LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Schuller, das Greco Health & Benefits Consulting Team beleuchtete in der Greco Marktstudie zum bereits 18. Mal die Leistungsfähigkeit der Betrieblichen Vorsorgekassen. Wie haben sich die Veranlagungsergebnisse der Vorsorgekassen im Jahr 2024 entwickelt und welche Faktoren trugen maßgeblich zur positiven Performance bei?
Joachim Schuller: Die Performance war 2024 ausgesprochen erfreulich. Je nach Anbieter lagen die Veranlagungsergebnisse zwischen 2,7 und sechs Prozent. Im Durchschnitt wurden fast fünf Prozent erzielt – ein bemerkenswerter Wert, wenn man bedenkt, dass der langfristige Durchschnitt seit Einführung der Vorsorgekassen 2003 bei etwa 2,5 Prozent liegt. Damit war 2024 beinahe doppelt so erfolgreich.
Jetzt kann man sagen, das klingt nicht nach außerordentlich viel. Aber die Vorsorgekassen bieten eine Brutto-Kapitalgarantie. Das Geld ist täglich fällig – de facto vergleichbar mit einem Sparbuch. Und wenn man sich anschaut, was man dort in den letzten Jahren an Zinsen bekommen hat, dann ist das Ergebnis der Vorsorgekassen doch recht ansehnlich. Haupttreiber der positiven Entwicklung waren Unternehmensanleihen, die besser als erwartet performten, und vor allem Aktienerlöse, insbesondere aus den USA.
LEADERSNET: In welchen Branchen und Unternehmensgrößen zeigt sich ein besonders starkes Wachstum bei der Nutzung von betrieblichen Vorsorgemodellen?
Schuller: Die Abfertigung Neu ist ein Obligatorium und in Österreich für alle Arbeitgeber:innen verpflichtend – konkret fließen 1,53 Prozent der Bruttogehälter in eine Vorsorgekasse und das System gibt es seit 2003. Wenn wir über zusätzliche Modelle sprechen, wie die direkte Leistungszusage oder das "300-Euro-Modell", wo man steuerbegünstigt 300 Euro pro Jahr in eine Vorsorge einzahlen kann, sehen wir eine starke Nachfrage, etwa zur Aufbesserung der Pension mit steuerlichen Vorteilen.
Angesichts der sinkenden Leistungen der staatlichen Krankenversicherung nimmt der Bedarf an ergänzenden Lösungen spürbar zu. Das zeigt sich unter anderem daran, wie schwierig es geworden ist, zeitnah einen Facharzttermin zu erhalten –man denke selbst an Termine bei Kinderärztin oder Hautarzt.
Diese Herausforderungen betreffen inzwischen Arbeitnehmer:innen in nahezu allen Branchen. Gleichzeitig hat sich der Fachkräftemangel zu einem flächendeckenden Arbeitskräftemangel ausgeweitet. Um im Wettbewerb um Talente zu bestehen, setzen viele Unternehmen verstärkt auf attraktive Zusatzleistungen. Besonders gefragt sind dabei Benefits, die steuerlich begünstigt sind – ein wichtiger Hebel, um sich als moderner und verantwortungsvoller Arbeitgeber:in zu positionieren.
LEADERSNET: Mit der bereits vereinbarten Übernahme der fair-finance durch die Bonus Pensionskassen AG ist die Zahl der Anbieter auf dem Markt auf sieben gesunken. Welche Unterschiede bestehen laut Studie zwischen den einzelnen Vorsorgekassen in Bezug auf Nachhaltigkeit, Kostenstruktur und Servicequalität?
Schuller: Der deutlichste Unterschied zeigt sich in der Performance der einzelnen Kassen. Das Thema Nachhaltigkeit steht bei allen Vorsorgekassen ganz oben auf der Agenda. Wenig überraschend, da dies auch im BMSVG so verankert ist. Die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) überprüft das jährlich und vergibt Zertifikate. Dennoch gibt es auch hier qualitative Unterschiede. Die Kostenstrukturen sind ähnlich, geringfügige Differenzen können sich aber bei der Performance bemerkbar machen. Denn alles, was man sich auf der Kostenseite erspart, muss nicht erst durch zusätzliche Veranlagungserfolge kompensiert werden.
Beim Service herrscht allgemein Zufriedenheit, es ist aber auch kein sehr service-intensives Geschäft. Manche Kassen schneiden also in allen Kategorien mit einem "Sehr Gut" ab, andere lediglich mit einem "Gut". Unser Ansatz aber ist klar: Man muss all diese Kategorien analysieren, denn erst, wenn man Performance, Nachhaltigkeit, Kosten und Servicequalität in Summe betrachtet, lässt sich eine echte Bewertung vornehmen. Und dann trennt sich die Spreu vom Weizen.
LEADERSNET: Welche Empfehlungen geben Sie Unternehmen, um die betriebliche Vorsorge attraktiver für ihre Mitarbeiter:innen zu gestalten?
Schuller: Wir sprechen in diesem Zusammenhang gerne von einem "Blumenstrauß an Benefits". Denn die Bedürfnisse und Erwartungen von Mitarbeitenden sind äußerst vielfältig, abhängig von Alter, Geschlecht, Lebensphase, Einkommensniveau und weiteren individuellen Faktoren. Um als Arbeitgeber:in attraktiv zu sein, ist es daher sinnvoll, eine möglichst breite und zielgruppengerechte Palette an Zusatzleistungen anzubieten. Unser erster Ratschlag an Unternehmen lautet: Führen Sie eine strukturierte Analyse der bestehenden Benefits durch. Sobald diese Bestandsaufnahme abgeschlossen ist, identifizieren wir gemeinsam mögliche Verbesserungen im Angebot.
Im vergangenen Herbst haben wir bei Greco eine umfassende Benefit-Studie veröffentlicht. Dabei wurde deutlich, dass viele Unternehmen insbesondere im Bereich Mobilität bereits stark engagiert sind. Ob Öffi-Ticket, Jobrad oder Firmenwagen, gerade in diesem Segment wurden in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen umgesetzt.
Anders sieht es im Bereich der klassischen betrieblichen Vorsorge aus, also bei der Absicherung gegen Krankheit, Unfall oder im Hinblick auf die Altersvorsorge. Genau hier besteht aus unserer Sicht noch erheblicher Aufholbedarf und dort sollten Unternehmen ansetzen. Wir empfehlen daher, diesen Bereich gezielt und im Detail zu analysieren.
LEADERSNET: Wie schätzen Sie die zukünftige Rolle der betrieblichen Vorsorge im Hinblick auf die Herausforderungen des öffentlichen Pensionssystems ein und wie entwickelt sich das Bewusstsein der Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen dafür?
Schuller: Ich beginne mit Ihrer zweiten Frage: Wir beobachten ein stetig wachsendes Bewusstsein für das Thema Altersvorsorge, insbesondere bei der jüngeren Generation. Während man vor zehn bis 20 Jahren primär mit der Generation 50+ über Pensionen sprach, also mit Menschen, die sich dem Ruhestand näherten, nimmt das Interesse heute auch bei jungen Erwachsenen deutlich zu. Das merken wir besonders bei Vorträgen und Präsentationen: Immer häufiger sitzen junge Zuhörer:innen im Raum. Ein Grund dafür ist die wachsende Skepsis – gerade unter der Generation Z –, ob die staatliche Pension allein ausreichen wird, um den gewohnten Lebensstandard im Alter aufrechtzuerhalten. Diese Zweifel haben wir auch im Rahmen unserer Studien festgestellt.
Die staatliche Pension wird es auch in Zukunft geben. Entscheidend ist jedoch, wie hoch sie künftig noch ausfallen wird. Deshalb setzen wir uns aktiv für eine starke zweite Säule ein – die betriebliche Vorsorge. Denn auf zwei Beinen steht es sich bekanntlich besser. Warum also nicht neben der staatlichen Pension auch auf ein ergänzendes Modell setzen, wie es beispielsweise skandinavische Länder oder die Niederlande seit Jahren erfolgreich praktizieren.
Diese zweite Säule bringt klare Vorteile: Erstens, eine breitere Risikostreuung, da man im Alter nicht nur auf eine Einkommensquelle – den Staat – angewiesen ist. Zweitens, die Möglichkeit, bestehende Versorgungslücken zu schließen, da das Einkommen im Ruhestand in der Regel unter jenem im Erwerbsleben liegt. Drittens, die Chance, am globalen Kapitalmarkt zu partizipieren und so langfristig Vermögen aufzubauen.
Nicht zuletzt muss man auch die finanzielle Perspektive des Staates bedenken: Aktuell fließt rund ein Viertel des nationalen Budgets in Pensionen – Tendenz steigend. Wir bewegen uns auf 30 Prozent zu. Irgendwann wird es aus rein budgetärer Sicht unumgänglich sein, sich zu fragen, wie die staatliche Pensionslast so gestaltet werden kann, dass auch künftig noch Spielraum für andere Investitionen in Österreich bleibt.
LEADERSNET: Wird es das öffentliche Pensionssystem Ihrer Einschätzung nach in 20 bis 30 Jahren noch geben?
Schuller: Ja, daran zweifle ich nicht. Die entscheidende Frage wird jedoch sein, wie gut man dann noch davon leben kann. Deutschland hat bereits stärker reformiert als Österreich. Um auch in Zukunft in andere Bereiche investieren zu können, wird man das System effizienter gestalten müssen. Eine starke zweite Säule kann hier entscheidend entlasten.
Die gesamte Greco-Studie finden Sie hier.
www.greco.services
Kommentar veröffentlichen