Tom Davidson hat einen ziemlich guten Taschenrechner. Im Jahr 2023 – also gefühlt eine halbe KI-Evolutionsepoche her – veröffentlichte der Wirtschaftsforscher ein mathematisches Modell mit weitreichenden Aussagen: Bis 2040 könne KI rund 20 Prozent der menschlichen Arbeit übernehmen, und bis 2043 gar 100 Prozent. Das war damals nicht nur ambitioniert – sondern auch brandheiß.
Heute, nur zwei Jahre später, ist diese Prognose... charmant optimistisch. Oder anders gesagt: Die Realität hat Davidson bereits überholt.
Was sein Modell sagte – und was es nicht wusste
Davidson berechnete seine Prognosen auf Basis von Rechenleistung, Algorithmenfortschritt und Investitionen. Der Plan: Wir bauen schwächere KI ("20%-AI"), trainieren sie mit gigantischem Compute (10^36 FLOPs – Jurassic Niveau), und landen wenige Jahre später bei Systemen, die alle menschliche Arbeit automatisieren könnten ("100%-AI").
So weit, so nachvollziehbar.
Aber: Sein Modell stammt aus Mitte 2023 – einem Zeitalter, in dem GPT-4 gerade frisch aus der digitalen Wiege kroch. Von GPT-4o, Claude 3 oder dem Custom-GPT-Boom keine Spur. Und von der neuen KI-Welle, die seither unsere Wirtschaft überrollt, wusste er nichts.
Was seither passiert ist – und warum 2030 realistischer ist
Heute sehen wir, dass KI bereits deutlich weiter ist, als Davidson angenommen hat:
- Moderne LLMs automatisieren heute Aufgaben, für die man früher ganze Abteilungen brauchte: Texte schreiben, Code erzeugen, Content kuratieren, Daten analysieren.
- Produktivitätsgewinne von 30 bis 50 Prozent bei Routineaufgaben sind in Pilotprojekten keine Seltenheit mehr.
- KI-gestützte Tools beschleunigen Forschung, Kreativprozesse und Entscheidungsfindung – in Agenturen genauso wie in mittelständischen Unternehmen.
Und das alles in nicht einmal zwei Jahren.
Mein Take: 20 Prozent? Das sehen wir spätestens 2030 – wahrscheinlich sogar früher
Wenn wir diese Entwicklung fortschreiben – mit weiterem Kapital, besseren Chips (Nvidia lässt grüßen) und wachsendem Vertrauen – dann erreichen wir die 20-Prozent-Marke nicht 2040, sondern schon zum Ende dieses Jahrzehnts. Oder sogar deutlich davor.
Wer 2030 noch so arbeitet wie 2020, ist keine Schildkröte im Rennen – sondern ein Fossil.
Was Unternehmen jetzt verstehen müssen
- Modelle altern – Realität rechnet schneller: Davidson hat klug gerechnet. Aber sein Modell basiert auf Daten, die 24 Monate alt sind. In KI-Zeit sind das Äonen. Heute brauchen wir Real-Time-Strategien, keine PowerPoints von gestern.
- Der Takeoff ist leise – aber brutal schnell: Es wird keinen lauten Gong geben, der sagt: "Jetzt ist KI besser als ihr." Es wird passieren – zwischen zwei Quartalsmeetings. Wer nicht vorbereitet ist, wird überrannt, nicht überredet.
- Co-Intelligenz schlägt Kontrolle: Wer KI als Konkurrenz sieht, verliert. Wer sie als Partner einbindet, gewinnt. Die Zukunft gehört den Unternehmen, die KI nicht nur "nutzen", sondern durch sie denken.
Fazit: Die Zukunft ist keine Gleichung – sie ist ein Turbo
Davidson hat uns ein Denkmodell geliefert. Danke dafür. Aber heute wissen wir: Der KI-Zug fährt schneller als sein Fahrplan. Und wer jetzt noch wartet, bis das "mit der KI" konkreter wird, steht 2030 im digitalen Niemandsland.
Also: Rechne nicht mit der Zukunft – baue sie. Und zwar jetzt.
"KI ist nicht die Herausforderung. Sie ist der Prüfstein für deinen Mut zur Veränderung. Wer heute handelt, führt morgen. Wer zögert, wird geführt." – Jürgen Bogner
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