Fotos DHK Jahrespressekonferenz 2025
"Europa braucht eine echte Deregulierungsoffensive"

| Tobias Seifried 
| 04.05.2025

Bei der DHK Jahrespressekonferenz standen die Standortpolitik und Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Fokus. Aktuell zählen Österreich und Deutschland zu den wirtschaftlichen Sorgenkindern innerhalb der Europäischen Union.

Die Zeiten, in denen Deutschland als Wachstumslokomotive der Europäischen Union galt und Österreichs Wirtschaft im Soge dessen stark florierte, sind schon länger vorbei. Das wurde auch bei der Jahrespressekonferenz 2025 der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK) in Wien klar. So haben die deutsch-österreichischen Außenhandelsbeziehungen im Jahr 2025 erneut einen Dämpfer erhalten: Das bilaterale Handelsvolumen sank demnach zum zweiten Mal in Folge. Präsentiert wurden die aktuellen Entwicklungen zwischen den beiden Ländern von Dieter Pötsch, Präsident der DHK, Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG und Vorstandsvorsitzender der Porsche SE, Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) und Thomas Gindele, Hauptgeschäftsführer der DHK.

Um wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückzukehren, brauche es nach Einschätzung der DHK mehr Mut, Tempo und Innovationskraft. "Deutschland und Österreich müssen gemeinsam mutiger und schneller handeln – um Innovationen voranzutreiben, unsere Standorte zu sichern und den Wohlstand langfristig zu erhalten", betonte Pötsch vor Journalist:innen in Wien.

Bilaterales Handelsvolumen rückläufig

Im Jahr 2024 lagen aus deutscher Sicht sowohl die Exporte als auch die Importe um 5,7 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Das bilaterale Handelsvolumen mit Österreich betrug den offiziellen Angaben zufolge damit 128,7 Milliarden Euro. Die deutschen Ausfuhren nach Österreich beliefen sich auf 77,2 Milliarden Euro, die Einfuhren auf 51,5 Milliarden Euro. Trotz des Rückgangs bleibe die wirtschaftliche Verflechtung eng: Österreich ist laut DHK weiterhin der achtgrößte Exportpartner (zuvor Platz 7) und der neuntwichtigste Importpartner (zuvor ebenfalls Platz 7) Deutschlands. Besonders betroffen vom Rückgang waren Investitionsgüter wie Maschinen und Werkzeugmaschinen sowie chemische Erzeugnisse. Der Automobilhandel habe sich hingegen vergleichsweise stabil gezeigt.

Hebel für die Standortsicherung

Die neuen geopolitischen Realitäten, der Umbau der Energieversorgung und strukturelle Veränderungen am Arbeitsmarkt markieren laut Pötsch eine echte Zeitenwende. Um die wirtschaftliche Stabilität zu sichern, brauche es drei zentrale Maßnahmen: die Senkung der Energie- und Arbeitskosten, den Abbau von Bürokratie sowie gezielte Investitionsanreize.

"Wollen wir die Produktion in unseren Ländern sichern, brauchen wir eine verlässliche Energieversorgung mit berechenbaren Preisen. Gleichzeitig müssen wir produktiver werden – das heißt: Tarifabschlüsse mit Augenmaß und eine Senkung der Lohnnebenkosten", so der DHK-Präsident. Die derzeitige Überregulierung sei innovationsfeindlich und schrecke Investitionen ab. Europa brauche deshalb eine echte Deregulierungsoffensive.

Europa muss wieder zum Technologietreiber werden

Im globalen Innovationswettbewerb dürfe Europa nicht hinter den USA und China zurückfallen. Pötsch fordert: "Wir dürfen nicht nur Konsumenten fremder Technologien sein – wir müssen wieder zu Pionieren werden." Das erfordere eine bessere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der öffentlichen Hand, den Ausbau einer funktionierenden Kapitalmarktunion sowie gezielte Investitionen in Forschung, Digitalisierung und Bildung.

Nationale und EU-weite Reformen gefordert

Auch Gabriel Felbermayr sieht dringenden Reformbedarf. Die vergangenen beiden Jahre seien in Deutschland und Österreich wirtschaftlich "zum Vergessen" gewesen. Auch 2025 werde voraussichtlich stagnieren und sowohl die wirtschaftliche Lage als auch die Erwartungen für die nächsten Monate würden sich nur sehr langsam verbessern.

"Selbst wenn sich die Konjunktur aufhellen sollte, bleibt das Trendwachstum in Deutschland und Österreich aufgrund struktureller Schwächen niedrig", so der Wifo-Direktor. Die weltwirtschaftliche Unsicherheit – auch infolge der erratischen Politik des US-Präsidenten – sei hoch und werde es wohl bleiben. Es brauche ambitionierte Reformen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.

Industrie in schwieriger Lage

Insbesondere die Industrie sei betroffen: In Österreich liege die reale Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe 2025 voraussichtlich um neun Prozent unter dem Niveau von 2022, in Deutschland um rund fünf Prozent. Das Konjunkturklima hellte sich zwar leicht auf, doch in keinen anderen EU-Ländern werde die Wettbewerbsfähigkeit so kritisch eingeschätzt wie in Deutschland und Österreich. Felbermayr mahnte: "Unsere Industrie braucht verlässliche Rahmenbedingungen – im In- und Ausland." Dazu zählten auch der Abschluss von Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten und Australien sowie ein "Deal" mit den USA. Ebenso notwendig sei die Vollendung des EU-Binnenmarktes, um Energie- und Finanzierungskosten zu senken sowie dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

"Deutschland und Österreich haben gleichlaufende Interessen – sie sollten sich auch gemeinsam dafür einsetzen", betonte der Wifo-Direktor abschließend.

LEADERSNET war bei der Pressekonferenz. Fotos sehen Sie in unserer Galerie.

www.oesterreich.ahk.de

www.wifo.ac.at

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV