Editorial des Herausgebers
Das österreichische Problem mit den Öffnungszeiten

| Wolfgang Zechner 
| 14.04.2025

Vergangene Woche in der Wiener City. Die Straßen sind voll. Heerscharen an Tourist:innen wälzen sich durch die Kärntnerstraße. Doch die Laune der Gäste ist im Graben – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die meisten Geschäfte sind zu. Es ist Sonntag. Und die rigiden Öffnungszeiten erlauben nur wenig Ausnahmen.

Das ist nur eine Momentaufnahme, die aber zeigt, wie die unheilige Allianz aus Politik, Gewerkschaft und Kirche den Wirtschaftsstandort jahrzehntelang an der kurzen Leine gehalten hat. Nun scheinen aber einige Dinge in Bewegung zu geraten. Im Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS findet sich ein Passus, in dem eine Liberalisierung des Öffnungszeitengesetzes angedacht wird. Angeblich sollen vor allem Nahversorger, die „gänzlich digital oder in Randzeiten digital und ohne angestelltes Personal betrieben werden" betroffen sein. Sie sollen angeblich vom Öffnungszeitengesetz ausgenommen sein. Sie sehen, ich formuliere das alles mit viel Bedacht. Denn was das wirklich bedeutet, weiß zum aktuellen Zeitpunkt niemand. Und ganz ehrlich: Mein Optimismus, dass sich hierzulande etwas bewegt, hält sich in Grenzen. Wir sind, bitte sehr, immer noch in Österreich. „Des brauch ma net" ist hier ein nationaler Glaubenssatz.

Dabei braucht der Handel im Moment jede Hilfe, die er kriegen kann. Der unfaire Wettbewerb mit den internationalen Onlineriesen setzt der Branche zu. Ein eingetrübtes Konsumklima kommt erschwerend hinzu. Und selbst dem halbwegs krisensicheren Lebensmittelhandel werden Prügel vor die Füße geworfen. Erst im Vorjahr schloss der engagierte Lebensmittelhändler und Unimarkt-Besitzer Andreas Haider seine Selbstbedienungsboxen, weil der Verfassungsgerichtshof entschieden hatte, dass Haiders Boxen keine von den Einschränkungen des Öffnungszeitengesetzes ausgenommenen Warenausgabeeinrichtungen wie etwa Zigarettenautomaten sind. Es war ein Urteil, das hauptsächlich zum Kopfschütteln einlädt.

Ich bin mit Sicherheit kein Advokat einer bedingungslosen Liberalisierung. Auf unsere vergleichsweisen hohen sozialen Standards können wir in Österreich zu Recht stolz sein. Wir sind auch gut beraten, diese gegen neoliberale Begehrlichkeiten zu verteidigen. Die völlige Verweigerung einer vernünftigen Anpassung der Öffnungszeiten ist trotzdem der falsche Weg. Aber wer weiß: Vielleicht schafft die neue Regierung das Unmögliche. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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