"Verbrenner-Verbot ab 2035 ist nicht zu Ende gedacht"

| Redaktion 
| 30.10.2022

ÖAMTC glaubt, dass die Entscheidung bei neuerlicher Überprüfung revidiert werden muss. Die Lager zwischen Befürworter:innen und Gegner:innen sind tief gespalten. 

Ende der Woche haben sich die EU-Staaten und das Europaparlament geeinigt: Ab 2035 sollen in der Europäischen Union nur noch Neuwagen verkauft werden, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen – somit wurde quasi ein Verbot für Verbrennungsmotoren beschlossen (mit einer kleinen Hintertür für eFuels). Die Regelung gilt für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Für Gebrauchtwagen ändert sich nichts, gleiches gilt für Diesel-, Benzin- oder Hybrid-Autos, die im Jahr 2034 neu gekauft werden. Sie dürfen aus heutiger Sicht auch nach 2035 ohne Einschränkungen innerhalb der EU unterwegs sein.

Lager gespalten

Während viele Umweltorganisationen und Klimaaktivist:innen jubeln bzw. sogar ein früheres Aus für Benziner und Diesel fordern (z.B. der VCÖ), gibt es auch gegenteilige Meinungen. Die Lager sind diesbezüglich also gespalten. Zu den Kritikern der Entscheidung zählen etwa die eFuel Alliance Austria sowie der ÖAMTC. 

"Aus unserer Sicht ist diese Entscheidung nicht zu Ende gedacht", hält Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung fest. "Daher gehen wir davon aus, dass sie 2026 nach einer neuerlichen Überprüfung revidiert werden muss. Denn bis dahin wird offensichtlich sein, dass das alleinige Setzen auf die E-Mobilität nicht ausreichen wird, um die Klimaziele zu erreichen."

Was wird kritisiert?

Der Hintergrund für die Bedenken des Mobilitätsclubs: In Österreich werden laut Untersuchungen des Verkehrsministeriums rund 70 Prozent der Personenkilometer durch den motorisierten Individualverkehr erbracht. 20 Prozent entfallen auf öffentliche Verkehrsmittel, der Rest auf aktive Mobilität (zu Fuß, Rad, etc.). Sollen die Klimaziele 2030 nur mit E-Mobilität erreicht werden, müssten bis dahin allein in Österreich an die 2,5 Millionen Elektroautos zugelassen sein - das würde sich nicht einmal ausgehen, wenn ab sofort alle Neuzulassungen in Österreich E-Autos wären, so der ÖAMTC. Wenn diese Zahl nicht geschafft werde, bleibe der Politik zur Erreichung der Klimaziele nichts anderes übrig, als Autos mit Verbrennungsmotor so weit zu verteuern, dass realistischerweise bis zu ein Drittel den Pkw stehen lassen müsse. "Es ist aber auch illusorisch anzunehmen, dass der öffentliche Verkehr für all diese Menschen Ersatz bieten kann. Dazu wäre eine Verdoppelung der Öffi-Kapazitäten notwendig – das ist bis 2030 schlicht nicht zu schaffen", hält Wiesinger fest.

Wird der Verbrennungsmotor ab 2035 tatsächlich verboten, könnten die Klimaziele laut dem Mobilitätsclub nur erreicht werden, wenn die Mobilität eingeschränkt werde. Wiesinger: "Das betrifft vor allem Menschen, die sich kein E-Auto leisten können und die keine Aussicht auf ausreichende Öffi-Angebote haben. Nur wenn wir über nachhaltige Kraftstoffe auch in der Bestandsflotte mit sofortiger Wirkung effektiv CO2 einsparen, haben wir eine Chance, die Klimaziele einzuhalten und auch die Mobilität der Menschen zu vertretbaren Kosten zu erhalten."

eFuel Alliance ortet Benachteiligung

In dieselbe Kerbe schlägt die eFuel Alliance Austria. Bei der Herabsetzung des Grenzwertes für CO2 bei Neuwagen ab 2035 auf null würden der CO2-Rucksack des Stroms und der Batterie ignoriert, vielmehr würden diese bei E-Autos als nicht vorhanden unterstellt. Umgekehrt werde CO2 aus der Verbrennung klimaneutral hergestellter eFuels so betrachtet, als ob es fossil wäre.

"Dies zeigt, dass der gestrige Beschluss zwar ein langwieriges umstrittenes Rechtssetzungsverfahren abschließt, inhaltlich aber auf tönernen Füßen steht", kommentiert Stephan Schwarzer, Geschäftsführer der eFuel-Alliance Österreich. "Das Bauchweh mit der einäugigen Bewertung ist im Rechtstext selbst abzulesen, denn 2026 soll überprüft werden, ob mit klimaneutralen eFuels betriebene PKW nicht doch auch noch nach 2035 zugelassen werden sollen".

Viele Hersteller steigen deutlich früher auf E-Autos um

Ob diese Kritikpunkte an der Entscheidung noch etwas ändern können, wird sich 2026 bei einer neuerlichen Überprüfung des Verkaufsverbots zeigen. Bis dahin dürften die Lobbyisten beider Lager ordentlich etwas zu tun haben. Wobei die Chancen der Befürworter wohl besser stehen. Schließlich haben sich bereits zahlreiche große Hersteller dafür entschieden, in der EU bereits deutlich vor dem Jahr 2035 nur noch Elektroautos verkaufen zu wollen, entschieden. Wie die Pläne der einzelnen Marken genau aussehen, können Sie in diesem LEADERSNET-Artikel nachlesen.

www.oeamtc.at

www.efuel-alliance.at

www.vcoe.at

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