APG musste im ersten Halbjahr an 105 Tagen die Stromnetze stabilisieren

| Tobias Seifried 
| 26.07.2023

Die Notfallmaßnahmen kosteten rund 65 Millionen Euro; Erneuerbare sorgten im Juni 2023 für Stromüberschuss. Laut dem Netzbetreiber sind Netzausbau und mehr Speicherkapazität Gebot der Stunde.

Der heimische Netzbetreiber Austrian Power Grid (APG) hat nun ein Update zur bisherigen Stromsituation des Jahres 2023 veröffentlicht und dabei einige interessante Fakten preisgegeben. So wurde etwa im Juni aufgrund der Erneuerbaren in Österreich ein Stromüberschuss erzeugt. Die vermehrte Eigenproduktion durch Photovoltaik (PV)-Anlagen würde die Netze laut der APG aber auch vor neue Herausforderungen stellen.

Da besonders in den Sommermonaten viele Haushalte bzw. Gewerbebetriebe den eigenen Stromverbrauch mit einer PV-Anlage decken, werde die Prognose für den Strombezug aus dem öffentlichen Netz zunehmend erschwert. Das führe dazu, dass die ursprüngliche Stromverbrauchsspitze zu Mittag zunehmend abflacht und sich dadurch die gewohnte Verbrauchscharakteristik verändert, heißt es von dem Netzanbieter.

Dunkelziffer beim öffentlichen Strombedarf wächst

Bilanziell sichtbar werde das durch einen geringeren Bezug aus dem öffentlichen Stromnetz. In den Kalenderwochen (KW) 22 bis 26 wurden 4.931 Gigawattstunden (GWh) Strom bezogen. Im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 wurden im gleichen Zeitraum 5.537 GWh bezogen. Im Vergleich ergibt das einen Rückgang bei der Abgabe aus dem öffentlichen Netz um elf Prozent.

"Das Schwierige ist, dass die exponentiell steigende Zahl an privaten Photovoltaik Anlagen für eine immer größere Dunkelziffer beim öffentlichen Strombedarf sorgt. Zu Mittag wird viel Eigenstrom erzeugt, am Abend wird wieder vermehrt Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen. Das verändert die Strompreise und ist mittel- und langfristig eine Herausforderung für den Betrieb. Für eine bessere Planung und mehr Transparenz für den Stromkunden braucht es eine durchgehende Digitalisierung aller Akteure des Stromsystems", erklärt Gerhard Christiner, technischer Vorstand der APG.

Netz- & Speicherausbau und Stromsparen

Eine weitere Herausforderung seien die fehlenden Netzkapazitäten, um regional überschüssig produzierten Strom aus erneuerbaren Energien vollständig österreichweit zu verteilen bzw. zu den Pumpspeicherkraftwerken in Westösterreich zu transportieren. Dazu sagt Christiner: "Um die versorgungsichere Energiewende zu ermöglichen, müssen die Netze dringend ausgebaut werden." Zusätzlich zu den Pumpspeicherkraftwerken müssten auch andere Speicherkapazitäten rascher ausgebaut werden, um den überschüssigen Strom dort zwischenspeichern zu können, so der APG-Manager.

Laut Thomas Karall, kaufmännischer Vorstand der APG, sei es grundsätzlich wichtig verantwortungsvoll beim Stromverbrauch zu agieren: "Mit jeder Stromeinsparung werden auch CO2 und gesamtsystemische Kosten reduziert und damit ein wesentlicher Beitrag geleistet, um die Systemsicherheit zu gewährleisten. Der Trend CO2 zu reduzieren, muss weiter vorangetrieben werden. Natürlich zählt auch eigenverbrauchter PV-Strom dazu. Darüber hinaus ist der nachhaltige Ausbau der Stromnetze, der erneuerbaren Produktion, sowie der Speicher das Gebot der Stunde."

Wasserkraft hat Löwenanteil an Erneuerbaren

Im Juni 2023 konnte der Stromverbrauch bilanziell wieder zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Insgesamt wurden im Juni 5.431 GWh erneuerbarer Strom in Österreich produziert. Hauptanteil daran hatte die Wasserkraft, die mit 4.514 GWh Strom rund 83 Prozent der Erneuerbaren ausmachte. Ab Mitte Juni ist die Produktionskraft der Erneuerbaren wieder gesunken. In KW 26 konnte der österreichische Strombedarf nur noch zu rund 92 Prozent gedeckt werden.

Trotz guter Produktionskraft der erneuerbaren Energien habe der APG zufolge im Juni deutlich weniger Strom als im Mai ins Ausland exportiert werden können. Das sei vor allem daran gelegen, adss ganz Europa im Juni Stromüberschüsse produzierte. Bilanziell konnten dennoch rund 386 GWh ins Ausland exportiert werden.

Keine Energiewende ohne starkes Stromnetz

Da vor allem in den Sommermonaten ein Stromüberschuss produziert werden kann, werde gerade jetzt deutlich, dass es in Österreich dringend mehr Speicher und stärkere Leitungen braucht. "Es ist eine Schande, wenn wir die gute Produktionskraft der Erneuerbaren durch zu wenige Speicher nicht konservieren, oder den Strom durch zu schwache Leitungen nicht zu den Speichern transportieren können. Österreich muss beim Netzausbau massiv an Tempo zulegen. Das Stromnetz spielt eine Schlüsselrolle für die Erreichung der Klimaneutralität Österreichs bis 2040", betont Gerhard Christiner.

Um die Anforderungen der Zukunft, das Gelingen der Energiewende sowie die Elektrifizierung von Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft zu ermöglichen, investiert die APG laut eigenen Angaben allein 2023 rund 490 Millionen Euro in die heimische Strominfrastruktur. In den kommenden zehn Jahren sollen insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro investiert werden. Neben der Nichtnutzbarkeit von Produktionspotenzialen würden die fehlenden Netzkapazitäten zu Engpässen auf den Leitungen führen und nahezu täglich den Einsatz von Notfallmaßnahmen, dem so genannten Redispatch, erfordern. Dabei wird hohen Leitungsbelastungen mittels gezielten Einsatzes von thermischen und hydraulischen Kraftwerken entgegengesteuert.

Redispatch-Maßnahmen verursachen hohe Kosten 

Thomas Karall nennt konkrete Zahlen: "Heuer waren derartige Eingriffe bis Ende Juni bereits an 105 Tagen notwendig. Das verursacht Kosten, die die Stromkund:innen bezahlen müssen. Mit Ende Juni lagen die durch Redispatch-Maßnahmen ausgelösten Kosten bei rund 65 Millionen Euro. Ein leistungsstarkes Stromnetz mit ausreichenden Kapazitäten würde den Redispatch-Bedarf erheblich verringern und die Kosten reduzieren. Der unmittelbare Ausbau der Netzinfrastruktur hat daher oberste Priorität."

Die aktuellen Entwicklungen der Strom- und Energiepreise sowie die geopolitischen Entwicklungen in der Ukraine würden zeigen, wie wichtig eine rasche und sichere Transformation zu einem nachhaltigen Energiesystem sei. Dazu brauche es laut der APG eine umgehende energiewirtschaftliche Gesamtsystemplanung bzw. -umsetzung, entsprechende Kapazitäten in den Bereichen Netze, Speicher, Produktion und eine umfassende Digitalisierung zur Nutzung der Flexibilitäten aller Akteure des Systems. Dies alles müsse umgehend und ohne Zeitverzug erfolgen. Die Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren seien dabei der zentrale Hebel.

www.apg.at

erich schuller
alte masten durch neue verstärkte ersetzen. leiterseile verdoppeln,schon hat man luft nach oben. den gegnern von neuen leitungen den strom wegen "sevice arbeiten" abdrehen.
erich schuller
was ist falsch an meinem kommentar? hab nur meinen hausverstand gebraucht. bitte um antwort.

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