Mit 1. September 2025 wird das Amtsgeheimnis in Österreich offiziell Geschichte sein. Was über Jahrzehnte als Selbstverständlichkeit in der öffentlichen Verwaltung galt – Informationen zurückzuhalten –, weicht nun einem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf Zugang zu staatlichen Informationen. Das neue Informationsfreiheitsgesetz (IFG) steht für einen Paradigmenwechsel. Doch der Weg zur gelebten Transparenz ist nicht nur juristisch anspruchsvoll, sondern auch organisatorisch und kulturell herausfordernd.
Ein neues Grundrecht und neue Verpflichtungen
Das IFG konkretisiert das in unserer Verfassung verankerte Recht auf staatliche Information (Art. 22a B-VG). Der Anspruch steht allen Personen offen – unabhängig von Herkunft, Zweck oder Rechtsform. Erstmals umfasst das Gesetz nicht nur klassische Behörden, sondern auch private Einrichtungen mit öffentlichem Einfluss, etwa staatsnahe Unternehmen oder (teil-)staatliche Fonds.
Neu ist auch die proaktive Veröffentlichungspflicht: Informationspflichtige Stellen müssen Informationen von allgemeinem Interesse künftig selbstständig zugänglich machen und nicht erst nach Aufforderung. Nur Gemeinden unter 5.000 Einwohner:innen sind von dieser aktiven Publikationspflicht ausgenommen. Für alle anderen beginnt damit eine neue Ära des Informationshandelns, die aus einem bislang defensiven Umgang mit Auskunftsbegehren eine aktive Verantwortung ableitet.
Transparenz als demokratischer Wert – aber mit Umsetzungslücken
Der politische Impuls hinter dem IFG ist zu begrüßen: Bürger:innen sollen Verwaltung besser verstehen, nachvollziehen und – idealerweise – mitgestalten können. Das stärkt nicht nur demokratische Teilhabe, sondern auch das Vertrauen in die öffentliche Hand.
Gleichzeitig wird deutlich: Die praktischen Voraussetzungen für die Umsetzung sind vielerorts noch nicht gegeben. Denn das Gesetz formuliert zwar den Anspruch – lässt jedoch viele Umsetzungsfragen offen. Die internen Zuständigkeiten, die technische Abwicklung, die rechtskonforme Fristenkontrolle, aber auch die Abwägung zwischen Informationsrecht und Geheimhaltungsinteressen sind in der Praxis vielfach noch nicht geregelt.
Kleine Verwaltungseinheiten besonders gefordert
Insbesondere für kleinere Gemeinden und Organisationseinheiten wird die Umsetzung zur Belastungsprobe. Sie müssen dieselben rechtlichen Anforderungen erfüllen wie Bundesministerien – ohne jedoch über vergleichbare personelle, technische oder juristische Ressourcen zu verfügen. Die Gefahr liegt auf der Hand: Wo Unsicherheit besteht, wird im Zweifel lieber verweigert, um sich auf der rechtlich vermeintlich sicheren Seite zu bewegen. Denn die Balance zwischen Datenschutz, vertraulichen Informationen und dem neuen Grundrecht ist rechtlich anspruchsvoll und ohne klare Entscheidungsleitlinien schwer zu handhaben.
Dabei enthält das Gesetz keine Sanktionsmechanismen für unberechtigte Ablehnungen. Wird ein Antrag zu Unrecht abgelehnt, bleibt nur der Weg zum Verwaltungsgericht – verbunden mit Zeit, Kosten und Rechtsunsicherheit. Zwar sieht das Gesetz verkürzte Entscheidungsfristen für die Gerichte vor, doch auch diese dürften in der Praxis schwer einzuhalten sein.
Unvereinbarkeiten im Normgefüge – Novellierungsbedarf wächst
Auch der Gesetzgeber ist noch gefordert. In zahlreichen Materiengesetzen finden sich weiterhin ausdrückliche Verweise auf das Amtsgeheimnis – im Strafgesetzbuch ebenso wie im Beamtendienstrecht oder im Bildungsbereich. Diese Normen stehen in einem Spannungsverhältnis zum neuen IFG und müssen rasch novelliert werden, um Rechtsklarheit und Kohärenz herzustellen. Pauschale Schweigepflichten, wie sie heute noch in vielen Gesetzen verankert sind, werden künftig verfassungsrechtlich problematisch sein.
Ein Kulturwandel muss begleiten, nicht folgen
Was Jurist:innen, Verwaltungspraktiker:innen und politische Entscheidungsträger:innen nun erwartet, ist nicht weniger als ein Systemwechsel. Das neue Gesetz verlangt einen Abschied von der bisherigen Verwaltungskultur und den Aufbau eines Verständnisses, das Offenheit nicht als Risiko, sondern als demokratische Notwendigkeit begreift. Ein transparentes Verwaltungshandeln darf nicht länger als Ausnahme gelten, sondern muss zur Regel werden.
Damit dies gelingt, braucht es gezielte Aus- und Weiterbildungsinitiativen, rechtliche Orientierungshilfen und Ressourcenaufbau insbesondere in strukturschwächeren Verwaltungseinheiten. Auch digitale Werkzeuge zur standardisierten und dokumentierten Bearbeitung von Informationsanträgen werden eine Schlüsselrolle spielen. Verwaltungstransparenz entsteht nicht durch Gesetzestexte allein – sie muss in Abläufe, Systeme und Kompetenzen übersetzt werden.
Der Anspruch ist hoch – die Umsetzung entscheidet
Das neue Informationsfreiheitsgesetz markiert einen wichtigen Schritt hin zu einer offeneren, bürgernäheren Verwaltung. Doch seine Wirksamkeit wird nicht am politischen Willen gemessen, sondern an der praktischen Umsetzbarkeit. Der Anspruch auf Information ist eine Chance – für den Staat, für die Zivilgesellschaft und für den Rechtsstaat. Er verdient eine Umsetzung, die dieser Chance gerecht wird.
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