Zu den 20 Grundsätzen sozialer Rechte in der Europäischen Union zählen u.a. die Gleichstellung der Geschlechter sowie das Recht auf gleiches Gehalt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Damit sich diese Grundsätze besser durchsetzen lassen und sich die Gehaltstransparenz verbessert, wurde 2023 die EU-Entgelttransparenzrichtlinie in Kraft gesetzt. Diese muss von den Mitgliedsstaaten bis zum 7. Juni 2026 – und damit innerhalb der nächsten zwölf Monate – in der nationalen Gesetzgebung umgesetzt werden.
Obwohl für Österreich noch kein konkreter Gesetzesentwurf vorliegt und noch ein Jahr Vorbereitungszeit bleibt, seien Unternehmen bereits jetzt gut beraten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, empfiehlt Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer von Stepstone Österreich und Schweiz. Denn: Gehalt sei nach wie vor eines der sensibelsten Themen in heimischen Unternehmen, und die Umsetzung einer neuen Richtlinie sei mit einer großen Umstellung und deutlichem Mehraufwand im Personalwesen verbunden. Zudem drohen potenzielle rechtliche Risiken und Sanktionen, wenn die Vorgaben nicht fristgerecht umgesetzt werden.
Was sich mit der Richtlinie ändert
Eine der konkreten Änderungen ab 2026 ist etwa, dass Mitarbeitende das Recht bekommen, zu erfahren, wie ihr Gehalt im Vergleich zu Kolleg:innen mit vergleichbaren Tätigkeiten einzuordnen ist. Was bisher lediglich der Gleichbehandlungsanwaltschaft vorbehalten ist, wird bald schon zum Recht jedes:r Einzelnen.
Darüber hinaus ändert sich auch die Beweislast: Während aktuell noch die Arbeitnehmer:innen eine behauptete Lohndiskriminierung glaubhaft machen müssen, dreht die EU-Entgelttransparenzrichtlinie den Spieß um. So müssen künftig Arbeitgeber:innen nachweisen, dass sie nicht gegen die Vorschriften über gleiches Entgelt und Lohntransparenz verstoßen haben. Dementsprechend muss die objektive Entgelteinstufung und -entwicklung der Arbeitnehmer:innen nachweisbar dokumentiert werden.
So steht es in heimischen Unternehmen derzeit um Gehaltstransparenz
Wie eine aktuelle Umfrage der digitalen Recruiting-Plattform Stepstone unter 107 heimischen HR-Entscheider:innen zeigt, ist die Mehrheit der Unternehmen allerdings noch gar nicht auf die bevorstehenden Veränderungen vorbereitet. Und auch am Wissen rund um die neue Richtlinie mangelt es zurzeit noch: So gibt knapp ein Viertel der Befragten (23 %) zu, noch nie von der Richtlinie gehört zu haben. Weitere 44 Prozent hätten zwar bereits von ihr gehört, kennen aber keine Details. Lediglich jede:r dritte Personalverantwortliche (33 %) ist mit den konkreten Anforderungen vertraut.
Insgesamt ist die aktuelle Gehaltstransparenz in vielen Unternehmen ausbaufähig, wie die Umfrage festhält: Demnach haben beispielsweise 41 Prozent der befragten Unternehmen noch keine definierten Gehaltsstrukturen, wie etwa Gehaltsbänder oder Gehaltsklassen, um Tätigkeiten objektiv einstufen zu können. Zudem verfügen 31 Prozent über kein leistungsbasiertes Vergütungssystem, wobei davon 23 Prozent auch die Einführung eines solchen aktuell nicht planen. Weiters nutzen gerade einmal 38 Prozent ein Personal-Information-System zur Dokumentation und Analyse von Entgelt.
Bei den Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden haben überdies 56 Prozent noch keine internen Gehaltsvergleiche (Benchmark- oder Pay-Gap-Analysen) durchgeführt, und können somit nicht einschätzen, ob es ein Lohngefälle von mehr als fünf Prozent zwischen Arbeitnehmergruppen gibt. Die Hälfte davon hat aktuell auch nicht vor, solche Vergleiche durchzuführen. Darüber hinaus gibt es zumindest in bereits 57 Prozent der Unternehmen strukturierte und standardisierte Mitarbeitergespräche zu Gehalt und Gehaltsentwicklung.
Konfliktpotenzial bereitet Unternehmen Sorgen
Aber warum schreitet die Entwicklung zu mehr Gehaltstransparenz in den österreichischen Unternehmen eigentlich so langsam voran? Laut Dürhammer würde dies gleich mehrere Gründe haben: Einerseits mangelt es den Personalabteilungen an Ressourcen für derart große Projekte, und andererseits ist vielen auch noch nicht klar, was die Richtlinie für sie bedeutet, weswegen manche erst noch den konkreten Gesetzesentwurf abwarten wollen. Wer das Thema allerdings zu lange herauszögert – etwa aus Angst vor Konflikten, wenn Gehaltsunterschiede offengelegt werden –, könnte letztlich Zeitdruck bekommen, warnt der Experte. "Vieles können und sollten die Unternehmen jetzt schon vorbereiten. Durch Transparenz und proaktives Handeln können Arbeitgeber:innen nicht nur frühzeitig möglichen Problemen entgegentreten, sondern auch das Vertrauen der Mitarbeiter:innen in das Unternehmen stärken", betont Dürhammer.
Wie die Umfrage abschließend zeigt, fürchten sich die heimischen Unternehmen vor allem vor internen Spannungen sowie organisatorischem Aufwand: So rechnen 59 Prozent mit vermehrten Diskussionen über Gehaltsunterschiede im Team, und 44 Prozent mit potenziellen Konflikten oder Unzufriedenheit unter Mitarbeitenden. Zudem bereitet 43 Prozent ein steigender Verwaltungsaufwand Sorgen. Einen positiven Effekt auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erwarten aktuell nur 14 Prozent der Befragten.
Entscheider:innen, die sich genauer über die bevorstehenden Veränderungen informieren möchten, können sich etwa im Webinar mit Rechtsexpertin Karolin Andréewitch-Wallner, Partnerin bei Taylor Wessing, informieren. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.
Mehr Informationen zur Umfrage finden Sie in unserer Infobox.
www.stepstone.at
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