung?
Pauser: Marke und Personalities schaffen Vertrauen und Wiedererkennung. Sie helfen, eine emotionale Verbindung zu den Hörer:innen herzustellen und die Loyalität zu stärken. Deshalb ist es wichtig, in die Entwicklung und Pflege dieser Marken und Persönlichkeiten zu investieren, um sich in der digitalen Landschaft abzuheben.
LEADERSNET: Was ist Ihre persönliche Motivation Ö3 Radio zu machen?
Pauser: Es ist ein Privileg, Teil eines so dynamischen und kreativen Teams zu sein und täglich an einem Programm zu arbeiten, das Millionen Menschen anspricht und begleitet. Die Möglichkeit, täglich etwas Positives im Leben von so vielen zu bewirken, Menschen zu inspirieren, zu unterhalten und zu informieren, treibt mich an. Es ist eine Freude, Teil der Ö3-Familie zu sein und dazu beizutragen, dass unsere Hörer:innen das Gefühl haben, Teil einer starken Ö3-Gemeinde zu sein – und dass Ö3 ihnen und dem ganzen Land guttut.
www.oe3.orf.at
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