"Beim Skifahren prallen Welten aufeinander"

Julia Emma Weninger expressis verbis über Dynamic Pricing, die fehlende Öffentliche Hand und wie Skigebiete mit der Entwicklung umgehen könnten.

Skifahrer gegen Skifahrer und Auffassung gegen Auffassung. Beim Thema Wintersport gibt es derzeit sehr viele Reibungspunkte sowohl auf der Piste als auch beim Diskutieren.

Schwere Skiunfälle standen auch in den Weihnachtsferien an der Tagesordnung. Die aktuellen Zahlen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) verdeutlichen die Situation: Mehr als 25.600 Menschen verletzen sich jährlich bei Skiunfällen schwer, 5.800 Skifahrer werden pro Jahr in Salzburg verletzt, in Tirol sind es rund 5.400. Über 20 Prozent der Verunfallten sind zwischen 45 und 55 Jahre alt.

Häufig nicht richtig eingeschätzt, bringt gerade "die moderne Art des Skifahrens" große sicherheitstechnische Probleme. Mit den in den Neunzigerjahren als Antwort auf das Snowboard entwickelten Carvingski und den immer leistungsstärkeren Liftanlagen sind Geschwindigkeit und Anzahl der Abfahrten rasant gestiegen.

Gab es früher noch buckelige und vereiste Abfahrten, die Anfänger abschreckten und die das Tempo der Skifahrer von vorne herein reduzierten sowie Aufstiegshilfen wie den gemütlichen Schlepplift, die das Aufkommen auf der Piste in Zaum gehalten haben, lautet heute die Devise Pistenkilometer sammeln und carven bis der Arzt kommt. Ältere Wintersportler und Kinder haben am Berg sowieso nichts mehr zu suchen, scheint es.

Aber was tun gegen den um sich greifenden Raserwahn und die ausschweifende Liftoptimierung?

Wenn es schon kaum noch kleine Skigebiete gibt, wie beispielsweise die Skischaukel Gaißau Hintersee vor den Toren der Stadt Salzburg (LEADERSNET berichtete hier über das Schicksal des Traditionsskigebietes), in denen man noch unbekümmert Skifahren kann, mit weiten schnellen dem Gelände angepassten Schwüngen – und nicht aus Angst vor übermotivierten rasenden Nichtkönnern, meist von weitem schon erkennbar durch bunte Outfits, Rucksack und GoPro, am Pistenrand hinunterutschen muss - sollten die großen Gebiete wenigstens zum Nachdenken angeregt werden.

Apropos Gaißau: Kaum drei Monate sind vergangen, nachdem die Gaißauer Bergbahn GmbH in die Insolvenz geschickt wurde, nun startet am Landesgericht Salzburg das große Feilschen. Die erste Tagsatzung steht an: 33 Gläubiger und 1,9 Millionen Euro an Forderungen. Pikant: Ein Gläubiger hat bereits eine 1,2 Millionen Euro schwere Forderung für drohende Lift-Abtragungskosten angemeldet. Außer es taucht ein neuer Betreiber für das Skigebiet auf.

Hilfestellungen aus der Branche sind aber nicht so schnell zu erwarten, da jede Verbesserung für die Kleinen von dieser als kontraproduktiv für das eigene Geschäft eingeschätzt wird. 

Am dringenden Bedarf an einer Revitalisierung der sogenannten "Kleinen" besteht aber unter Experten kaum ein Zweifel, eine Lösung erscheint aber nur bei einem entsprechenden Engagement der Öffentlichen Hand in Sicht. Hier müsste wohl der Zündfunke für die Entfachung der Förderlust noch gefunden werden.

Die Suche nach neuen Zielsetzungen ist also angesagt und es erscheint höchst an der Zeit, dass die Mega-Skigebiete ihre (Sicherheits-)Konzepte an die Gegebenheiten anpassen. 

Längst überfällig erscheint die Etablierung einer Pistenpolizei, nicht nur, dass es endlich möglich sein müsste, die größten Gefahrenbringer aus dem Verkehr zu ziehen, müsste auch die Regelung des Ski-Verkehrsflusses an Engpässen und Gefahrenstellen ein selbstverständliches Prozedere werden. Dies ist zwar leicht gesagt, setzt aber umfassende Maßnahmen von der Rekrutierung und Ausbildung des Personals bis zur Überwachung der aktuellen Pistensituation voraus.

Aber schon gezielter Kartenverkauf könnte bereits Erleichterung schaffen. 

Lösungsansätze aus Nah und Fern

Bereits seit einigen Jahren weichen viele Skibegeisterte dem Pistenexzess aus. Skitouren erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Allerdings nehmen die Tourengeher immer mehr auch die Skipisten in Anspruch. Das führt stark zu Konflikten. In Mühlbach gibt es nun ein Drehkreuz, das Tourengeher für eine der Aufstiegspisten passieren müssen. Einlass gibt es nur bei Bezahlung einer Gebühr von 14 Euro.

Die Schweizer sind in manchen Bereichen bereits Wegbereiter. So wollen die Jungfraubahnen in den Skigebieten von Grindelwald und Wengen die Zahl der Ski- und Snowboardfahrenden begrenzen. Interessanterweise ist dieses Vorhaben aber nicht bloß in Erwägungen des Umweltschutzes begründet, sondern paradoxerweise auch eine Maßnahme des Marketings. Immerhin wird ein Gut umso wertvoller, je knapper es vorhanden ist. Die Limitierung soll den Skifahrern mehr Qualität bieten, der Genuss des Erlebnisses Skifahren soll den Gästen voll zugute kommen. Start der Maßnahme ist 2020/21.

Rauris ist das österreichweit erste Skigebiet, das dynamic pricing eingeführt hat. Allerdings in einem ganz anderen Sinne als die zukunftsorientierten Schweizer. "Wer früher bucht, der spart mehr", lautet die Devise in Salzburg.  Je früher man das Ticket kauft, und je weniger populär der Termin ist, desto billiger ist es. Die Verantwortlichen der Bergbahnen versprechen sich daraus eine Win-win-Situation. "Die Kunden bekommen günstigere Tickets, und wir haben eine höhere Auslastung“.

Großes Verbesserungspotenzial liegt im gewaltigen Pistenkilometerangebot brach. Die Top-Skigebiete bieten oft mehr als 200  Pistenkilometer an – das ist ein gewaltiges global wirksames Marketingargument, aber kein Wintersportler kann das auch wirklich konsumieren. Hier könnten die Bergbahnen selbst ganz einfach den Hebel ansetzen und mit einer Erweiterung des Tarifmodells neue Akzente setzen. Bei Inanspruchnahme nur eines Teils der Gesamtkilometer wird der Kartenpreis darauf abgestimmt. Man hätte mit einem Schlag sowohl kostengünstigere Tickets als auch weniger befahrene Pisten.

Natürlich gibt es hier eine psychologische Hemmschwelle zu überwinden: Der Prestige-Raser fühlt sich ja über Kosten erhaben und möchte keineswegs zugeben, dass auch ihm in seinem "Können" Grenzen gesetzt sind.

Schön-Skifahren

Können lautet das Stichwort: Auch die Skischulen erkennen zunehmend die Problematik gefährlich schlecht fahrender sich selbst überschätzender Wintersportler, die sich übermotiviert auf übervollen Pisten austoben. Man weiß jetzt, dass man durch viele Jahre nicht immer die richtigen Ziele im Unterricht gesetzt hat.

Heimische Skilehrer haben nun eine Linie gefunden, die unter dem Begriff "Genuss Skilauf" auf enge, kompakte und runde Skiführung setzt und eine sanfte Renaissance auf zwei Brettern einläutet.

Anmut und sportliche Eleganz am Berg: Ich bin dabei.

 


 

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Mag. Julia Emma Weninger

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