Überfällig

Gastkommentar von Peter Dobcak, Wirtschaftskammer Wien Fachgruppenobmann der Gastronomie.

Die Tourismuslandschaft in Österreich hat derzeit viele Baustellen. Damit meine ich nicht die Infrastruktur, sondern die durch die Belastung der Corona-Krise schonungslos aufgedeckten Schwachstellen, dieser für unser Land so wichtigen Branche. Der derzeitige Personalmangel ist ein Teil davon und trifft uns direkt ins Mark. Eingeschränktes Service, mehr Schließtage, das tägliche Zittern, ob die Stammmannschaft die notwendige Leistung noch schafft.

Imagespirale nach unten

Das Resultat ist eine weitere Umdrehung der Imagespirale nach unten. Es verfestigt sich der Eindruck, dass die Arbeit im Tourismus viel zu anstrengend, familienfeindlich und relativ schlecht bezahlt ist. Kein Wunder, dass der Nachwuchs ausbleibt. Doch sind wir ganz ehrlich, die Branche hat über Jahrzehnte fleißig an diesem Ergebnis gearbeitet. Mit dem Finger auf andere zu zeigen ist Realitätsverweigerung. Hunderte Betriebe in jedem Bundesland beweisen jeden Tag, dass es auch anders geht. Viel zu viele Betriebe haben es leider noch immer nicht verstanden. Für diese sind Mitarbeiter einfach Menschenmaterial, das grundsätzlich faul ist, jede Gelegenheit zum Krankenstand ausnützt und sowieso nur stiehlt. Wertschätzung samt motivierendem Arbeitsumfeld sind ein Fremdwort.

Tatsache ist allerdings auch, dass die Summe der einzelnen sozialen Unterstützungen den Abstand zum Grundgehalt zu gering macht. Viele Mitarbeiter melden sich arbeitslos, verdienen geringfügig dazu und arbeiten für den Rest den sie benötigen schwarz. Womit wir wieder bei den Unternehmern sind, die so etwas weiterhin praktizieren. So greift ein negatives Rädchen in das andere. Ein wenig motivierendes Arbeitsumfeld verleitet zum Krankenstand, die staatlichen Hilfen reichen meist schon bei geringer finanzieller Einschränkung aus. So stellt sich die Frage, warum überhaupt arbeiten gehen? Jene, die doch arbeiten sind damit permanent überlastet und verlassen, früher oder später, kaputt und frustriert die Branche.

Alle müssen sich neu aufstellen

Gespürt haben wir es schon lange, zugegeben hat es kaum jemand. Alle Mitspieler im Tourismus, von der Regierung über Interessenvertretungen, Gewerkschaft, Unternehmen und Mitarbeiter müssen sich völlig neu aufstellen um die Zukunft des Tourismus und damit einem der wichtigsten Arbeitgeber in diesem Land abzusichern. Die Regierung beschließt endlich wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen, die Interessenvertretungen betrachten auch einmal ihre eigenen Mitglieder kritisch und bringt sie auf den Weg, die Gewerkschaft hört auf, einem Mantra gleich, permanent Klassenkampf zu betreiben, die Unternehmer erkennen, dass gute Mitarbeiter nicht vom Himmel fallen und Mitarbeiter betrachten ihre Arbeitgeber als Verbündete, deren Ziel und Verantwortung weit über Gewinnmaximierung hinausgeht.

Bei allen kritischen Worten dürfen wir stolz auf die vielen Leitbetriebe in Österreich sein, die schon längst die Zeichen der Zeit erkannt haben. Für die Mitarbeiterführung und Personalentwicklung so selbstverständlich ist, wie ihr qualitativ hochwertiges touristisches Angebot. Im Gegenteil, sie erkennen, dass das eine ohne das andere langfristig nicht geht. Auch diese Betriebe leiden, völlig unverdient, unter dem schlechten Image der Branche.

Ich, als Interessenvertreter in der WKW, werde jedenfalls in Zukunft noch mehr Kraft darauf verwenden, möglichst viele Betriebe auf dem Weg zu einer modernen Betriebsführung zu unterstützen. Es sind diese Betriebe, die Österreich im Tourismus weiterbringen. Alle anderen, sorry, Eure Zeit ist vorbei.

www.wko.at


 

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