KI-Kolumne von Jürgen Bogner
Die schöne neue Model-Welt – oder: Warum H&M gerade eine ganze Branche weichzeichnet

Im Rahmen der neuen KI-Serie, bei der KI-Profi Jürgen Bogner (CEO & Gründer von biteme.digital) regelmäßig einen Beitrag rund um das Thema Künstliche Intelligenz verfasst, dürfen sich LEADERSNET-Leser:innen dieses Mal auf einen Artikel über digitale Zwillinge, KI-Influencer und das langsame Verschwinden echter Gesichter freuen. 

H&M hat's getan. Die Modekette lässt digitale Zwillinge von 30 Models erstellen – fotorealistisch, lizenziert, von den Models selbst "besessen". Klingt fair? Vielleicht. Klingt strategisch? Ganz sicher. Denn was hier passiert, ist ein psychologisch fein inszenierter Systemwechsel.

Aber einer, der sich in Seidenpapier wickelt.

Der sanfte Übergang: Warum Unternehmen (noch) nicht voll auf KI setzen

Natürlich könnte H&M (und allen anderen Modeketten) längst komplett synthetische Models einsetzen. Midjourney, Runway & Co. sind technisch dazu fähig. Nur das ist medial ein heikles Thema. Models, Fotograf:innen, Stylist:innen – die ganze Branche würde aufschreien. Und auch die Kund:innen sind (noch) nicht bereit.

Also verkauft man den Bruch als sanfte Kooperation. Ein paar Avatare, rechtlich sauber, "besessen" vom Menschen dahinter. Die Branche atmet durch. Doch sobald sich alle an die Ästhetik gewöhnt haben, braucht es das Original nicht mehr. Willkommen im Zeitalter der synthetischen Authentizität.

Das hier ist kein disruptiver Schnitt. Es ist ein schleichender Rollentausch – perfekt inszeniert, wirtschaftlich genial und ethisch… diskutabel.

Von echten Influencern zu perfekten Pixeln

Was folgt nach dem Model-Zwilling? Richtig: der vollsynthetische Influencer. Keine Honorare, kein Jetlag, keine Allüren. Dafür: 100 Prozent markenkonform.

Wie funktioniert das?

  1. Identität definieren: Zielgruppe, Tonalität, Look & Feel – alles auf Marke und Werte abgestimmt.
  2. Avatar bauen: mit Tools wie ZMO.ai, MetaHuman oder ReadyPlayerMe.
  3. Stimme & Persönlichkeit: Text-to-Speech + GPT = digitaler Creator mit Haltung.
  4. Automatisierter Output: Runway, Synthesia & Co. liefern massenweise Reels, Erklärvideos, TikToks. Multilingual, natürlich.

Und was bringt das dem Mittelstand?

Mehr als man denkt:

  • Regionale Marken entwickeln eigene digitale Testimonials.
  • Start-ups starten mit KI-Influencern testweise in neue Zielgruppen.
  • Onlineshops integrieren virtuelle Verkaufsberater:innen mit Gesicht.
  • Industrieunternehmen lassen ihre KI-Maskottchen Tutorials geben – CI-konform und jederzeit verfügbar.

Fazit: Das ist keine Spielerei. Das ist Markenstrategie 3.0.

H&M macht keine Tech-Demo – sie bauen die Infrastruktur für ein post-humanes Marketing. Die digitalen Zwillinge sind nur Phase eins. Was folgt, ist 100 Prozent KI: kontrollierbar, günstig, skalierbar.

Die entscheidende Frage lautet nicht ob, sondern wann. Und ob Ihre Marke noch ein menschliches Gesicht braucht – wenn ein Avatar dieselbe Reichweite erzielt.

Oder wie der Zeitgeist sagt: Humans are so 2023.

www.ahoi.biteme.digital


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