Die Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien lockte auch dieses Mal zahlreiche Mitglieder der Fachgruppe sowie interessierte Branchenteilnehmer:innen in den Apothekertrakt von Schloss Schönbrunn zum 9. Hybriden Branchentalk unter dem Titel "Wiener Werbeschmäh, Teil 3 - wie provokant darf Werbung sein?!". Die Expert:innen der hochkarätig besetzten Diskussionsrunde waren sich einig, dass es vor allem Mut braucht, sowohl bei den Kreativen als auch auf Kund:innenseite. Darüber hinaus gilt es, die Balance zwischen Humor, Haltung und Provokation in der Werbung zu meistern.
Provokation mit Augenzwinkern
Sigrid Neureiter-Lackner, Initiatorin und Moderatorin des Hybriden Branchentalks, führte durch den Abend und unterstrich zu Beginn, dass der Wiener Würstlstand seit Herbst 2024 immaterielles UNESCO-Kulturerbe ist und der Wiener Werbeschmäh wohl auch das Zeug dazu habe.
Gastgeber und Prokurist der Schönbrunn Group, Florian Felder, ließ mit einem Augenzwinkern durchblicken, dass sich auch seine traditionsreiche Institution gelegentlich an mutigeren Werbeformaten versuche: etwa mit einer fiktiven Immobilienanzeige für Schloss Schönbrunn. "Provokation? Ein bisschen vielleicht. Aber mit Respekt vor dem Kulturerbe", so Felder.
Ottakringer: "Uns kannst du gernhaben"
Martin Eicher, Leiter Marketing und Innovation der Ottakringer Brauerei, erklärte, wie die Marke Ottakringer mit dem Claim "Uns kannst du gernhaben" und der Positionierung "nicht 08 15, sondern 08 16" konsequent auf Humor, Selbstironie und Nahbarkeit setzt. Der Berliner "Wiener" zeigte anhand eines humorvollen LinkedIn-Posts von einer Ottakringer-gebrandeten Litfaßsäule in Berlin, wie auch mit kleinem Budget und Wiener Schmäh ein viraler Hit zu landen ist. "Humor ist für uns keine Spielerei, sondern ein strategisches Kommunikationsmittel", so Eicher. "Aber wer Humor zeigt, muss auch liefern – täglich und glaubwürdig."
Ottakringer Plakat in Berlin © Ottakringer
Mutig sein zahlt sich aus
Doris Felber, Geschäftsführerin der Bäckerei Felber, polarisierte mit ihrem legendären Heimwerker:innen-Spot während der Pandemie. Mit viel Wiener Schmäh, Mut und Herz sprach sie Heimwerker:innen direkt an – und handelte sich neben großem Zuspruch viel Kritik ein, konnte aber auch eine Umsatzsteigerung von +10 Prozent verzeichnen. "Ich habe nichts Böses gemacht – nur gesagt, was ich mir gedacht habe", erzählte sie. Und erinnerte daran, dass es darum ging, 500 Arbeitsplätze zu retten und für die Mitarbeiter:innen und deren Familien zu sorgen.
Ihre Tochter Stefanie Felber, heute für das Marketing der Bäckerei verantwortlich, betonte, wie wichtig es sei, Werbung exakt zu kanalisieren. "Nicht jede Werbung passt auf alle viralen Kanäle. Aber man sollte auch auf Instagram und TikTok authentisch bleiben - Tradition ist nicht gleich altmodisch."
Bestattung Himmelblau: Die Grenzen des Humors
Alexander Hovorka, Geschäftsführer der Bestattung Himmelblau, zeigte, wie pietätvolle Themen wie der Tod auch auf TikTok kommuniziert werden können. Mit informativen Clips und morbidem Humor wurde das Unternehmen bereits zweimal für den Staatspreis PR nominiert. "Es geht um Aufklärung, Tabubruch – und um das richtige Medium", so Hovorka. "Gerade in unserer Branche muss man die Grenzen des Zumutbaren kennen. Humor darf sein, aber nie auf Kosten der Trauernden."
Schlaweana: Ohne Blabla, dafür mit Schmäh
Pia Saal, Geschäftsführerin der Wiener Marketingagentur Schlaweana, appellierte an Unternehmen, auch bei Gegenwind Haltung zu zeigen: "Wer sich bei Shitstorms wegduckt, verliert. Kommunikation ist keine Einbahnstraße." Mit ihrer Agentur setzt sie auf ehrliche, freche Markenarbeit: "Unser Zugang lautet: ohne Blabla, mit Schmäh. Und mit den richtigen Kund:innen, die den Mut haben, das mitzutragen."
Die MA 48: Social Media-Coup mit Siegfried & Joy
Robert Judtmann, Geschäftsführer von "R&J and Unique", beschrieb seine vielfach ausgezeichneten Kampagnen für die MA 48 als perfekte Verbindung von Authentizität und Strategie: "Die Mistkübler sind unsere besten Testimonials. Mit denen darf man auch frech sein."
Mit den Berliner Comedians "Siegfried & Joy" gelang ein Social Media-Coup, der von der Reichweite her zu einer der erfolgreichsten Kampagnen für die 48er wurde: "Das kann man nicht planen, aber mit Mut und einer glaubwürdigen Marke kann man solche Projekte vorbereiten und letztendlich umsetzen." Und man kann auch grenzüberschreitend Fans gewinnen. Aus den geplanten drei wurden an die 15 Spots, weil auch die deutschen Comedians Freude an der humorvollen Umsetzung hatten.
Fazit: Haltung, Herz und Respekt
In der Abschlussdiskussion herrschte Konsens: Provokation in der Werbung ist erlaubt – solange sie mit Haltung und Respekt umgesetzt wird. Doris Felber brachte es auf den Punkt: "Du musst mit dem Herzen dabei sein. Und die Leute müssen spüren, dass du es ehrlich meinst."
Großen Anklang fand die 3. Edition des Wiener Werbeschmähs auch bei den Teilnehmenden, die sich mit zahlreichen wertschätzenden Social Media-Postings dafür revanchierten. "Die Diskussion hat gezeigt, dass Humor auch bei komplexen Themen Aufmerksamkeit schafft, Authentizität stärker wirkt als perfekte Corporate-Sprache, der richtige Schmäh Marken menschlich und merkbar macht und selbst sensible Branchen mit Fingerspitzengefühl humorvoll kommunizieren können", so beispielsweise Yvonne Masopust, B2B Content Consulting, auf LinkedIn.
Interviewpartner:innen
LEADERSNET.tv bat Doris Felber, Geschäftsführerin Bäckerei Felber, Alexander Hovorka, Geschäftsführer Bestattung Himmelblau, Pia Saal, Geschäftsführerin Schlaweana Wiener Marketingagentur, Martin Eicher, Leitung Marketing & Innovation Ottakringer Brauerei, Robert Judtmann, Geschäftsführer R&J and Unique, Stefanie Felber, Marketingleiterin der Bäckerei Felber, Sigrid Neureiter-Lackner, Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien, Florian Felder, Prokurist der Schönbrunn Group, Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria, Wolfgang Pappler, Inhaber Product Placement International, Hubert Freiler, Marketingleiter Faber, und Louisa Boehringer, Inhaberin Personal Branding Wien, zum Interview.
Einen Eindruck können Sie sich hier machen.
Hier geht es zur Aufzeichnung des Livestreams, wo Sie auch die gezeigten Spots sehen können. Die gezeigten Spots gibt es aber auch hier: Ottakringer Spot – "Uns kannst du gernhaben", Bäckerei Felber – Heimwerker-Spot, TikTok-Video Bestattung Himmelblau, Social-Media Spot MA 48 – Die Zauberer und Social-Media Spot MA 48 – Las Vegas.
www.werbungwien.at
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