Digital(k) – Das Ei des Kolumbus und die Macht des Unvorsehbaren

In ihrer monatlichen Kolumne, wirft Höllinger, GF BFI Wien, einen anderen, unerwarteten Blick auf aktuelle Fragen der Digitalisierung. Heute: Ein Plädoyer für (digitale) Visionen – und was wir von Kolumbus lernen können.

Wir sitzen im Flugzeug – Rückflug aus dem Silicon-Valley – der Kopf voller starker Eindrücke und noch mit dem inneren Sortieren beschäftigt. Die Gedanken treiben herum: Ein Transatlantikflug – wie das wohl früher war? 1492 – Kolumbus. Per Schiff. Unterwegs nach Indien – zumindest seiner Meinung nach. Und dann: Statt Indien, „die neue Welt“. Kolumbus als Held gefeiert, „seine“ Jahreszahl als Anfangsdatum der Neuzeit festgeschrieben. Eine Zeitenwende – was für ein Erfolg! Die Anekdote kennen Sie: man wirft Kolumbus vor, jeder hätte die Entdeckung machen können. Kolumbus bittet alle, ein Ei auf die Spitze zu stellen. Keiner schafft es. Außer Kolumbus, der es so fest auf die Spitze setzt, dass das Ei steht. Eine wundervolle Vorführung des Unterschiedes zwischen „könnte“ und „hat“ – Kolumbus, ein erfolgreicher Mann der Tat.

Ein Bekannter von mir spricht auch immer wieder von Kolumbus. Er erwähnt dabei nicht das sprichwörtliche „Ei“ und dessen Handhabung. Er erinnert vielmehr an den Umstand, dass Kolumbus eigentlich ein anderes Ziel hatte: Den Seeweg nach Indien in Westrichtung zu finden. Für damals eine großartige Vision, eine großartige Problemlösungsidee: „Machen wir uns das Leben leichter! Lösen wir das Problem des hochgefährlichen Seeweges nach Indien rund um das Kap der guten Hoffnung!“  Dieses Ziel hat Kolumbus nie erreicht – auch wenn er vor lauter Überzeugung, Indien erreicht zu haben, die Ureinwohner der entdeckten neuen Welt einfach „Indianer“ nannte – Kolumbus hat Indien nie erreicht, sein Ziel verfehlt, seine Vision nicht umgesetzt.

Was er erreicht hatte war dennoch ein historischer Erfolg! Einer, den man ihm neidete, wie die Ei-Geschichte zeigt. Es ist dieser Umstand, den mein Bekannter den „Kolumbus-Effekt“ nennt: Eine starke Vision, eine geniale Idee zur Lösung eines Problems – als Ziel gesetzt. Auf dem vermeintlichen Weg zu diesem Ziel etwas Großartiges entdecken – und auf völlig andere als die gedachte Art und Weise einen Erfolg generieren – das ist der Kolumbus-Effekt.

Die Kraft einer Vision

Der „Witz“ dabei: Es ist die überwältigende Kraft einer Vision, getragen durch einen Menschen, der sich seiner Sache sicher ist. Ein überzeugter Visionär, der seinen Visionen Taten folgen lässt. Einer, der durch seine Vision getrieben gemeinsam mit anderen in Bewegung kommt und unterwegs quasi „zufällig“ einen Erfolg einfährt. „Zufall“ – das ist es nur bezüglich des Inhalts. Dass sich überhaupt ein Erfolg einstellen kann, ist kein Zufall, sondern Folge der Entschlossenheit und des Sich-in-Bewegung-Setzens.

Wir haben im Silicon-Valley viel gehört über Entschlossenheit, Investition in Menschen und über „Serendipity“. Das ist kaum zu übersetzen. „Glücklicher Zufall“? – nicht wirklich. „Freudige Überraschung?“ – auch nicht. Am ehesten wohl „Kolumbus-Effekt“ – sich in Bewegung setzen, einer starken Vision folgend. Nicht unbedingt am gesetzten Ziel ankommen, aber dem Schicksal Raum geben, damit großartiges Unvorhergesehenes passieren kann – und so diesem Effekt eine Chance geben.

Es ist ein wenig wie die Idee vieler kleiner Schulbuben, irgendwann Feuerwehrmann zu werden. Die meisten werden es nie, aber es schafft im hier und jetzt den Antrieb für Einsatz, neue Ideen und Erfolge. Niemand käme auf die Idee, diesen Schulbuben wegen „mangelnder Zielerreichung“ das Taschengeld zu kürzen.

Was wir daraus für unsere heimische Wirtschaft und die allgegenwärtigen (digitalen) Innovationsherausforderungen lernen können: Starke Visionen, die Menschen in Bewegung bringen. Herausfordernde Ziele ansteuern und am Weg dorthin die Augen offen halten, ob nicht unterwegs „Serendipity“, der Kolumbus-Effekt, zuschlägt.

Sie haben spannende Themen zum Spannungsfeld der Digitalisierung, die Sie mit uns teilen möchten? Lassen Sie uns darüber diskutieren. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften unter geschaeftsfuehrung@bfi.wien.

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