Interview mit Johannes Roth & Martin Schmidt
"Gerade in unsicheren Zeiten ist Führung keine Frage von großen Worten, sondern von Haltung"

| Redaktion 
| 27.11.2025

Im LEADERSNET-Interview sprechen FireStart-CEO Johannes Roth und -COO Martin Schmidt unter anderem über ihre geschärfte Vision nach herausfordernden Jahren, die strategische Neuausrichtung im DACH-Raum, neue Wachstumspotenziale und den Wettbewerbsvorteil europäischer Datenhoheit – und erläutern, warum eine klare, transparente Führungskultur und starke Mitarbeitermotivation für den Neustart des Unternehmens entscheidend sind. 

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Roth, sehr geehrter Herr Schmidt, Ihr Unternehmen positioniert sich als Spezialist für Prozessautomatisierung und Geschäftsprozessmanagement ("All-in-One-Plattform"). Wie würden Sie heute – mit dem Wissen um die aktuellen Herausforderungen – Ihre ursprüngliche Vision und den heutigen strategischen Fokus von FireStart beschreiben?

Johannes Roth: Seit der Gründung von FireStart war das Ziel, eine Plattform zu schaffen, die Prozessmanagement und Automatisierung in einer einzigen Lösung vereint. Eine All-in-One-Plattform, die Prozesse nicht nur dokumentiert, sondern auch automatisiert, um Sichtbarkeit zu schaffen, Kosten einzusparen und die Durchlaufzeiten erheblich zu verkürzen. Heute, mit den Erfahrungen der letzten Jahre, hat sich unser Fokus weiter geschärft: Wir sehen uns nicht mehr nur als Anbieter für Automatisierung, sondern als intelligenter Orchestrator von End-to-End-Prozessen. Die Vision ist die Gleiche geblieben, aber sie ist reifer geworden. Wir konzentrieren uns heute noch stärker auf das Zusammenspiel von Workflow, KI, Datenhoheit und Integration. Dieser Fokus ist wichtiger denn je, insbesondere in der DACH-Region, wo Compliance und Sicherheit eine zentrale Rolle spielen. Dies gilt insbesondere in einer Zeit, in der sich die USA zunehmend von Europa distanzieren.

LEADERSNET: Laut dem Eintrag bei KSV1870 und AKV fiel die Insolvenzmeldung unter anderem auf die Folgen der Corona-Pandemie und eine nicht refinanzierbare Finanzierung zurück. Können Sie konkret erläutern, welche Faktoren im operativen Geschäft Sie am stärksten getroffen haben und welche Lehren Sie daraus ziehen?

Roth: Es war, wie so oft, ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Bei vielen Kund:innen verzögerten sich Investitionsentscheidungen, Projekte wurden verschoben, und die Planbarkeit litt erheblich. Gleichzeitig haben wir intensiv in Produkt, Team und Internationalisierung investiert. Diese Entscheidungen waren inhaltlich richtig, doch das Umfeld und das Timing haben uns vor große Herausforderungen gestellt.

Martin Schmidt: Im operativen Geschäft fokussieren wir heute auf die Messbarkeit des Erfolgs unserer Tätigkeiten: in der Produktentwicklung, der Kundenbetreuung und vor allem in unseren Go-to-Market-Aktivitäten. Beispielsweise muss jedes größere Feature, das wir in unserer Produkt-Roadmap verorten, einerseits einen klaren Beitrag zur Erreichung unserer Produktstrategie bringen. Andererseits muss auch eine Nachfrage seitens unserer Kunden bzw. Zielkunden nachweislich gegeben sein.

LEADERSNET: Viele Beobachter:innen sehen in der aktuellen Situation auch eine Chance für einen echten Neustart. Wie sieht das neue Geschäftsmodell oder die strategische Neuausrichtung von FireStart konkret aus – und in welchen Bereichen möchten Sie künftig wachsen oder neue Kundengruppen erschließen?

Roth: Unser Wachstumsschwerpunkt liegt bewusst im DACH-Raum. Dort wollen wir FireStart als eine der führenden Plattformen für Prozessautomatisierung weiter etablieren und unsere Marktposition nachhaltig stärken. Ein besonders großes Potenzial sehen wir im KMU-Segment. Viele kleine und mittlere Betriebe stehen erst am Anfang ihrer digitalen Transformation. Mit unserer flexiblen Cloud-Lösung können wir sie sehr schnell und effizient unterstützen. Pilotprozesse sind in wenigen Stunden oder Tagen umgesetzt und einsetzbar.

Wir sehen das bereits heute: Anwaltskanzleien, E-Commerce-Unternehmen oder Dienstleister setzen FireStart erfolgreich ein. Zudem bauen wir unser Dienstleistungsgeschäft gezielt aus. Wir übernehmen mehr Verantwortung für unsere Lösung und unterstützen Kund:innen, denen interne Ressourcen fehlen, mit unserem Fachwissen und unserer Zeit in Form von zusätzlichen Dienstleistungen. Dieses Angebot wurde vom Markt sehr gut angenommen, und wir wachsen in diesem Bereich schneller als ursprünglich geplant.

LEADERSNET: Mit Standorten in Linz (Hauptsitz: Am Winterhafen 1) und Wien sowie einem technologiegetriebenen Geschäftsmodell stellt sich die Frage nach Wettbewerb und Innovation: Wie glauben Sie, können Sie sich in einem zunehmend stark umkämpften Markt für Prozess-Automatisierung (z. B. RPA, Low-/No-Code-Plattformen, KI-gestützte Workflows) differenzieren – und welche Rolle spielt Österreich als Standort dabei?

Schmidt: Der Markt für Prozessautomatisierung ist intensiver umkämpft denn je. Man muss nur eine beliebige Zeitung aufschlagen und findet täglich Berichte über KI-Agenten und Automatisierungen. Viele internationale Anbieter liefern beeindruckende Technologien, kommen aber überwiegend aus den USA oder Asien. Was dort oft fehlt, ist die europäische Datenhoheit und ein tiefes Verständnis der regulatorischen Anforderungen im DACH-Raum. Genau hier setzen wir an. Als österreichischer Anbieter bieten wir europäische Datenhaltung, volle DACH-Compliance und die Möglichkeit, FireStart sowohl On-Premise als auch in der Cloud zu betreiben. Gerade in einer Zeit, in der geopolitische Unsicherheit zunimmt und Unternehmen immer sensibler in Bezug auf Daten, KI-Nutzung und Sicherheit werden, ist das ein riesiger Wettbewerbsvorteil.

Darüber hinaus können Kund:innen mit unserer Lösung KI rasch und mit wirklichem Mehrwert für komplexe Geschäftsprozesse einsetzen. Unser Ansatz ist, eingebettet in einen sauberen Prozess an neuralgischen Punkten spezifische Aufgaben von einer KI erledigen zu lassen. Das bringt einerseits volle Transparenz und Nachvollziehbarkeit, andererseits kann man KI-Technologien dort einsetzen, wo sie jetzt schon Mehrwert liefern, zum Beispiel in der Analyse oder der Klassifikation von Daten und teilweise auch der Generierung von Informationen. Was jedoch wichtig ist: der Mensch hat immer die Entscheidungshoheit im Prozess und kann eingreifen.

LEADERSNET: In Zeiten hoher Unsicherheit (wirtschaftliche Lage, Finanzierungsbedingungen, Fachkräftemangel) rückt das Thema Führung und Unternehmenskultur stärker in den Vordergrund: Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben – und wie wollen Sie die Arbeitsbedingungen und Motivation Ihrer Mitarbeitenden nachhaltig sichern?

Roth: Gerade in unsicheren Zeiten ist Führung keine Frage von großen Worten, sondern von Haltung. Mein Führungsstil basiert auf drei Dingen: Transparenz, Klarheit und Verantwortung. Ich spreche offen über die Realität. Auch dann, wenn sie unbequem ist. Gleichzeitig gebe ich eine klare Richtung vor, weil Menschen Orientierung brauchen, keine Gerüchte oder Überraschungen. Mir ist wichtig, dass Mitarbeitende das Gefühl haben: Wir gehen als Team da durch und jeder Beitrag zählt.

LEADERSNET: Wenn Sie drei zentrale Faktoren nennen müssten, die den zukünftigen Erfolg Ihrer Firma bestimmen – welche wären das? Und wie werden Sie sicherstellen, dass diese Faktoren im Rahmen der Sanierung und danach nicht nur auf dem Papier stehen, sondern konsequent umgesetzt werden?

Roth: Für den zukünftigen Erfolg sind für mich drei Faktoren entscheidend: Fokus, Umsetzung und eine starke Unternehmenskultur. Aber entscheidend ist nicht, diese Punkte zu benennen, sondern sie konsequent umzusetzen. Als Geschäftsführung ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass aus Strategie gelebte Realität wird. Das bedeutet: Prioritäten setzen, Hindernisse aus dem Weg räumen und unseren Teams die Rahmenbedingungen geben, um schnell und effektiv handeln zu können.

LEADERSNET: Vielen Dank!

www.firestart.com

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV