Sprechende Bücher
Wenn das Buch zum Kunstwerk wird: 300 experimentelle Publikationen im MAK

| Gerhard Krispl / LEADERSNET-ART Herausgeber 
| 17.12.2025

Mit der Ausstellung Turning Pages, Künstler:innenbücher der Gegenwart präsentiert das MAK ausgewählte Publikationen.

Bücher erzählen Geschichten, transportieren Wissen und Emotionen – doch was geschieht, wenn Künstlerinnen das Medium selbst zum autonomen Kunstwerk erklären? Die MAK-Ausstellung Turning Pages präsentiert rund 300 experimentelle Publikationen, die eindrucksvoll zeigen, wie vielfältig und innovativ Künstlerinnen seit den 1960er Jahren mit dem Format Buch arbeiten.

Das Buch als autonomes Kunstwerk
"A book by an artist, not about art, but as art in itself" – mit diesen Worten beschrieb die US-amerikanische Schriftstellerin Lucy R. Lippard 1977 das Phänomen des Künstlerinnenbuchs. Im Spiel mit Format, Material und Medien übersetzen die Künstlerinnen Zeichnung, Malerei, Fotografie, Film und sogar Musik in buchhafte Formen. Sie verweben Archivalien, Fotos, Fragmente und Spuren von Druckverfahren zu eigenständigen Konzepten, die das traditionelle Verständnis des Buches radikal erweitern – gerade auch im Kontext einer von digitalen Inhalten und KI-generierten Bildern geprägten Gegenwart.

Turning Pages
MAK Ausstellungsansicht, 2025 Turning Pages. Künstler:innenbücher der Gegenwart, Zentraler Raum MAK Design Lab ©MAK/Christian Mendez

Zeitgeschichte zwischen Humor und Kritik
Die Ausstellung eröffnet ein buntes und spannungsreiches Panorama: Martin Kippenberger beweist sich als Meister des humorvollen oder kritischen Kommentars zur Zeitgeschichte mit Werken wie "O Rio de Janeiro besser (richtig)" (1987). Peter Malutzki reflektiert Ed Ruschas ikonisches Leporello "Every Building on the Sunset Strip" (1966) und übersetzt die Zerstörung durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in das erschütternde Buch "Some Buildings on the Streets of Kharkiv" (2023). Ion Grigorescu zeichnet in "The Political Book of Romania" (1991/92) ein persönliches Stimmungsbild der durch das kommunistische Regime geprägten rumänischen Gesellschaft.

Besonders reizvoll ist der Dialog zwischen Avantgarde-Positionen und zeitgenössischen Produktionen: Michael S. Riedel und Dennis Loesch beziehen sich mit ihrem Buch "Oskar-von-Miller Strasse 16" (2003) auf Andy Warhols legendäres "a: A novel" (1968). R. H. Quaytman knüpft mit "Chapter 24" (2012) an Hans Holleins experimentellen Kassettenkatalog "Alles ist Architektur. Eine Ausstellung zum Thema Tod" (1970) an.

Turning PagesMAK Ausstellungsansicht, 2025 Turning Pages. Künstler:innenbücher der Gegenwart, Zentraler Raum MAK Design Lab ©MAK/Christian Mendez

Auch mediale Grenzüberschreitungen werden sichtbar: Der Filmemacher Derek Jarman nimmt in "A Finger in the Fishes Mouth" (1972) mit skizzenhaften Gedichten und Illustrationen die Bildsprache seiner Super-8-Filme auf. Alison Knowles' "A House of Dust" (1967) steht als "Poem in Progress" für eines der ersten computergenerierten Gedichte überhaupt.

Einblicke in den kreativen Prozess
Die vom Architekten Robert Müller gestaltete Schau gewährt durch ausgewählte Prototypen, Fotografien, Zeichnungen, Übermalungen und Arbeitsmaterialien faszinierende Einblicke in die kreativen Prozesse. So zeigt etwa ein Tableau mit Ausschnitten von Modemagazinen, wie Halvor Rønning für sein Buch "I Would Button up My T-shirt if I Could" (2018) recherchierte.

Mit Werken von Künstler:innen wie Alighiero Boetti, Marcel Broodthaers, Ernst Caramelle, Isa Genzken, Maria Lassnig, Yoko Ono, Dieter Roth, Cy Twombly und vielen mehr lädt die Ausstellung dazu ein, das Buch als visionären Handlungsraum neu zu entdecken – als Vehikel kulturellen Gedächtnisses und künstlerischer Innovation.

Turning Pages, Künstler:innenbücher der Gegenwart
MAK – Museum für angewandte Kunst
bis 22. März 2026
www.mak.at

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Herausgeber von LEADERSNET-ART ist Gerhard Krispl.

 

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