„Das Weibliche fehlt in den Unternehmen"

Businesscoach Kmenta im Interview über Emanzipation, Machtkämpfe und Ungleichberechtigung. 

Regina Kmenta ist seit 2002 als Trainerin und Business Coach tätig, wobei vor allem dem Führungskräftecoaching eine große Rolle zukommt. Stark nimmt sie sich des Themas Ungleichberechtigung an. Dabei geht es ihr vor allem darum, aufzuzeigen, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind und dass deshalb eine Gleichbehandlung nicht sinnvoll ist, weil nicht alle das Gleiche einbringen können. leadersnet hat mit Kmenta über Frauen im Management, weiblichen Erfolgsprinzipien und warum sich Frauen oft selbst diskriminieren, gesprochen. 

leadersnet: Wie viel Frau ist nötig, wie viel Mann darf heute noch sein?

Kmenta:  Meiner Meinung nach wäre sehr viel mehr Frau nötig – egal, ob in den Firmen oder in der Gesellschaft im Allgemeinen. Mein Ausbildner in der Transaktionsanalyse hat immer gesagt, dass das Weibliche in den Unternehmen fehlt. Das sehe ich auch so. Es gibt zwar mehr Frauen im Management als früher, aber das Weibliche hat leider noch immer in vielen Firmen nicht Einzug gehalten. Noch immer stehen die durchaus wichtigen Zahlen im Fokus, die Menschen jedoch, die diese Zahlen erwirtschaften müssen, werden vielfach übersehen. Was zu Demotivation und auch vielfach zum Burnout führt.

Dabei geht es ganz und gar nicht darum, dass es weniger Mann sein soll, sondern dass auch Frauen „sein“ dürfen. Meiner Ansicht nach sind hier beide Seiten wichtig. Es sollte in keinem Fall ein exklusives „Oder“, sondern definitiv ein inklusives „Und“ sein.

leadersnet:  Wann ist der Machtkampf „Emanzipation“ ausgefochten? 

Kmenta: Schon jetzt, wenn es nach mir geht. Es sollte überhaupt keinen Kampf geben. Es war vielleicht anfangs notwendig, für die Rechte der Frauen zu kämpfen, aber wenn wir weiter in dieser Kampfmetapher bleiben, kommt nur mehr desselben in die Welt. Damit ändert sich nichts. Nur weil Männer die Frauen unterdrückt haben, müssen das die Frauen jetzt nicht umgekehrt auch so tun. Es sollen beide Geschlechter gleichberechtigt – oder besser gesagt ungleichberechtigt – nebeneinander bestehen können. Jede und jeder mit ihren bzw. seinen Stärken und Schwächen. Ich glaube,  dass wir gemeinsam viel mehr weiterbringen können, als wenn wir uns in Geschlechtergrabenkämpfen verheddern.

leadersnet: Gemeinsam statt einsam, wie definieren Sie die DNA einer Frau?

Kmenta:  Die DNA einer Frau? Nun ja, auf die Gefahr hinauf, dass gleich wieder jemand aufschreit, weil man ein Stereotyp daraus machen könnte: Ich bin der Ansicht, dass Frauen mehr menschenorientiert sind. Sie sind für gewöhnlich risikoscheuer und kontakt- bzw. kommunikationsfreudiger. Meiner Meinung nach sind diese Eigenschaften in der Wirtschaft durchaus von großem Vorteil und würden eine sehr gute Ergänzung zu den männlichen Eigenschaften darstellen. Männer sind meist risikofreudiger und eher zahlenorientiert. Beides sind absolut wichtige Eigenschaften in der Wirtschaft, die durch die weiblichen Soft Skills optimal ergänzt würden.

Laut der Autorin Susan Pinker tendieren Frauen eher dazu, sich einen Job zu suchen, in dem sie etwas für andere tun können. Das Geld spiele dabei nicht so eine große Rolle. Pinker schreibt in ihrem Buch „Begabte Mädchen, schwierige Jungs“, dass viele Frauen die klassische Karriere gemacht haben, aber dann in einen Job gewechselt sind, in dem sie mehr für andere tun konnten – auch dann, wenn sie dadurch weniger verdient haben. Das stimmt mit meiner Wahrnehmung überein: Geld und Prestige sind den meisten Frauen nicht so wichtig wie das Gefühl hilfreich zu sein und andere unterstützen zu können.

leadersnet: Wofür steht ungleichberechtigt erfolgreich?

Kmenta: Ungleichberechtigung ist aus meiner Sicht der nächste Schritt. Die Gleichberechtigung war wichtig für uns Frauen. Sie hat uns einiges an Mitspracherechten und Freiheiten gebracht, aber jetzt sollten wir weitergehen. Gleichberechtigung suggeriert, dass wir alle die gleichen Fähigkeiten haben und das Gleiche leisten können und wollen. Aber so ist das nicht. Frauen haben einen anderen Fokus, sie haben andere Fähigkeiten, die sie auch zum Wohle aller einbringen können – und sollen. Es ist nicht zielführend,  Frauen wie Männer zu behandeln oder umgekehrt Männer wie Frauen. Wir sind nun mal nicht gleich. Und wenn wir diesem Umstand Respekt zollen, dann ergibt sich daraus logischerweise eine Ungleichberechtigung – im besten Sinne des Wortes.

Es gibt Ausbildungen für interkulturelles Management, in denen gelehrt wird, wie man sich in Kontakt mit anderen Kulturen verhält. Wir wissen, dass es in anderen Ländern andere Sitten gibt, aber wir gehen selbstverständlich davon aus, dass die Welt von Männern und Frauen die gleiche ist. Das ist sie definitiv nicht. Daher sollten wir uns auch in diesem Bereich um Verständigung bemühen und uns darüber klar werden, dass es eben Unterschiede gibt, die eine Ergänzung darstellen und kein Hindernis.

Dazu gehört auch, dass wir Frauen unsere eigenen Eigenschaften zu schätzen lernen. Ich habe oft das Gefühl, dass sich Frauen dafür genieren, anders zu ticken als Männer. Oder dass es zum Beispiel schlecht ist, wenn man menschenorientiert oder kommunikativer ist. Meist diskriminieren sich Frauen selbst mehr als Männer das tun. Warum weiß ich nicht. Möglicherweise hängt es damit zusammen, dass manche Frauen befürchten, in einer weiblichen Rolle nicht ihren Weg gehen zu können und sprichwörtlich wieder hinter den Herd zurück geschickt zu werden. Es ist an der Zeit, das zu überwinden. Und es wäre schön, wenn die weiblichen Eigenschaften endlich die gleiche Wertschätzung erfahren würden wie die männlichen.

leadersnet: Erfolg hat Kurven, was soll man sich darunter vorstellen?

Kmenta:  Damit will ich sagen, dass man auch als Frau erfolgreich sein kann, dass Erfolg also auch die Kurven einer Frau haben kann. Viele Frauen belegen mittlerweile schon hohe Positionen und es gibt immer mehr Frauen, die das auch schaffen, ohne ihre Weiblichkeit aufzugeben. Andererseits gibt es aber auch nach wie vor viele Frauen, bei denen ich das Gefühl habe, sie haben ihre Weiblichkeit abgelegt, um in einer männerdominierten Welt ihren Weg zu machen. Das ist schade, wenngleich auch verständlich ist, warum sie das tun. Hier gibt es noch viel zu tun. Unternehmen sollten umdenken und den weiblichen Eigenschaften mehr Platz einräumen. Frauen sollten sich nicht mehr dafür entschuldigen, dass sie Frauen sind. Sie sollten sich nicht verbiegen oder anders verhalten müssen, weil sie es sonst schwer haben. Was bringt es, eine Frauenquote zu haben und Frauen dadurch in Managementpositionen zu bringen, wenn sie dann erst recht zu agieren haben wie Männer? So hat niemand etwas gewonnen.  Hier müsste man ganzheitlicher denken; das wäre zum Wohl der Unternehmen, der Mitarbeiter und natürlich auch der Frauen.

leadersnet:  Wie kann der Begriff Erfolg neu definiert werden, damit er für Frau und Mann gleichermaßen gültig ist?

Kmenta:  Ich bin gerade dabei, die weiblichen Erfolgsprinzipien zu definieren und habe dazu auch schon viele Interviews mit sehr erfolgreichen Frauen geführt. Mehr dazu wird es in Kürze geben. Einen gemeinsamen Erfolgsbegriff für Frau und Mann kann es aus meiner Sicht nicht geben, weil Männer und Frauen eben unterschiedlich sind und auch Erfolg für sich ganz unterschiedlich definieren.
Frauen ist Geld und Prestige nicht so wichtig wie den meisten Männern. In meinen Interviews höre ich immer wieder, dass es erfolgreichen Frauen nicht um Macht geht, sondern um das Große und Ganze – darum, dass sie etwas bewirken können. Zum Wohle aller. Ich denke, dass Männer ihren Erfolg anders definieren. Das ist weder gut noch schlecht, sondern einfach nur anders. Und es darf und soll auch beide Sichtweisen geben. Dagegen gibt es nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Nur sollte beides gleichermaßen respektiert und wertgeschätzt werden. Dann hätten wir aus meiner Sicht bereits einen großen Schritt vorwärts getan.

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