Wien ist die Heimat zahlreicher historischer Gebäude und Kulturstätten, die bis heute das Stadtbild maßgeblich prägen. Eines der bekanntesten Gebäude ist die Wiener Staatsoper, in der zahlreiche Opern sowie Ballettaufführungen gezeigt werden und die jedes Jahr unter anderem dem Wiener Opernball als Austragungsort dient. Ähnlich wie das Burgtheater war das kulturelle Haus einst ein Hoftheater. Nach dem Ende der österreich-ungarischen Monarchie und mit der Gründung der Ersten Republik bekam sie schließlich die heute gebräuchliche Bezeichnung als Wiener Staatsoper.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1938 veränderte das Leben und die Kultur in Wien schließlich wieder dramatisch. Zahlreiche Künstler:innen und Mitarbeiter:innen, insbesondere jüdischer Herkunft, wurden verfolgt, ausgegrenzt und aus dem Haus entfernt. Die Zensur hielt Einzug und veränderte die kulturelle Identität der Wiener Staatsoper. Mit der Theatersperre ab Juni 1944 wurde der Vorstellungsbetrieb abermals eingeschränkt und das Gebäude in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs zerstört und im Anschluss wieder aufgebaut. Sodass sie am 5. November 1955 unter Karl Böhm mit Beethovens "Fidelio" feierlich wiedereröffnet wurde.
70 Jahre neue "Wiener Staatsoper"
Das Gebäude war bis auf die Hauptfassade, die Feststiege und das Schwindfoyer von Bombenangriffen gezeichnet. Heuer, 70 Jahre nach der Wiedereröffnung, wurde der Wiederaufbau, der auch als Symbol des Neubeginns der Zweiten Republik wahrgenommen wird, im Rahmen eines Festaktes gewürdigt. "Die Kultur war auch ein Teil des Gründungsmythos der Zweiten Republik. Maßgeblich dabei der Tag der Wiedereröffnung der Staatsoper damals im Jahre 1955", betont Alexander Van der Bellen.
Im Zuge der Feierlichkeit am Vormittag im Schwindfoyer der Wiener Staatsoper wurde nicht nur eine Gedenktafel für die am Haus tätigen Opfer des Nationalsozialismus enthüllt, sondern auch eine Ausstellung eröffnet, die sich mit der Zerstörung und dem Wiederaufbau befasst. Überdies wurde das begleitende Buch, welches ab 7. November 2025 erhältlich ist, präsentiert. Als musikalischen Beitrag des Festaktes gestalteten zudem Georg Nigl und ein Streichquintett des Orchesters der Wiener Staatsoper "Ernste Gesänge, 7. Epilog" von Hanns Eisler. "Dass dieses Land seine Geschichte kennt und die richtigen Lehren aus ihr zieht, für all dies steht auch die Tafel, die heute enthüllt wird. Mein Dank gilt dieser Initiative der Wiener Staatsoper, namentlich Herrn Direktor Bogdan Roščić, dass es diese Gedenktafel jetzt gibt, dass sie gut sichtbar außen an der Ringstraße hängt und nicht irgendwo und ab heute zeigt, dass das Haus auch diesen Teil seiner Geschichte nicht vergisst. Gedenken wir der Opfer und arbeiten wir an einer guten Zukunft", so der Bundespräsident.
Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus
Der Staatsoperndirektor Bogdan Roščić betonte wiederum in seiner Ansprache: "Es kennen viele von uns die unbelehrbare Hoffnung, dass die Kunst aus den damit beruflich beschäftigten Menschen doch bessere Menschen machen müsste. Wie falsch man damit liegen kann, hat leider auch die Geschichte der Staatsoper gezeigt." Er führt aus: "Heute ist eine umfassende Auseinandersetzung mit der Periode der Zerstörung und des Wiederaufbaus, mit dem Davor und Danach, nicht nur möglich, sondern selbstverständliche Pflicht. Und gerade auch deswegen ist der heutige Tag für uns hier am Haus so wichtig: Weil wir nicht nur unseren Geburtstag feiern, sondern auch einen Blick zurück werfen wollen und diesen durch nichts einengen lassen wolle."
Danielle Spera, Geschäftsführerin von Kultur. Medien. Judentum, ergänzt: "Heute – nur wenige Tage vor dem Jahrestag des Novemberpogroms – sind wir hier zusammengekommen, um jener Menschen zu gedenken, die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus der Wiener Staatsoper vertrieben wurden. Unmittelbar nach dem sogenannten Anschluss begann die systematische Ausgrenzung und Verfolgung von jüdischen Mitarbeiter:innen und politisch Unliebsamen. Es ist den Nationalsozialisten gelungen, diese Menschen auszulöschen. Wir sorgen dafür, dass die Erinnerung an sie lebendig bleibt. Gerade deshalb ist die Erinnerung so wichtig, daher bin ich für dieses Zeichen vor der Wiener Staatsoper, das so sichtbar ist und so gut in Erinnerung ruft, was hier passiert ist, dankbar."
Zeitzeugenberichte von Horst Paul und Peter Marbie finden Sie hier.
Unter den Gästen
Unter den Gästen waren Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bürgermeister Michael Ludwig, Doris Schmidauer (Frist Lady der Republik Österreich), Beate Meinl-Reisinger (Außenministerin), Vizekanzler Andreas Babler, Teresa Vogl (Moderatorin), Alexandra und Matthias Winkler (Eigentümer:innen Sacher Hotel), Alexander Pröll (Staatssekretär für Digitalisierung, Verfassung, öffentlichen Dienst, Koordinierung und Kampf gegen Antisemitismus), Werner Kogler (Grünen Politiker) sowie Clemens Unterreiner (Opernsänger) und viele mehr.
Zudem können Sie sich einen Eindruck vom Festakt mittels Galerie verschaffen.
www.wiener-staatsoper.at
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