Große Aufregung nach VfGH-Entscheidung
Wertsicherungsklauseln – doch wieder alles anders

| Redaktion 
| 31.07.2025

Was für viele ein Schock war, ist rechtlich haltbar. Ein Gastkommentar von Rechtsanwalt Benedikt Suhsmann.  

Bekanntlich gingen die Wogen nach Vorliegen der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 24.06.2025 zu G 170/2024, G 37-38/2025-11 hoch und wurden schon die Worst-case Szenarien für Vermieter, wie Rückzahlung von Erhöhungsbeträgen der letzten 30 Jahre, dargestellt. Die Aufregung war jedoch überstürzt, wie eine am 30.07.2025 ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zeigt.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung vom 24.06.2025 mit der Verfassungskonformität der Regelungen zu Wertsicherungsklauseln auseinandergesetzt. Das Ergebnis dieser Prüfung war eindeutig und wurde festgehalten, dass unter anderen die Regelungen des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht verfassungswidrig sind.

Kernpunkt der Entscheidung war, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG Wertsicherungsklauseln nicht generell verbietet. Sie fordert lediglich nur, dass solche Klauseln mit dem Verbraucher im Einzelnen ausgehandelt werden müssen, wenn sie bereits innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss eine Preiserhöhung ermöglichen sollen. Die Regelung verfolgt das legitime, im öffentlichen Interesse liegende Ziel des Konsumentenschutzes und ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Außerdem liegt kein unverhältnismäßiger Eingriff ins Eigentumsrecht vor, da die Bestimmung nicht unverhältnismäßig in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums eingreift.

 Aktuelle Rechtslage nach der VfGH-Entscheidung

Die Beurteilung, ob eine Wertsicherungsklausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verstößt, kann im Individualverfahren vom Ergebnis des Verbandsverfahrens abweichen, da die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls zu beurteilen sind. Die gerichtliche Praxis zeigt, dass die Gerichte in Individualverfahren durchaus zu anderen Ergebnissen kommen können als in Verbandsverfahren.

Genau dies zeigt die Entscheidung des 10. Senats des OGH vom 30.07.2025 zu 10 Ob 15/25s. Hier erfolgte eine detaillierte und sehr gut begründete Klarstellung des Obersten Gerichtshofs zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, wonach diese Bestimmung nur bei Leistungen gilt, die vom Unternehmer (Vermieter) auch innerhalb von zwei Monaten vollständig erbracht werden. Typische, längerfristige Dauerschuldverhältnisse wie Mietverträge sind davon aber ausgenommen.

Falscher Ausgangsmonat

Ausgangslage war, dass im Mietvertrag über eine Dachgeschosswohnung irrtümlich eine falscher Ausgangsmonat für die Wertsicherung aufgenommen wurde. In weiterer Folge wurde den Mietern vom Vermieter durch die Hausverwaltung der Irrtum bekanntgegeben und eine anderer Ausgangsmonat - und zwar die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses veröffentlichte Indexzahl - bekanntgegeben. Die Mieter zahlten die erhöhte Miete über ein Jahr hindurch ohne Widerspruch.

 Der OGH kommt zum Ergebnis, dass eine nachträgliche Vertragsanpassung hinsichtlich des Ausgangsmonats zustande gekommen ist. Weiters erscheint es auch sachlich gerechtfertigt, auf den nahe zum Vertragsabschluss liegenden Ausgangswert abzustellen, um das legitime Interesse beider Vertragsteile zu wahren, eine inflations- bzw. deflationsbedingte Veränderung der bei Vertragsabschluss vereinbarten, also im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhanden subjektiven Äquivalenz der Leistungen zu verhindern, zumal das Tatbestandsmerkmal der "sachlichen Rechtfertigung" gerade darauf abzielt, das ursprüngliche subjektive Äquivalenzverhältnis durch eine Preisänderungsklausel möglichst exakt beizubehalten, wobei Wertveränderungen aller den ursprünglichen Preis bildenden Faktoren erfasst werden sollen. Außerdem wurde das Abstellen auf die letzte verlautbarte Indexzahl auch mit Blick auf die gesetzliche Valorisierung der Kategorie- und Richtwertmietzinse als gerechtfertigt angesehen. 

Keine Entgelterhöhung

Nach Ansicht des OGH ist eine klar umschriebene Wertsicherungsklausel schon begrifflich keine Entgelterhöhung durch den Vermieter, denn der Mieter hat inflationsbedingt nicht mehr und deflationsbedingt nicht weniger Entgelt zu leisten, als im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbart wurde.

In der Entscheidung bestätigte der 10. Senat auch eine frühere Rechtsansicht, wonach eine Vertragsbestimmung auch aus mehreren inhaltlichen Klauseln bestehen kann, die jede für sich alleine zu verstehen ist. In diesem Sinne ist daher eine Wertsicherungsklausel auch dann nicht zur Gänze nichtig, wenn auch eine enthaltene Teilregelung, wie beispielsweise über einen Nachfolgedindex, nichtig ist.

Und was jetzt?

Der OGH hat durch seinen 10. Senat ausgesprochen, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse, wie Bestandverträge, die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist, nicht anwendbar ist. Unter Zugrundelegung dieser Entscheidung ist daher eine Wertsicherungsvereinbarung und somit Indexierung des Mietzinses bei längerfristigen Mietverträge zulässig. Dies auch dann, wenn ein vertragliche Regelung darüber fehlt, dass der Mietzins in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss nicht angepasst wird.

Klarzustellen ist aber, dass jeder Vertrag gesondert geprüft und beurteilt werden muss. Die Geltendmachung von Ansprüchen sollte gut überlegt und wohl geprüft werden. Übereilte Klagen können sehr teuer werden.

www.ghr.at


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