Was hat es mit dem "Bewerber:innen-Loch" auf sich?

Neue Studie: 50 Prozent der Mitarbeiter:innen sind unzufrieden, aber nur 18 Prozent wollen ihren Arbeitgeber wechseln.

Während der Pandemie hat sich für Mitarbeiter:innen gezeigt, welche Bedeutung sie als Mensch tatsächlich für ihren Arbeitgeber haben. Laut der brandaktuellen Marketagent-Studie von April 2022 des auf Mitarbeitergewinnung und -bindung spezialisierten Beratungsinstituts lifecreator Consulting, haben nur rund 50 Prozent der österreichischen Arbeitgeber darin reüssiert, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen zu erfüllen. 50 Prozent  sind demnach enttäuscht. Aber diese Unzufriedenheit macht sich nicht in der Jobwechselbereitschaft bemerkbar: Aktuell wollen nur 18Prozent ihren Arbeitgeber wechseln. Die Folge: Bleibende Unzufriedenheit und sinkende Motivation, die Unternehmen und Wirtschaft Geld kostet.

Offene Stellen zu besetzen, ist derzeit ein schwieriges Unterfangen

Ob junge Lehrlinge, motivierte Mitarbeiter:innen für die Gastronomie und Hotellerie, talentierte IT-Expert:innen oder qualifiziertes Gesundheitspersonal – aktuell sind laut Jobplattformen rund 60Prozent mehr Stellenanzeigen als 2019 inseriert. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass nach dem Beginn des Ukraine-Krieges die Bereitschaft, den Job zu wechseln, laut der lifecreator Studie 2022 auf 18 Prozent gesunken ist (im März 2019 lag sie laut Statista*[1] bei knapp 30 Prozent ).

Kommunikation auf Augenhöhe wichtiger denn je

Für die österreichweite, repräsentative Marketagent-Studie wurden 763 Teilnehmer:innen zwischen 14 und 39 Jahren im April 2022 befragt. Die Pandemie hat die Lupe auf bereits vorhandene Probleme gelegt: Führung, Wertschätzung, Kommunikation, Anpassungsfähigkeit, Unterstützung und digitale Anwendungen wurden für alle Mitarbeiter:innen relevant. Auch wurden der Management-Stil und die Leadership-Kompetenz der Unternehmensführung erstmalig für alle Mitarbeiter:innen sichtbar und messbar. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der „Mangel an Kommunikation der Unternehmensführung mit den Mitarbeiter:innen zur aktuellen Situation des Unternehmens“ jener Aspekt ist, der für viel Enttäuschung gesorgt hat. Nur 54,6 Prozent der Studienteilnehmer:innen haben dies mit „ausreichend“ bewertet. Folge dessen steckt in der effizienten Kommunikation nach innen und außen enormes Potenzial: Dazu zählen etwa bereits die laufende Information über die aktuelle Situation des Unternehmens oder umgesetzte Maßnahmen.

Maßnahmen zur Wertschätzung der Mitarbeiter:innen essenziell

Ein weiterer Aspekt, der oftmals unterschätzt wird, geht deutlich aus der Studie hervor: Mitarbeiter:innen wünschen sich Führungskräfte, die ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie persönlich für das Unternehmen wichtig sind. Das bedeutet eine Rückkehr zu den ursprünglichen Werten: der Mensch zählt und möchte mit seinen Sorgen, Ängsten und Bedürfnissen ernst genommen werden. Maßnahmen zur Wertschätzung der persönlichen Leistungen, die sich auch in einem adäquaten Gehalt widerspiegeln, sind laut Studie die signifikantesten Gründe für die Entscheidung, zu wechseln oder zu bleiben. Während sich zielgruppenspezifische Unterschiede zeigen, wird eines deutlich: 90% der Befragten machen sich Sorgen aufgrund der aktuellen Ereignisse und der daraus resultierenden Konsequenzen auf ihr Leben.

Sicherheit in unsicheren Zeiten bieten

Studien-Initiator Heinz Herczeg fasst zusammen: "Aufgrund der aktuellen Ereignisse sind den Mitarbeiter:innen eine gute Arbeitsatmosphäre, Sicherheit des Arbeitsplatzes, Vertrauen in die persönlichen Fähigkeiten und vertrauensbildende Maßnahmen sehr wichtig. Dies ist eine großartige Chance für das Management, genau jetzt ihre Mitarbeiter:innen langfristig an das Unternehmen zu binden, wenn sie hier ihren Beitrag leisten." Gelingt dies nicht, kann die Unzufriedenheit dem Experten zufolge zu Leistungsabfall bis hin zu psychischen Krankheiten führen. "Verlassen Mitarbeiter:innen das Unternehmen, kann das Kosten in der Höhe eines Jahresgehalts bedeuten", warnt Herczeg. "Dazu kommt der mögliche Imageschaden, wenn ehemalige Mitarbeiter:innen ihre negativen Erfahrungen im Bekanntenkreis teilen oder auf Bewertungsplattformen veröffentlichen und andere potenzielle Mitarbeiter:innen dadurch abschrecken."

Jobwechsel

In vertiefenden Interviews mit Kandidat:innen fand Studienautor Herczeg heraus, was Menschen davon abhält, so stracks wie noch bis 2019, den Job zu wechseln: "das Bedürfnis nach Sicherheit und Vertrauen. Bevor sich Menschen für einen neuen Job und Arbeitgeber entscheiden, wollen sie Beweise, dass sich ein Wechsel lohnt." Diese Tatsache zeigt die Studie in den Quellen, die Jobinteressierte nutzen, um die passende Stelle zu finden: Neben den klassischen Stellenbörsen werden ex-aequo "Empfehlungen von Freunden, Bekannten und Mitarbeiter:innen" genannt. Statt klassischen Bewerbungsgesprächen werden "Kennenlern-Einladungen" ins Unternehmen bevorzugt, um Vorgesetzte, Teamkolleg:innen, Arbeitsumfeld und Schreibtisch oder Arbeitsplatz persönlich erleben zu können. Das bedeutet für Arbeitgeber, dass eine einfache Stellenanzeige nicht mehr ausreicht. Glauben Kandidat:innen, im neuen Job ein gutes Arbeitsklima, eine interessante Tätigkeit, wertschätzende Vorgesetzte und nette Kolleg:innen vorzufinden, sind sie auch 2022 bereit, zu wechseln.

Auf die Beratung von externen Expert:innen setzen

Heinz Herczeg, Gründer der lifecreator consulting, betont: "Die Erfahrung zeigt, dass Führungskräfte beim Finden des passenden Personals die besten Ergebnisse erzielen, wenn sie auf die Expertise von Spezialist:innen in den Bereichen Mitarbeitergewinnung und -bindung setzen. Vor allem können sie mit den richtigen Maßnahmen die Krise als Chance nützen." Herczeg zufolge werden sich schlussendlich jene Unternehmen behaupten, die jetzt ihre Stärken nach innen und außen kommunizieren, ihre Führungskräfte zu empathischen und wertschätzenden Leadern entwickeln, die Mitarbeiter:innen als Job-Botschafter:innen ausstatten und Jobsuchenden konkrete Kennenlernmöglichkeiten bieten.

Wie kommen Unternehmen zukünftig zu den Fachkräften?

Der Mangel an Lehrlingen hat sich durch die Pandemie noch zugespitzt: Grundsätzlich ist eine steigende Beliebtheit bei den Eltern erkennbar, ihre Kinder in die AHS zu schicken. Konsequenz: Immer weniger Jugendliche entscheiden sich nach der 9. Schulstufe aufgrund von unzureichender Berufsorientierung für eine Lehre. Pandemiebedingt wurden viele Infoveranstaltungen und Berufsmessen eingestellt. Die Studie weist auf, dass die fehlenden Kennenlern- und Schnuppermöglichkeiten mit ein Grund sind, warum Österreich aktuell zu wenige Lehrlinge hat. Bemerkenswert ist aber folgende Trendwende weg von der AHS: Fast zwei Drittel der 20-39-Jährigen sind der Meinung, mit einer Lehre „die besten Chancen für die eigene berufliche Entwicklung und im Leben allgemein“ zu haben. Jetzt sind daher Schulen und Unternehmen gefordert, den Jugendlichen Kennenlern- und Ausprobiermöglichkeiten zu bieten. Dabei soll der Fokus darauf liegen, dass sich die jungen Menschen in ihren Interessen, Stärken und Fähigkeiten erfahren können. Das bedeutet ein Umdenken: weg von Werbekampagnen hin zu Erlebnisse-Schaffen. (red)

www.lifecreator.at/roadshow2022

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