Dass die AfD in den jüngsten Landtagswahlen in den beiden deutschen Bundesländern Thüringen und Sachsen rund ein Drittel der Stimmen für sich gewinnen konnte, mag wenig überraschend sein, ist aber nun eine unumstößliche Tatsache. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob man bei diesem Prozentsatz immer noch von reinen Proteststimmen sprechen kann. Offenbar hat eine signifikante Mehrheit der Wähler:innen in diesen Regionen eine Partei unterstützt, die vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wird. Like it or not, das ist eben das Konzept der Demokratie.
Tiefer in Ursachenforschung gehen
Und natürlich gefällt es vielen nicht. Trotzdem, ja vielleicht umso dringender müssen wir uns fragen, was mit demokratischen Mitteln gegen diese Entwicklung unternommen werden kann, solange die Partei nicht verboten ist? Aufrufe gegen Rechts und die Warnungen vor extremistischen Tendenzen haben offenbar nicht gefruchtet. Es bleibt also nur, tiefer in die Ursachenforschung zu gehen.
Das Problem ist sicher nicht ausschließlich auf die bloße Anzahl von Migrant:innen in diesen Ländern und die von Einzelnen begangenen Straftaten zurückzuführen. Die Wurzeln liegen tiefer, und es scheint zunehmend, dass es den demokratischen Kräften an effektiven Ideen und (Kommunikations-)Strategien mangelt, die zugrunde liegenden Sorgen und Ängste der Menschen aufzufangen und in eine konstruktive Richtung zu lenken.
Medienlandschaft vor Herausforderungen
Dabei steht auch die Medienlandschaft vor einer enormen Herausforderung. Jüngst berichtete das Morgenjournal von jugendlichen Erstwähler:innen, die ihre Informationen zu politischen Themen fast ausschließlich aus sozialen Medien von "YouTuber:innen" und "TikToker:innen" beziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in ihrem Erwachsenenalter zu traditionellen Medienformaten zurückkehren, wird gleichzeitig als äußerst gering eingeschätzt. Diese Tatsache zwingt die etablierten Medien, sich ernsthaft zu fragen, wie sie ihre Botschaften künftig an die jüngeren Generationen vermitteln wollen. Wobei weder die Frage geklärt ist, ob die Medien das wollen und wenn ja, ob die Jungen diese Inhalte konsumieren möchten. Wie dringend notwendig es aber wäre, diese Wählergruppe mit objektiven Informationen zu erreichen, zeigen die Wahlergebnisse in Thüringen: Unter den 18- bis 24-Jährigen ist hier der Zuspruch für die AfD mit 38 Prozent besonders hoch.
Es geht also nicht nur um politische Bildung, sondern auch um Medienkompetenz. Vielleicht muss auch der Geschichtsunterricht grundlegend überdacht und überarbeitet werden, um anschaulicher zu vermitteln, wozu radikale Kräfte in der Vergangenheit imstande waren und welche Gefahren sie aktuell – hier bei uns, aber auch anderswo – darstellen. Geschichte ist nicht nur ein Fach, das sich mit vergangenen Zeiten beschäftigt, sondern auch ein Spiegel, der aufzeigt, was passieren kann, wenn extremistische Ideologien die Oberhand gewinnen.
Gesellschaft fit machen
Die Herausforderung besteht also darin, die Gesellschaft fit zu machen, um sich dem Sog extremer Ideen (egal welcher Richtung) entgegenstellen zu können – nicht durch Verbote oder symbolische Gesten, sondern durch echte, tiefgreifende Aufklärung und Bildung. Dies ist ein mühsamer, aber notwendiger Weg, wenn wir die Werte unserer Demokratie schützen wollen.
In Österreich ist – wie man hierzulande so schön sagt – "der Käse noch nicht gegessen", die Tendenzen weisen allerdings in eine ähnliche Richtung und schon Ende des Monats könnten wir vor ähnlichen Ergebnissen stehen. Deswegen werde ich auch nicht müde zu betonen, wie wichtig es ist, dass jede:r einzelne das hohe Gut des Wahlrechtes schätzt und wahrnimmt.
In Deutschland haben sich im Vorfeld zu den Wahlen zahlreiche Unternehmen zu Wort gemeldet und haben ihrerseits Versuche unternommen, die Demokratie zu stärken, indem sie sich gegen radikale Kräfte positioniert haben. Dieses Wahrnehmen einer Corporate Political Responsibility halte ich für zunehmend wichtig. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass Unternehmen mittlerweile im Bereich der Bildung, aber auch vielen anderen Gebieten, die eigentlichen Aufgaben des Staates übernehmen. Langsam scheint dies also auch im politisch-demokratischen Bildungsbereich notwendig geworden zu sein.
"Wir brauchen Menschen, die sich sicher sind, etwas bewegen zu können"
So sehen es auch wir bei JTI Austria als unsere Aufgabe, unsere Mitarbeitenden zu sensibilisieren und zu stärken. Das tun wir, indem wir Rahmenbedingungen schaffen, die geprägt sind von Werten wie Partizipation, Verantwortung, Respekt, Solidarität, freier Meinungsäußerung und gemeinsamen Werten. Wir brauchen Menschen, die sich sicher sind, etwas bewegen und bewirken zu können, anstatt entmutigte und desillusionierte Bürger:innen, die den vermeintlich einfachen Antworten Glauben schenken wollen.
Und auch wenn die Wahlversprechen heute verlockend klingen mögen – lassen Sie uns mit der gebotenen Skepsis darüber nachdenken, was davon morgen realistisch Bestand haben kann und was davon nicht mehr als eine Karotte vor der Nase ist.
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