"Sich auf diesen Erfolgen auszuruhen, wäre im wahrsten Sinne des Wortes 'fatal'"

| Redaktion 
| 06.07.2023

Im LEADERSNET-Interview spricht der neue Geschäftsführer des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV), Christian Schimanofsky, über steigende Sicherheitsbedürfnisse, komplexe Risiken und die Rolle der Präventionsarbeit in Zeiten gesamtgesellschaftlicher Umbrüche. Zudem erklärt er, weshalb Sicherheitsthemen dynamisch sein und den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden müssen.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Schimanofskyvor welchen Herausforderungen steht die Präventionsarbeit der Zukunft angesichts von Krieg, Pandemiejahren und wirtschaftlichem Umbruch?

Christian Schimanofsky: Tatsächlich sind wir mit Krisen konfrontiert, die noch vor drei Jahren undenkbar waren, die in das Leben und den Alltag jedes einzelnen Menschen eingreifen und deren Dauer und Intensität noch nicht absehbar sind. Trotzdem – oder gerade angesichts dieser Krisen – steht es außer Frage, die Menschen in ihren Grundbedürfnissen zu schützen und ihre persönliche Sicherheit und die ihrer Familien zu gewährleisten. Dazu zählen ganz klar die sichere Mobilität der Bevölkerung, der Schutz des persönlichen Eigentums und die Möglichkeit, gesund den Alltag zu bewältigen. Diese individuelle Alltagssicherheit muss unabhängig von der gesamtpolitischen Lage bestmöglich funktionieren. Sicherheitsthemen müssen demnach dynamisch und am Puls der Zeit sein, sich anpassen und den Bedürfnissen der Menschen auch gerecht werden.

LEADERSNET: Im Bereich Präventionsarbeit wurde in Österreich schon vieles erreicht, wie beurteilen Sie die Entwicklungen?

Schimanofsky: Betrachtet man das Unfallgeschehen im Straßenverkehr Anfang der 70er Jahre, so kamen damals noch knapp 3.000 Menschen pro Jahr durch Verkehrsunfälle zu Tode. Anfang der 2000er Jahre waren es noch rund 1.000 getötete Menschen jährlich und im Jahr 2021 schließlich 362. Diese Zahlenreihe belegt, dass durch zielgerichtete Maßnahmen deutliche Effekte erreicht und somit viele Menschenleben gerettet werden können. Alle diese Maßnahmen entstehen nicht zufällig, sondern sind Ergebnisse von fundierten Analysen verschiedenster Bereiche, in denen Verbesserungen dringend erforderlich waren und weiterhin sind. Daher werden wir uns auch in Zukunft mit konkreten Vorschlägen einbringen und intensive Überzeugungsarbeit leisten.

Viele der bereits umgesetzten Maßnahmen sind heute selbstverständlich, waren bei ihrer Einführung aber nicht immer populär. Man denke nur an die Gurt- und Helmpflicht oder die Einführung von Kindersitzen in den 90er Jahren. Sich auf diesen Erfolgen auszuruhen, wäre allerdings im wahrsten Sinne des Wortes "fatal". Aktuell steigen die Unfallzahlen im Straßenverkehr wieder an und auch im Bereich der Haushalts-, Sport- und Freizeitunfälle konnte bislang noch keine starke Trendwende erreicht werden. Ein Zurückfahren der Präventivarbeit oder gar ein Stillstand bei der Forschung, würde rasch zu Rückschritten führen.

Unfallprävention ist kein Selbstläufer. Deshalb muss auch in Zukunft unermüdlich weiter geforscht und ganz nah an aktuellen und zukunftsgerichteten Trends gearbeitet werden. Die Digitalisierung und die ständige Weiterentwicklung technischer Hilfsmittel sowie die Verknüpfung von Daten zur Unfallvermeidung werden im Präventionsbereich in Zukunft eine viel größere Rolle spielen als heute.

LEADERSNET: Welche wichtigen Schritte gilt es in Zukunft zu gehen, wo muss weiter angesetzt werden und vor allem, wie?

Schimanofsky: Zum einen gilt es, bereits etablierte sinnvolle Maßnahmen und Verhaltensweisen immer wieder in Erinnerung zu rufen. Hier darf man nicht müde werden, durch innovative und kreative Ansätze die ganz „klassischen" Themen der Prävention zu betonen, um das Bewusstsein für diese Gefahren zu schärfen. Ich denke hier an Themen wie Alkohol oder Drogen am Steuer, das Tragen von Schutzausrüstung oder Kindersicherheit in allen Lebensbereichen. Zum anderen müssen aktuelle Entwicklungen laufend beobachtet und analysiert werden. Das Zusammenspiel der verschiedenen Verkehrsarten, neue Mobilitätsformen, die sich etablieren, neue Risiken, die auftreten – all das muss mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit und der Evaluierung geltender gesetzlicher Regelungen begleitet werden.

Darüber hinaus sind die Herausforderungen unserer Zeit auch im digitalen Bereich zu sehen. Es gilt, die Fülle an existierenden Daten – unter Wahrung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte – sinnvoll für die Zukunftsforschung zu nutzen. Auch der Einsatz moderner Technik insbesondere im Bereich der Unfallprävention, Stichwort Künstliche Intelligenz, wird an Relevanz gewinnen. Gerade in dem für die Gesellschaft so wichtigen Bereich der Präventionsarbeit, gibt es enormes Potenzial für Weiterentwicklung, um ihren Zweck, nämlich die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, zu erfüllen.

www.kfv.at

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