Interview mit Robert Holzmann
"Preis­stabilität darf nie als selbstverständlich gelten"

| Tobias Seifried 
| 01.09.2025

Im LEADERSNET-Interview spricht Robert Holzmann, der sechs Jahre lang als Gouverneur an der Spitze der Oesterreichischen Nationalbank stand, über die größten Herausforderungen seiner Amtszeit, die Lehren aus der Inflation, die Mechanismen hinter der Geldpolitik und sein neues Buch "Falkenflug". Außerdem erklärt er, warum nur langfristiges Denken echte Stabilität schaffen kann.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Holzmann, Sie haben in den vergangenen Jahren als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) turbulente Zeiten erlebt – von Inflation über geopolitische Spannungen bis zu steigenden Zinsen. Was war für Sie persönlich die größte Herausforderung?

Robert Holzmann: Die Inflationsperiode 2021 bis 2024, weil hier die Herausforderung der unkonventionellen Geldpolitik (u. a. negative geldpolitische Zinsen) mit den Herausforderungen der Post-Covid-Zeit und den geopolitischen Auswirkungen zusammengekommen sind.

LEADERSNET: In Ihrem Buch "Falkenflug" ziehen Sie ein Resümee von drei Jahrzehnten Weltwirtschaft. Was hat Sie bei der Rückschau am meisten überrascht – im Positiven wie im Negativen?

Holzmann: Der Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft hat letztlich in den meisten Ländern gut funktioniert und auch die Finanzkrise konnte bewältigt werden. Zur Vorhersage der jetzigen Trump-Krise mit ihren ökonomischen, geopolitischen und demokratischen Herausforderungen hätte mir die Fantasie gefehlt.

LEADERSNET: Sie schreiben, man dürfe sich nicht auf Verschuldung oder kurzfristige Wachstumsimpulse verlassen, wenn man Krisen vermeiden will. Was wären aus Ihrer Sicht die besseren Strategien für langfristige Stabilität?

Holzmann: Langfristig ausgerichtetes Denken und Handeln!

LEADERSNET: Die Inflation hat die letzten Jahre geprägt und viele Menschen verunsichert. Welche Lehren ziehen Sie aus dieser Phase – für die Geldpolitik, aber auch für die Gesellschaft?

Holzmann: Dass Preisstabilität nicht als gegeben anzunehmen ist und daher die Geld- und Gesellschaftspolitik auf Schocks vorbereitet sein muss und zu handeln bereit sein muss.

LEADERSNET: Sie geben im Buch auch Einblicke hinter die Kulissen der Geldpolitik. Welche Mechanismen würden Sie gerne stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken?

Holzmann: Inflation ist immer mit zu hoher Geldmenge verbunden. Daher muss man im Instrumenteneinsatz Vorsicht walten lassen.

LEADERSNET: In "Falkenflug" erzählen Sie nicht nur theoretisch, sondern auch anhand persönlicher Beobachtungen und Anekdoten. Gibt es eine Episode, die für Sie sinnbildlich für die Funktionsweise der globalen Finanzwelt steht?

Holzmann: Draghis Ansage 2012*: Das konnte nur jemand machen, der aus der Finanzwelt kommt und diese versteht.

LEADERSNET: Finanzkrisen scheinen sich in immer kürzeren Abständen zu wiederholen. Sehen Sie darin ein strukturelles Problem des Systems – oder liegt es eher an politischen Fehlentscheidungen?

Holzmann: Die Finanzwelt wird immer wichtiger und effizienter und damit aber auch wahrscheinlich labiler. Wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen und -entwicklungen haben damit mehr Wirkungen.

LEADERSNET: Abschließend: Wenn Sie den Menschen in Österreich eine Botschaft für einen "entspannten Blick in die Zukunft" mitgeben könnten – welche wäre das?

Holzmann: Wäre wunderbar, wenn ich den entspannten Blick hätte …

www.edition-a.at/falkenflug


*Draghis Ansage im Jahr 2012 bezieht sich auf seine berühmten drei Worte "Whatever it takes" (Was immer es nötig sein wird), die er am 26. Juli 2012 in London aussprach. Diese Äußerung als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) gilt als entscheidender Wendepunkt in der Eurokrise, da sie die unbedingte Bereitschaft der EZB signalisierte, den Euro mit allen Mitteln zu verteidigen, und damit die Finanzmärkte beruhigte. 

Zur Person

Robert Holzmann ist ein österreichischer Wirtschaftswissenschaftler. Von 1997 bis 2011 war er in verschiedenen Positionen bei der Weltbank in Washington, D.C. tätig. Im Jänner 2019 wurde Holzmann vom Ministerrat als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank nominiert. Anfang September 2019 folgte er Ewald Nowotny in dieser Funktion nach. Am 1. September 2025 wurde Holzmann von Ex-Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher abgelöst.

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Zur Person

Robert Holzmann ist ein österreichischer Wirtschaftswissenschaftler. Von 1997 bis 2011 war er in verschiedenen Positionen bei der Weltbank in Washington, D.C. tätig. Im Jänner 2019 wurde Holzmann vom Ministerrat als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank nominiert. Anfang September 2019 folgte er Ewald Nowotny in dieser Funktion nach. Am 1. September 2025 wurde Holzmann von Ex-Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher abgelöst.

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