Experten-Analyse
Zukunftscheck zeigt Herausforderungen und Chancen für die Immobilienbranche

| Redaktion 
| 11.09.2025

Die ÖRAG stellte zentrale Entwicklungen der Wirtschaft sowie des Immobiliensektors vor. Vorstände, Fachbereichsleiter:innen und externe Expert:innen sprachen über Investments, Wohnraum und zeichneten ein Bild der kommenden Jahre.

Am Mittwoch trafen sich die Vorstände der ÖRAG (Österreichische Realitäten-AG) Stefan Brezovich, Michael Buchmeier und Johannes Endl, gemeinsam mit Elisa Stadlinger, Geschäftsführerin der ÖRAG Immobilien Vermittlung GmbH und ÖRAG-Bereichsleiter:innen sowie Jan Kluge von der Agenda Austria, um die aktuelle wirtschaftliche Lage und deren Auswirkungen auf die Immobilienbranche zu analysieren. Im Fokus standen dabei nicht nur die Entwicklung des Gesamtmarktes und die Ursachen für die derzeit herausfordernden Rahmenbedingungen, sondern auch eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Fachbereiche der Immobilienwirtschaft – von Wohnen (Miete, Eigentum und exklusives Wohnen) über Investment und Bewertung bis zum Gewerbesegment.

Die wirtschaftliche Ausgangslage

Zu Beginn stellte Stefan Brezovich die wirtschaftliche Ausgangslage dar. Er erinnerte daran, dass die abrupte Zinswende nach der langen Phase negativer Zinsen noch immer spürbare Folgen habe. Viele Marktteilnehmer:innen seien in den vergangenen Jahren untergegangen, auch wenn sich das Zinsniveau inzwischen stabilisiert habe. Die Welt bleibe jedoch von Unsicherheit geprägt. "Der einstige Leitsatz survive till 2025 hat erwartungsgemäß zeitlich nicht gehalten. Wir sehen safe haven in 2027 nach wie vor als realistisch an", betonte Brezovich. Nur durch konstruktiven Realismus, fundierte Daten, Resilienz und Lösungsorientierung könne es gelingen, die richtigen Entscheidungen in unruhigen Zeiten zu treffen. Einen vertiefenden Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gab Jan Kluge von der Agenda Austria. In seiner Keynote erläuterte er die Gründe für die angespannte Lage: mangelndes Wachstum, hohe Inflation, der zunehmende Fachkräftemangel und die Staatsschuldenkrise. Zusätzlich verwies er auf wohnungspolitische Maßnahmen wie die Mietpreisbremse oder Änderungen bei Wertsicherungsklauseln, die den Markt weiter belasten.

Konsolidierung am Immobilienmarkt

Vorstand Michael Buchmeier lenkte die Aufmerksamkeit dann auf den Immobilienmarkt selbst. Die Zeit der ungebremsten Wertsteigerungen sei vorbei, stattdessen herrsche eine Phase der Konsolidierung. Unsicherheit, Korrekturen und harte Realitäten prägten die Branche. "Bis zu einer Erholung des Marktes, mit der wir erst gegen Ende 2026 rechnen, wird sich die Phase der Marktbereinigung weiter fortführen", erklärte Buchmeier.

Besonders die Bewertung von Liegenschaften rücke in den Mittelpunkt, da sie als Seismograf für die Stabilität des Marktes diene. Angesichts geringer Transaktionen sei es jedoch schwierig, verlässliche Vergleichswerte zu finden. Banken gerieten damit unter Druck, ihre Sicherheiten zu bewerten, während Eigentümer:innen bei Neubewertungen teils empfindliche Folgen zu tragen hätten.

Investment und Kapitalmarkt

Auch der Investmentmarkt wurde ausführlich beleuchtet. Johannes Endl, Vorstand der ÖRAG, machte deutlich, dass politische Rahmenbedingungen für zusätzliche Unsicherheit sorgten. "Die politischen Eingriffe in das Mietrecht führen zu großer Unsicherheit bei Investor:innen, vor allem die Idee, auch bei Neubauten Mieten zu regulieren, und dämpfen das Interesse an neuen Projekten zusätzlich" so Endl. 

Trotz mehrerer Zinssenkungen sei der Markt nach wie vor von kapitalstarken Investor:innen geprägt, während Projektentwicklungen aufgrund hoher Baukosten und niedriger Renditeerwartungen unter Druck stünden. Bereichsleiter Herbert Petz fasste die Situation zusammen: "Die Anzahl der potenziellen Käufer:innen ist in den letzten Jahren deutlich geschrumpft. Der Fokus liegt auf Cash-Flow-positiven Trophy Assets, Top-Objekten sowie Schnäppchen."

Büro, Handel und Logistik im Wandel

Ein differenziertes Bild zeigte sich bei den einzelnen Nutzungsarten. Elisa Stadlinger, Geschäftsführerin der ÖRAG Immobilien Vermittlung GmbH, betonte die Stabilität des Wiener Büromarktes: "Der Wiener Büroimmobilienmarkt zeigt ein besonders stabiles Bild im Vergleich zu anderen internationalen Märkten, wo hohe Leerstände herrschen. Neue Arbeitskonzepte sind keine Ausnahme mehr, sondern werden zur Regel."

Im Retailbereich rückte sie die Bedeutung des Einkaufserlebnisses in den Vordergrund. "Im aktuellen Marktumfeld ist es besonders wichtig, im Retail eine Beziehung zu den Kund:innen aufzubauen. Am besten gelingt das durch Entertainment und Look-and-feel im stationären Handel, wodurch die Marke für den:die Kund:in erlebbar wird."

Auch im Logistiksektor zeichnete Stadlinger klare Linien: "Der Bauboom im Industrie- und Logistiksektor, ausgelöst durch die Pandemie und wachsenden Onlinehandel, zeigt nun eine Verschiebung hin zu Brownfield-Projekten und zentralen Lagen."

Mietwohnungsmarkt unter Druck

Besonders angespannt zeigte sich die Lage am Mietwohnungsmarkt. Aleksandra Mitrovic, Bereichsleiterin Wohnen Miete, warnte vor den Folgen des ausbleibenden Neubaus. "Ohne ausreichenden Neubau droht eine weitere Verknappung des Wohnraums, die zu noch höheren Mietpreisen führen könnte."

Projekte wie die DC Flats in der D-City seien deshalb von großer Bedeutung. Schon kurz nach dem Vermarktungsstart seien mehr als die Hälfte der 302 Wohnungen vergeben worden. "Wer eine Wohnung anmieten möchte, muss sich zügig entscheiden, da die Nachfrage derzeit sehr hoch ist", so Mitrovic.

Eigentumsmarkt und neue Wohnkonzepte

Auch im Eigentumssegment blieb die Nachfrage spürbar, wenn auch unter veränderten Bedingungen. Jelena Pirker, Bereichsleiterin Wohnen Eigentum, stellte klar: "Die Lockerungen bei der Kreditvergabe sind bei der Nachfrage bereits spürbar. Die Dauer der Immobiliensuche hat sich dadurch bislang allerdings noch nicht verkürzt. Wichtig ist für Interessent:innen auch weiterhin eine professionelle Begleitung durch den Kaufprozess." Besonders gefragt seien kompakte Wohnungen und flexible Konzepte, die auf unterschiedliche Lebenssituationen angepasst werden könnten. Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz spielten dabei eine immer größere Rolle.

Premium- und Luxussegment

Im Premium- und Luxussegment zeigte sich ein anderes Bild. Karin Bosch, Bereichsleiterin Wohnen Exklusiv, verwies auf einen neuen Trend: "Im exklusiven Segment etabliert sich zunehmend ein Trend, der bisher nur im klassischen Immobilienmarkt spürbar war. Der Verkauf von Liegenschaften mit lebenslangem Wohnrecht."

Während hochpreisige Wohnungen in Wien teils langsamer vermarktet würden, bleibe die Nachfrage nach Villen und hochwertigen Häusern stabil. Grund sei das stark begrenzte Angebot, das besondere Kriterien wie Alleinlage, Privatsphäre oder Grundstücksgröße erfülle.

Fazit und Ausblick

Am Ende der Analyse stand ein klares Resümee. Eine nachhaltige Beruhigung der Lage sei frühestens Ende 2026, wahrscheinlicher aber erst 2027 zu erwarten. Die Rolle der Banken werde in den kommenden Monaten entscheidend sein, da sie Kreditnehmer:innen unterstützen, aber zugleich regulatorische Vorgaben erfüllen müssten.

Der Investmentmarkt bleibe selektiv, Büro und Retail entwickelten sich stabil, die Logistik kämpfe mit Leerständen, während am Mietwohnungsmarkt das Angebot weiter zurückgehe. Eigentum bleibe gefragt, insbesondere in flexiblen und exklusiven Segmenten.

Die ÖRAG Expert:innen zeichneten damit ein Bild einer Branche im Umbruch, die von Unsicherheit geprägt ist, aber auch Chancen eröffnet. Entscheidend werde sein, ob die Marktteilnehmer:innen mit Realismus, Resilienz und innovativen Konzepten in eine stabilere Zukunft steuern.

www.oerag.at

www.agenda-austria.at

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV