„Wir sind ein Keyplayer in der Industrie 4.0"

Chromy, GF Murrelektronik Österreich & CEE, im Interview über den Wandel im Automotive-Bereich, Österreich als Dreh- und Angelpunkt, und wie man sich für die industrielle Zukunft optimal rüstet.

Murrelektronik ist ein weltweit führender Anbieter hochmoderner Technologien und individueller Lösungen für komplexe automatisierte Industriesysteme, dezentrale Feldbuslösungen sowie vernetzte Maschinen. Murrelektronik konstruiert und fertigt elektronische Produkte und Steuersysteme unter anderem für die Nahrungsmittel- und Getränke- und Verpackungsindustrie. leadersnet.at hat den Geschäftsführer Österreich und CEE, Andreas Chromy, zum Interview über Wachstumspotenziale im Automotive-Bereich, den weltweit verfügbaren Kundendienst, die neue Niederlassung in Rumänien und warum das CEE Headquarter in Schwechat errichtet wurde, getroffen.

leadersnet.at: Was produziert Murrelektronik, was macht die Produkte weltweit so begehrt?

Chromy: Wir haben uns auf dezentrale Automatisierungstechnik d.h. jene technischen Komponenten, die Produktionsanlagen zunehmend selbständig arbeiten lassen, spezialisiert. Vor allem Produkte für den Schaltschrank – das Herzstück von automatisierten Anlagen – wie Einzelkomponenten für die optimale Stromversorgung, Schnittstellen für das Zusammenspiel der einzelnen Maschinen, sogenannte I/O-Systeme für die Steuerung sowie Kabel und Stecker für Anschluss und Verbindung der Anlagen. Besonderes Augenmerk legen wir auf kundenfreundliche Gesamtlösungen, die die Größe des Schaltschranks reduzieren – Stichwort Zero Cabinet. All diese Produkte sind ganz zentral für die Industrie 4.0, die in der produzierenden Industrie eine Revolution eingeläutet hat. Das bedeutet, dass der Markt weiter im Wachsen begriffen ist, weil zahlreiche Betriebe diesbezüglich noch aufrüsten müssen, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein – wir sind einer der Keyplayer in diesem Feld und inzwischen in mehr als 50 Ländern weltweit vertreten.

leadersnet.at: Wie sieht die Kundenstruktur aus? Welche Rolle spielen hier Großkonzerne?

Chromy: Neben dem Automotive-Bereich, der für uns zentral ist, gehören auch Produktionsunternehmen aus den Bereichen Werkzeugmaschinen-, Maschinen- und Anlagenbau, Montage- und Handlingtechnik, Nahrungsmittelmaschinen sowie Lager und Logistik zu den Murrelektronik-Kunden. In der CEE-Region – also jene Region, die von Österreich aus gesteuert wird – sind unter anderem große Autobauer wie Audi, Daimler, Kia, VW oder Skoda zu finden.

leadersnet.at: Das Unternehmen hat ein CEE-Headquarter in Schwechat aufgebaut, warum fiel die Wahl auf Österreich? Welche Bedeutung hat es für die Standortpolitik?

Chromy: Ich habe vor neun Jahren den Auftrag bekommen, den Standort Österreich aufzubauen. Der Schritt nach CEE war dann nur logisch, weil die deutsche Zentrale gesehen hat, dass Österreich das Sprungbrett nach Osteuropa darstellt. Das liegt einerseits an den historischen Verbindungen in diese Region, die sich auch in den Mentalitäten wiederspiegeln. Innerhalb von Murrelektronik sind wir auch der einzige Standort außerhalb der Zentrale, der andere Standorte steuert: 2012 wurde unsere ungarische Tochterfirma gegründet, seit 2015 sind wir auch in der Slowakei mit einer eignen Gesellschaft tätig. Der nächste größere Schritt soll 2018 eine eigene Niederlassung in Rumänien sein. Damit haben wir aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, denn auch Märkte wie Serbien, Kroatien oder Bulgarien haben noch großes Wachstumspotenzial. Insofern ist der Standort Österreich weiter ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt der Murrelektronik-Expansionspolitik.

leadersnet.at: CEE wird als Wachstumsmarkt gesehen, worauf gründen sich die positiven Umsatzerwartungen?

Chromy: Murrelektronik hat seine CEE-Aktivitäten in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut und war dabei höchst erfolgreich: Unser Ziel war es, unseren Umsatz in Ungarn, der Slowakei und Rumänien 2016 um bis zu 30 Prozent zu erhöhen – das haben wir erreicht. Das liegt daran, dass der Investitionsbedarf in modernen Produktionsanlagen noch immer hoch ist, auch wenn sich hier in den vergangenen Jahren schon einiges bewegt hat. Dazu kommt, dass das Investitionsklima weiterhin günstig ist, vor allem in Rumänien, wo die EU noch stark fördert, um die Infrastruktur zu modernisieren. Das wird noch viele internationale Unternehmen anziehen – und genau das sind unsere Kunden.

leadersnet.at: Hat gerade die Automotive-Branche ein besonderes Wachstumspotenzial?

Chromy: Im Automotive-Bereich findet derzeit ein großer Wandel statt, denn die Branche setzt immer mehr auf E-Mobilität. Die großen internationalen Automessen im vergangenen Jahr waren der beste Gradmesser dafür, beim Pariser Autosalon im Oktober waren die Elektroautos die großen Stars. Eine aktuelle Studie des Center of Automotive Management geht davon aus, dass die E-Mobilität ab den 2020er Jahren rasant wachsen wird, es ist also noch viel Luft nach oben. Innovation ist gerade im Automobilbereich ein zentraler Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit. Das lässt sich auch daran ablesen, dass die deutschen Autobauer und ihre Zulieferer 2015 fast 22 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung gesteckt haben. Das heißt, dass jeder zweite Forschungseuro in unserem Nachbarland aus der Automotive-Branche kam. Hier wird also viel in die Zukunftsfähigkeit investiert.

leadersnet.at: Ist "Made in Europe" schon ein Markenzeichen für intelligente Problemlösungen?

Chromy: Das Rückgrat der europäischen Wirtschaft sind innovative KMU und Familienunternehmen, die durch schlankere Konzernstrukturen in der Lösungsfindung und daraus resultierenden Produktentwicklung schlagkräftiger sind. Murrelektronik ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Mittelstand Produkte im Sinne der Kunden und vor Ort produziert. Von unseren fünf Produktionsstandorten befinden sich drei in Europa, zwei in Deutschland – in Oppenweiler und Stollberg – und einer im tschechischen Stod. Dort werden intelligente elektronische Komponenten für den europäischen Markt erzeugt, die unseren Kunden dabei helfen, die Installationskosten und den Energieverbrauch um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. Durch die räumliche Nähe haben wir auch kürzere Lieferzeiten – und unsere Kunden kommen schneller zum gewünschten Produkt.

leadersnet.at: Wie gelingt es überhaupt, das qualifizierte Personal für eine intelligente und innovative Marktführerschaft zu rekrutieren?

Chromy: Für ein Unternehmen wie Murrelektronik, das in einem hochspezialisierten technischen Bereich tätig ist, ist es nicht immer einfach, schnell die richtigen Leute zu finden. Deshalb suchen wir an Universitäten und Fachhochschulen gezielt nach engagierten Berufseinsteigern. In Deutschland bieten wir beispielsweise Studiengänge an, die Praxis und Ausbildung kombinieren, bilden genauso Lehrlinge aus. In Österreich haben wir gut ausgebildete Mitarbeiter, da wir aber mittelfristig aufstocken wollen, suchen wir weiterhin gut ausgebildete Mitarbeiter mit Technikhintergrund für den Innendienst und Vertrieb. Auch in der Slowakei gibt es glücklicherweise sehr gute qualifizierte Mitarbeiter.

leadersnet.at: Liegt eine wesentliche Quelle für Innovationen und Kundenorientierung auch in der Firmenphilosophie?

Chromy: Wir wollen unseren Kunden maßgeschneiderte Gesamtlösungen bieten, die von der Planung über die Implementierung bis hin zur Problemlösung im Betrieb gehen. Zentraler Erfolgsfaktor dabei ist, die Anlagen gemeinsam mit dem Kunden zu entwickeln. Denn ein Autobauer hat natürlich ganz andere Anforderungen als ein Produktionsbetrieb für Nahrungsmittelmaschinen. Und für uns ist ein Projekt nicht abgeschlossen, wenn die Anlage fertig aufgebaut ist – unser österreichweiter Außendienst unterstützt unsere Kunden auch bei Anliegen, die im laufenden Betrieb entstehen.

leadersnet.at:  Wo liegen die strategischen Ziele ihres expandierenden Unternehmens?

Chromy: Unser klarer Fokus liegt darauf, unseren Marktanteil in den CEE-Ländern weiter auszubauen. Strategisch haben wir uns hierfür auf den Bereich Industrie 4.0 spezialisiert. Unser Ziel ist es, Kunden Gesamtkonzepte anzubieten, die sie für die Herausforderungen der industriellen Zukunft optimal rüsten – durch individuell angepasste Systemlösungen mit standardisierten Komponenten. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang unser weltweit verfügbarer Kundendienst, der auf hohem technischen Niveau und stets lösungsorientiert agiert.

leadersnet.at: Thema Industrie 4.0: Wohin geht die Reise in Sachen Digitalisierung?

Chromy: Wir haben rasch erkannt, wie wichtig Industrie 4.0 für die Wettbewerbsfähigkeit von Produktionsunternehmen ist. Murrelektronik ist Mitglied im „Führungskreis Industrie 4.0“ des deutschen Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, der sich zum Ziel gesetzt hat, die notwendigen Standards für Industrie 4.0-Anwendungen mitzugestalten und voranzutreiben. Die Vernetzung der einzelnen Steuerungseinheiten und Maschinen wird dabei immer wichtiger. Unsere Feldbusmodule ermöglichen den Kunden, flexible und optimierte Anlagennetzwerke zu realisieren. Denn sie monitoren den Status der Anlage kontinuierlich, sind energieeffizient und ermöglichen den Anschluss intelligenter Sensoren.

leadersnet.at:  Wie gelingt es, die Kunden weltweit stets in hochwertiger Qualität innerhalb kürzester Zeit zu beliefern?

Chromy: Wir haben unsere Produktionsstandorte so ausgerichtet, dass wir unseren Kunden möglichst schnell die gewünschten Komponenten und Lösungen bieten können. In Europa produzieren wir an den drei bereits erwähnten Standorten. Den wichtigen asiatischen Markt versorgen wir von unserem Werk in Shanghai aus. In Atlanta sind wir mit einem Produktionsstandort in Atlanta vertreten, der auf den amerikanischen Markt fokussiert. Außerdem haben wir in Deutschland, den USA, China und Brasilien Logistikzentren, um über eine Million Artikel auf Lager haben. Aber natürlich sind wir auf allen Kontinenten vertreten, aktuell mit 26 Niederlassungen weltweit.

www.murrelektronik.at

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