LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Kraus-Winkler, wenn Sie auf die Tourismuskonferenz 2025 in Alpbach zurückblicken – welches zentrale Signal ging Ihrer Meinung nach von der Veranstaltung aus?
Susanne Kraus-Winkler: Die Alpbacher Tourismuskonferenz stand unter dem Motto: "Tourismus.Zukunft.Österreich 2025 – Wandel, Werte Wachstum". Heute steht der Tourismus weltweit vor radikalen Veränderungen: Künstliche Intelligenz, neue digitale Technologien und nächste Generationen mit völlig neuen Erwartungen und Verhaltensmustern werden viele gelernte Erfahrungen und Prozesse neu definieren. Darauf braucht der österreichische Tourismus konzertierte, zukunftsweisende Antworten und Entwicklungen.
In Alpbach, wo Dialog auf Weitblick trifft, wollten wir darüber reden, wie wir die Erfolgsgeschichte des österreichischen Tourismus fortschreiben können. Wir müssen uns heute klar darüber sein, welche Chancen der österreichische Tourismus bei den nächsten Gäst:innen-Generationen hat. Wir wollten aber auch zeigen, welche Relevanz der österreichische Tourismus für das Land und seine Wirtschaft hat.
Die Konferenz hat eindrucksvoll gezeigt: Österreichs Tourismus- und Freizeitwirtschaft ist weit mehr als ein Wirtschaftszweig. Sie ist in vielerlei Hinsicht Rückgrat unserer Wirtschaft. Vor allem ist sie zentrale Treiberin von Wertschöpfung, Innovation und Lebensqualität in unseren Regionen. Alpbach haben wir daher als Startpunkt einer touristischen Zukunftsplattform gesehen, bei der wir als WKÖ und Bundessparte die entscheidenden Akteur:innen zusammengebracht haben. Es ging dabei um Antworten auf den gesellschaftlichen Wertewandel, sowie um Gäst:innen-, Reise- und Konsumtrends, die das touristische Angebot verändern.
Mit Eduardo Santander von der European Travel Commission wurden Insights über Europa und Österreich als Tourismusdestinationen diskutiert. Sie sind für uns wichtig zur Orientierung, in welche Richtungen der Zukunfts-Kompass zeigt und wo Tourismus zwischen Forschung, Praxis und Pioniergeist seine Erfolgsformel suchen muss.
Nach dem tollen Start 2025 wird es daher auch 2026 wieder eine nächste Tourismuskonferenz im Rahmen des EFA 2026 in Alpbach geben.
LEADERSNET: Österreich ist stark vom Tourismus geprägt. Wie zukunftsfit ist die Branche aktuell, wenn man Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel zusammendenkt?
Kraus-Winkler: Die Zukunft des Tourismus liegt zwischen Wertschöpfungskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Rund 95.000 Betriebe sichern eine enorme Wertschöpfung, und direkt und indirekt über eine halbe Million Jobs. Tourismus und Freizeitwirtschaft sorgen für 37,4 Prozent des Mehrwertsteueraufkommens Österreichs. Rund 50 Prozent der 2,28 Milliarden Euro Umsätze im Sportartikelhandel kommen aus der touristischen Nachfrage.
Das spiegelt sich auch in der Tourismusakzeptanzerhebung der Statistik Austria für 2024 wider. Für drei Viertel der Österreicher:innen hat der Tourismus eine hohe wirtschaftliche und kulturelle Relevanz.
Dennoch steht die Branche vor tiefgreifenden Veränderungen – von Digitalisierung und KI über Nachhaltigkeit bis hin zu einem funktionierenden Arbeitsmarkt. Dazu kommt, dass rund 80 Prozent aller Betriebe im Tourismus Familienbetriebe sind. Hier gilt es dringend, die Rahmenbedingungen für eine Betriebsnachfolge so attraktiv zu gestalten, dass wir die Familienstruktur in der Branche erhalten können. Wettbewerbsfähigkeit braucht passende gesetzliche Rahmenbedingungen und Maßnahmen sowie smarte Zukunftsvisionen. Entscheidend wird sein, ob die Bundesregierung es schafft, die Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort aus dem Koalitionsübereinkommen schnellstmöglich umzusetzen. Dem Wirtschaftsstandort läuft hier die Zeit davon! Umgekehrt müssen wir seitens der Sparte und der WKÖ mit einem Zukunftspaket den Betrieben bei Innovations- und Transformationsherausforderungen zur Seite stehen, Sparring-Partner:innen sein und immer wieder Zukunftsbilder und den Weg dorthin aufzeigen. Österreichs Tourismus hat hier eine gute Basis, aber auch große Aufgaben vor sich.
LEADERSNET: Bei der Konferenz wurden zahlreiche Zukunftsfragen diskutiert. Welche davon sehen Sie als die dringendsten Handlungsfelder für Österreichs Tourismuswirtschaft?
Kraus-Winkler: Ganz vorne stehen drei Themen: ein funktionierender Arbeitsmarkt, Digitalisierung und KI, sowie Nachhaltigkeit. Unsere Betriebe brauchen weniger Hürden und mehr Spielräume. Nur so können sie sich auf das konzentrieren, was ihr Kerngeschäft ist: Top-Gastgeber sein und Qualität sichern. Als Interessenvertretung bringen wir die Anliegen der Branche konsequent in die politische Diskussion ein – mit dem klaren Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu sichern und den Tourismus als Leitbranche zu stärken.
LEADERSNET: Klimawandel und Nachhaltigkeit sind zentrale Herausforderungen – wie kann es gelingen, Ökologie, Wirtschaftlichkeit und Gästeerwartungen besser in Einklang zu bringen?
Kraus-Winkler: Nachhaltigkeit ist längst kein "Add-on" mehr, sondern ein zentrales Qualitätskriterium für Gäste. Entscheidend ist, Ökologie und Wirtschaftlichkeit nicht als Gegensätze zu sehen, sondern als zwei Seiten derselben Medaille. Mit der Strategie für Nachhaltigkeitszertifizierungen haben wir sowohl für Betriebe als auch für Regionen ein gutes Werkzeug, mit dem wir den Weg in die Nachhaltigkeit gut gehen können. Schwierigster Teil ist hier sicherlich die Mobilität, es gibt viele Ansätze, aber noch zu wenig große Lösungen.
Unser Ziel ist dennoch klar: Österreich muss globaler Leader im nachhaltigen Qualitätstourismus sein. Die Förderung umweltfreundlicher, ressourcenschonender Angebote und regionale Kreisläufe sind ebenso wie Regionalität und Diversifikation unabdingbar. Dafür brauchen die Betriebe praxisgerechte Unterstützung – zusätzliche Bürokratie darf es nicht geben. Wenn wir Bürokratie abbauen, schaffen wir Freiräume für Innovation, Investitionen und neue Arbeitsplätze. Jeder überflüssige Zettel ist einer zu viel.
LEADERSNET: Welche Rolle spielt die Digitalisierung – von Buchungsplattformen bis zu KI-basierten Services – in der Weiterentwicklung der Tourismusangebote?
Kraus-Winkler: Eine sehr zentrale. KI verändert den Tourismus – von der Suche über die Buchung bis hin zu personalisierten Angeboten und bei der Optimierung von operativen Prozessen. Wir kommen durch KI von der Plattformökonomie zur Antwortökonomie, "generative engine optimization" ist ein neues Verständnis, wie wir unser Angebot von bisher verwendeten Keywords in Sätze umwandeln lernen müssen. Wer ungenaue oder veraltete Informationen liefert, verliert Sichtbarkeit – und damit Gäste.
Schon heute nutzt rund ein Drittel der Betriebe KI, vor allem im Marketing und in Buchungssystemen. Viele sehen die Potenziale positiv, wünschen sich aber mehr Schulungen und Beratung. Genau hier setzen wir als WKÖ an – mit Programmen wie KMU-Digital, gezielten Schulungs- und Beratungsangeboten über WIFI, wîse up und Tourismusschulen, mit Forschungskooperationen und Datenallianzen. Unser Anspruch ist klar: Österreichs Tourismus soll nicht nur mithalten, sondern bei dieser Entwicklung eine führende Rolle einnehmen können.
LEADERSNET: Der Fachkräftemangel ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Haben Sie aus Alpbach neue Impulse oder Lösungsansätze mitgenommen, wie man mehr Menschen für die Branche begeistern kann?
Kraus-Winkler: Ja, die Diskussionen haben klar gezeigt, dass wir sowohl kurzfristige Entlastungen als auch langfristige Lösungen brauchen. Tourismus ist eine "Ein- und Umsteigerbranche", genauso wie eine Branche von Menschen für Menschen, das bedeutet auch Arbeiten in Teams. Wir müssen jungen Menschen und Quereinsteiger:innen noch besser vermitteln, dass die Tourismus und Freizeitwirtschaft ein attraktiver Karriereweg mit Zukunft sein kann. Es bedeutet aber auch, dass wir uns mit dem Thema Ausbildung noch intensiver auseinandersetzen müssen, von der Lehre bis zum Ausbildungsangebot für Quereinsteiger.
Als WKÖ haben wir die Aufgabe, dieses positive Bild zu vermitteln und zugleich auf politischer Ebene die richtigen Rahmenbedingungen einzufordern. Die Arbeitswelt muss vom Umbruch zum Aufbruch finden, denn ohne einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt - kein erfolgreicher Tourismus.
LEADERSNET: Österreich positioniert sich gerne als Premium-Destination mit hoher Qualität. Wie lässt sich dieses Image im internationalen Wettbewerb halten oder sogar ausbauen?
Kraus-Winkler: Indem wir Qualität vor Quantität stellen und weiterentwickeln, konsequent auf Innovation und Nachhaltigkeit setzen und immer über den Tellerrand schauen. Österreich ist derzeit international stark positioniert – vor allem was Service, Gastfreundschaft und Angebotsvielfalt betrifft. Diesen Qualitätsvorsprung gilt es zu sichern und zukunftsfit zu halten.
LEADERSNET: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welche konkrete Maßnahme müsste sofort umgesetzt werden, damit Österreich auch in zehn Jahren noch zu den Top-Tourismusdestinationen weltweit zählt?
Kraus-Winkler: Mein Wunsch ist einfach: spürbare Entlastung und mehr Handlungsspielraum für die Betriebe. Wir wissen aus einer topaktuellen Umfrage, dass sich jedes zweite Unternehmen stark durch Bürokratie belastet fühlt. Deshalb braucht es ein umfassendes Entbürokratisierungspaket – um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und die Branche zu entlasten. Wir erwarten uns hier Nägel mit Köpfen von der Politik. Jetzt ist der Zeitpunkt, mutig zu entrümpeln und Unternehmer:innen mehr Vertrauen statt Misstrauen entgegenzubringen.
Es ist uns gelungen, im Regierungsprogramm eine Reihe wichtiger und sinnvoller Maßnahmen zu positionieren, die jetzt rasch umgesetzt werden müssen. Da geht es zum Beispiel um endbesteuerte, bürokratielose Aushilfskräftemodelle, attraktives Zuverdienen im Alter, Beschleunigung bei Genehmigungsverfahren, keine Doppelgleisigkeiten bei Nachweisen für unterschiedliche Behörden, lebenszyklusorientierte Abschreibungen oder Entlastungen bei der Betriebsübergabe. Immerhin stehen in den nächsten zehn Jahren 75 Prozent der Tourismusbetriebe zur Übergabe an.
Das jüngst präsentierte Konjunkturpaket war diesbezüglich ein positives Signal für die Betriebe, aber entscheidend bleibt, dass wir konsequent an den nächsten Schritten arbeiten und die Erfolgsgeschichte des österreichischen Tourismus weiterschreiben.
LEADERSNET: Vielen Dank!
www.wko.at
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