Künstliche Intelligenz (KI) ist inzwischen nicht nur in sämtlichen Berufszweigen angekommen, sondern auch in den Wiener Klassenzimmern und Lehrsälen. Das belegt ein aktuelles Forschungsprojekt mit dem Titel "KI in den Bildungseinrichtungen der WKW", das die FHWien der WKW im Wintersemester 2024/25 für das Bildungsmanagement der Wirtschaftskammer Wien (WKW) durchgeführt hat. Befragt wurden rund 1.600 Wiener Lernende, darunter 1.537 Schüler:innen bzw. Studierende der Tourismusschulen Modul, der Vienna Business School und der FHWien der WKW sowie 40 Teilnehmende von Kursen des WIFI Wien.
"Als größter privater Bildungsanbieter in Österreich ist es für die Wirtschaftskammer Wien Aufgabe, nicht nur mit der Zeit zu gehen, sondern voranzuschreiten. In unseren Bildungseinrichtungen haben wir daher digitale Elemente frühzeitig integriert. Denn die Digitalisierung hat in den letzten Jahren stark an Tempo gewonnen. Diese Entwicklung orten wir auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Die Nutzung von KI-Tools beschleunigt sich noch schneller als die Digitalisierung in ihrer Gesamtheit. Das zeigt auch das Forschungsprojekt unserer Fachhochschule. Damit setzen wir die Basis für die weitere Entwicklung unserer Bildungseinrichtungen", erläutert Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien.
KI im Lernalltag vieler angekommen
Laut der Befragung nutzen bereits 23 Prozent der Schüler:innen KI-Tools täglich, und weitere 32 Prozent greifen zumindest zwei- bis dreimal pro Woche darauf zurück. Unter den FH-Studierenden ist die Nutzung sogar noch ausgeprägter: 32 Prozent verwenden entsprechende Anwendungen täglich, 43 Prozent mehrmals pro Woche. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch eine Gruppe, die digitale Hilfen kaum oder gar nicht einsetzt – das betrifft elf Prozent der Schüler:innen sowie zwei Prozent der FH-Studierenden.
Gefragt nach den Gründen, warum die Lernenden Künstliche Intelligenz einsetzen, betonen 41 Prozent der FH-Studierenden und 39 Prozent der Schüler:innen, dass die Zeitersparnis für sie im Vordergrund steht, wenn sie Tools wie ChatGPT, Gemini oder Claude verwenden. Weitere wichtige Beweggründe sind die Generierung von zusätzlichem Inhalt (Schüler:innen: 24 %, Studierende 22 %), sowie die Optimierung und sprachliche Verschönerung von Texten (Schüler:innen: 23 %, Studierende: 21 %). Zudem geben 14 Prozent der Schüler:innen und neun Prozent der Studierenden an, KI einzusetzen, weil sie deren Resultate als qualitativ besser einschätzen als ihre eigenen. Obwohl KI also inzwischen im Lernalltag vieler angekommen ist, äußern einige Befragte auch Bedenken, durch KI zu bequem zu werden und Denkprozesse zu verlernen.
Wenn es um die Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenzen im Umgang mit KI geht, zeigen sich die jungen Lernenden übrigens mehrheitlich selbstbewusst. Mehr als die Hälfte der FH-Studierenden und knapp die Hälfte der Schüler:innen stufen sich selbst als fortgeschritten oder sogar als Expert:innen ein. Unter den WIFI-Kursteilnehmenden fällt dieses Ergebnis deutlich niedriger aus: Hier geben lediglich rund 15 Prozent an, über ein entsprechendes Niveau zu verfügen. Umgekehrt betrachten nur etwa vier Prozent der Schüler:innen und weniger als ein Prozent der Studierenden KI als völliges Neuland, während dies bei den Lernenden am WIFI immerhin ein Drittel betrifft.
Wie KI-Einsatz Gruppenarbeiten beeinflusst
Im Zuge des Projekts führte man auch sechs Experimente durch, in denen Lernende an komplexen Aufgaben arbeiten sollten, und zwar in Gruppen mit oder ohne KI. Dabei zeigte sich, dass der Erfolg beim Lösen der Aufgaben weniger vom KI-Einsatz abhängte als von klarer Kommunikation, Rollenverteilung und gegenseitiger Hilfe. So erzielte etwa ein Team ohne KI-Unterstützung schlichtweg durch ordentliche Organisation bessere Resultate als ein anderes mit KI-Einsatz. Jedoch wird auch festgehalten, dass Teams, die KI nutzten, innovativere Ideen hatten.
"Solche Studien liefern die Orientierung, um im Bildungsbereich rasch und zielgerichtet auf die Entwicklungen der generativen KI reagieren zu können", meint Projektleiterin Tilia Stingl de Vasconcelos Guedes, betont allerdings, dass man noch zu wenig fundierte Erkenntnisse über langfristige Auswirkungen von KI auf Menschen und Gesellschaft hätte. Für sie steht aber außer Frage: "Wir sollen die Herausforderungen aktiv angehen. Dafür braucht es motivierte Mitarbeitende und Lernende, die die Technologie so einsetzen, dass sie zur Lebensqualität beiträgt."
Lehrkräfte nutzen KI oftmals zur Unterrichtsvorbereitung
Im Zuge der Studie wurden aber auch Lehrkräfte zum Thema Künstliche Intelligenz in Form von Fokusgruppen zu je 23 Personen befragt. Demnach nutzen 60 Prozent der Schul- und FH-Lehrenden KI häufig zur Unterrichtsvorbereitung, am WIFI sind es nur 20 Prozent. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) bevorzugt ChatGPT. Gleichzeitig äußerten viele Unsicherheiten – etwa bei Bewertung, Datenschutz oder Korrektur von KI-Antworten – und wiesen auf fehlende Ausstattung hin. Dennoch sehen sie großes Potenzial, den Unterricht effizienter und kreativer zu gestalten.
Sieben Aufgaben für Bildungseinrichtungen
Für Barbara Kluger-Schieder, Leiterin des Bildungsmanagements der WKW, zeichnet das Forschungsprojekt ein differenziertes Bild der Herausforderungen, vor denen Schulen, Hochschulen und Kursanbieter beim Trendthema KI stehen: "Die Projektergebnisse zeigen, wie wichtig der menschliche Faktor beim Einsatz von KI ist. Analytisches Denken, Teamarbeit und ethisches Bewusstsein sind ebenso entscheidende Kompetenzen wie technische Kenntnisse. Dem tragen die Bildungseinrichtungen der Wirtschaftskammer Wien Rechnung – sowohl intern als auch in ihren Aus- und Weiterbildungsangeboten."
Abschließend empfehlen die Forschenden den Bildungseinrichtungen im Land, folgende Aufgaben in Angriff zu nehmen, um KI künftig sinnvoll, effizient und rechtskonform einzusetzen: technische Infrastruktur ausbauen, rechtliche Rahmenbedingungen klären, Lehrende praxisnah fortbilden, kritische Medienkompetenz fördern, Didaktik weiterentwickeln, Teamarbeit und soziale Dynamik stärken sowie Best-Practice-Beispiele teilen.
www.fh-wien.ac.at
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