LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Werksnies, wie schätzen Sie die aktuelle Position Österreichs im internationalen Vergleich ein, wenn es um IT und Digitalisierung geht?
Florian Werksnies: Ich sehe Österreich im internationalen Vergleich im soliden Mittelfeld. Wir haben in den letzten Jahren Fortschritte gemacht, etwa bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen zur Prozessautomatisierung. In Bereichen wie digitalen Verwaltungsdiensten und strategischer Digitalisierung hinken wir jedoch noch hinterher. Teilweise hemmen uns die Regularien, was dazu führt, dass die Investition gescheut wird. Heimische Investor:innen machen somit oftmals lieber ihren Deal in Übersee, anstelle die Entwicklung in Österreich zu unterstützen. Aus meiner Sicht gibt es noch viel Potenzial, das wir bislang nicht voll ausschöpfen.
LEADERSNET: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Hürden, die Innovation hemmen?
Werksnies: Die größten Hürden sehe ich in der Bürokratie, Unternehmer:innen stehen bei jeder Veränderung vor so vielen Herausforderungen, dass jede Neuerung eigentlich in den Bereich "Liebhaberei" fällt. Auch der Fachkräftemangel und der eingeschränkte Zugang zu Risikokapital bremsen Innovation. Viele Unternehmen, gerade KMU, haben gute Ideen, doch Risikokapital zu lukrieren, ist hierzulande um ein Vielfaches schwieriger als zum Beispiel in den USA. Und die geringe Marktgröße erschwert es, international zu skalieren.
LEADERSNET: Haben wir in Österreich genug gut ausgebildete IT-Fachkräfte? Und was braucht es, um diese weiter zu fördern?
Werksnies: Nein, wir haben aktuell einen deutlichen Mangel, da die Rahmenbedingungen noch nicht perfekt sind. Die Ausbildungslandschaft ist vielfältig, besonders von den HTLs kommen gut ausgebildete Programmierer:innen, doch leider glauben viele, sie würden im ersten Jahr nach der Schule auf dem Niveau eines Amerikanischen Techunternehmers verdienen. Die Vorstellungen, die Teilweise in den Köpfen sind, passen nicht zu den Erwartungshaltungen der Wirtschaft. Wir arbeiten mit und in internationalen IT-Teams, und wenn ich mir die Produktivität anschaue, arbeiten wir einfach übers Jahr gesehen zu wenig. Auch die Integration internationaler Talente muss erleichtert werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
LEADERSNET: Welche Rolle spielen KMU bei der digitalen Transformation und wie kann man sie dabei unterstützen?
Werksnies: KMU sind das Rückgrat unserer Wirtschaft, sie machen fast alle Unternehmen in Österreich aus und beschäftigen zwei Drittel der Erwerbstätigen. Sie spielen eine zentrale Rolle in der digitalen Transformation, doch leider sind viele Rahmenbedingungen auf wenige Große zugeschnitten. Um sie zu unterstützen, braucht es gezielte Förderprogramme, strategische Beratung und den Zugang zu Innovationsnetzwerken.
LEADERSNET: Wie attraktiv ist Österreich aktuell als Standort für IT-Start-ups?
Werksnies: Ich halte Österreich weiterhin für einen attraktiven Standort mit einem dynamischen Unternehmertum. Weltweit kommen viele Innovationen aus Europa, wir haben den Geist und die Vielfältigkeit dazu und müssen zu der alten Innovationskraft zurückfinden. Besonders für Unternehmen wie uns, die soeben mit Vendira eine digitale Lösung für die FMCG-Branche gebaut haben und im Anschluss zu einer Marktreife führen, hat Österreich eine gute Förderinfrastruktur und die richtigen Marktzugänge.
LEADERSNET: Künstliche Intelligenz breitet sich aktuell auf sämtliche Branchen aus. Welche Chancen und Risiken sehen Sie darin?
Werksnies: KI bietet enorme Chancen, von Effizienzsteigerungen in der Industrie über personalisierte Medizin bis zu nachhaltiger Ressourcennutzung. Gleichzeitig sehe ich Risiken wie den Umbau der Wirtschaft, Datenschutzprobleme und algorithmische Verzerrungen. Es braucht einen verantwortungsvollen Umgang mit KI, damit wir die Chancen nutzen und die Risiken minimieren. Noch lassen es sich die Menschen gefallen, dass irgendwer mit ihren Daten Milliarden verdient und sie sich im Gegenzug ein paar Reels anschauen können. Europa ist jetzt gefragt, eine regulierte Alternative zu finden und die Tools und Apps in eine soziale und wirtschaftliche Nutzung zu überführen.
LEADERSNET: Stichwort Cybersecurity: Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen besser für Gefahren wie Phishing oder Social Engineering sensibilisieren?
Werksnies: Sensibilisierung ist der entscheidende Punkt. Unternehmen sollten regelmäßige Awareness-Trainings anbieten, Phishing-Simulationen durchführen und Cybersecurity in die Unternehmenskultur integrieren. Aus meiner Sicht lässt sich ein Angriff nicht verhindern, da irgendwo auf einem nicht zugänglichen Server ein bösartiger Crawler läuft und 24/7 Schwachstellen sucht. Es geht darum, ein Bewusstsein für digitale Risiken zu schaffen und Mitarbeitende zu befähigen, Bedrohungen frühzeitig zu erkennen.
LEADERSNET: Wenn Sie einen Wunsch an die Politik hätten: Welche Weichenstellungen wären jetzt am dringendsten, etwa um in Sachen IT international konkurrenzfähiger zu werden?
Werksnies: Mein Wunsch wäre, die bürokratischen Hürden abzubauen und mehr Spirit in die Wirtschaft zu lassen. Wenn ich die Politik so weit fassen darf, geht mein größter Wunsch an die Sozialpartner. Noch können wir unseren guten Sozialstatus in die Zukunft retten, wenn wir bei den Abschlüssen so weiter machen wie die letzten Jahre, bringen wir jeden Wirtschaftszweig um und dann kommt in ein paar Jahren ein ganz böses Erwachen.
LEADERSNET: Vielen Dank!
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