Österreich erlebt derzeit die längste Wirtschaftsflaute seit fast acht Jahrzehnten. Besonders stark betroffen ist die exportorientierte Metallindustrie, die in den vergangenen Jahren mit Produktionsrückgängen und erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Infolgedessen gingen bereits zehntausende qualifizierte Industriearbeitsplätze verloren. Gleichzeitig stellt die anhaltend hohe Teuerung eine zusätzliche Belastung für die Beschäftigten dar. Vor diesem Hintergrund haben die Gewerkschaften PRO-GE und GPA gemeinsam mit der Metalltechnischen Industrie in den heurigen Kollektivvertragsverhandlungen für die rund 200.000 Arbeitnehmer:innen der Metallindustrie auf schnelle Gespräche und einen raschen Abschluss gedrängt.
Am Montag konnte nach wenigen Verhandlungsstunden eine Einigung erzielt werden. Der Metaller-KV nimmt eine bedeutende Rolle ein und ist oft wegweisend, weil er die Richtung für die Arbeitsbedingungen und die Lohnentwicklung in vielen anderen Wirtschaftsbereichen vorgibt.
Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie Einmalprämien
Mit 1. November 2025 treten in der Metallindustrie neue Kollektivvertragsregelungen in Kraft. Die kollektivvertraglichen Löhne und Gehälter sowie die Lehrlingseinkommen steigen um zwei Prozent, die Ist-Einkommen erhöhen sich um 1,41 Prozent. Auch die Zulagen werden um zwei Prozent angehoben, wobei die Zuschläge für Nachtarbeit und die dritte Schicht sogar um 7,54 Prozent steigen.
Darüber hinaus erhalten die Beschäftigten zwei Kaufkraftsicherungsprämien in einer Gesamthöhe von 1.000 Euro. Die Auszahlung erfolgt in zwei Tranchen von jeweils 500 Euro im Dezember 2025 und im Juli 2026. Lehrlinge bekommen einmalig 250 Euro. Alternativ kann die Prämie durch eine Betriebsvereinbarung in bis zu vier zusätzliche Freizeittage bei vollem Entgelt umgewandelt werden.
Ab 1. November 2026 folgt die nächste Anpassung. Die Kollektivvertragslöhne und -gehälter steigen dann um 2,1 Prozent, die Ist-Einkommen um 1,9 Prozent. Auch Lehrlingseinkommen und Zulagen werden um 2,1 Prozent erhöht. Die Zuschläge für Nachtarbeit und dritte Schicht steigen um 7,01 Prozent, zudem erhöhen sich die Aufwandsentschädigungen um 2,1 Prozent.
Lösungsorientierte Sozialpartnerschaft
"Es war wichtig, dass wir heuer einen vernünftigen und pragmatischen Abschluss vereinbaren konnten. Die lösungsorientierte Sozialpartnerschaft zeigt damit wieder ein Lebenszeichen. In den vergangenen Monaten haben wir in vielen Gesprächen mit der Gewerkschaft eine gemeinsame Sichtweise auf den dramatischen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen entwickelt. Mit dieser sozialpartnerschaftlichen Einigung geben wir den Beschäftigten und Unternehmen eine Perspektive für den Produktionsstandort Österreich. Der Abschluss läuft über zwei Jahre, besteht aus flexiblen Elementen und einer noch vertretbaren nachhaltigen Komponente. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung", sagte Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie.
Auch Markus Ritter, Verhandlungsleiter des Fachverbandes Bergbau/Stahl und Geschäftsführer der Stahl- und Walzwerk Marienhütte GmbH, ist von der Sozialpartnerschaft überzeugt: "Dieser Zweijahresabschluss zeigt, dass die Sozialpartnerschaft lebt und auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten tragfähige Ergebnisse ermöglicht. Wir haben eine Lösung gefunden, die den Beschäftigten verlässliche Einkommenssteigerungen bringt und gleichzeitig die Betriebe nicht überfordert. Gerade jetzt ist es entscheidend, gemeinsam den Produktionsstandort Österreich zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern."
Nulllohnrunden wurden verhindert
"Mit dem Krisenabschluss für zwei Jahre konnten wir Nulllohnrunden verhindern und die Kaufkraft der Beschäftigten sichern. Wir haben angesichts der dramatischen Situation gemeinsam mit unseren Sozialpartnern Verantwortung übernommen. Planbarkeit und Sicherheit für Beschäftigte sowie für Betriebe sind jetzt das Wichtigste, um Vertrauen für die Zukunft zu schaffen", sagen die beiden Chefverhandler, Reinhold Binder (PRO-GE) und Mario Ferrari (GPA) und ergänzen: "Es ist ein starkes Signal der Sozialpartnerschaft, in herausfordernden Zeiten rasch vernünftige Lösungen zu finden. Es ist ein Schulterschluss der Kollektivvertragspartner für den Standort Österreich und für gutbezahlte Industriearbeitsplätze."
Orientierung am Inflationsziel in der Eurozone
Der vereinbarte Anstieg der Löhne und Gehälter orientierte sich am Inflationsziel der Eurozone und soll zugleich ein Signal an andere Branchen sowie an die Bundesregierung senden. Ziel sei es, durch maßvolle Abschlüsse und eine aktive Wirtschaftspolitik die Teuerung wieder auf den europäischen Zielwert zurückzuführen. Christian Knill erklärte, die Orientierung der Lohnerhöhungen an der heimischen Inflation habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Lohnkosten im Vergleich zu den Mitbewerbern deutlich stärker gestiegen seien. "Dadurch sind die Produkte der Metalltechnischen Industrie aus österreichischer Produktion auf den Weltmärkten preislich nicht mehr wettbewerbsfähig. Unser Ziel war es, diese Entwicklung zu stoppen. Mit diesem Abschluss können wir den Unterschied zu den Mitbewerbern etwas glätten und den Betrieben in der Kalkulation etwas mehr Spielraum verschaffen. Nach einigen schwierigen Jahren konnten die Sozialpartner nun wieder ihre gemeinsame Lösungskompetenz unter Beweis stellen. Allein über den Kollektivvertrag werden wir die großen Probleme am Standort Österreich aber nicht lösen können. Dazu braucht es eine deutlich aktivere Standortpolitik, eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine konkrete Entlastung der Unternehmen von bürokratischem Aufwand", so Knill.
Stabilität und Planungssicherheit
Auch die Industriellen Vereinigung (IV) bewertet den raschen Kompromiss bei den KV-Verhandlungen positiv. "Die Verhandler:innen haben in einer schwierigen Situation rasch einen tragbaren Kompromiss erzielt, der die Herausforderungen der Unternehmen berücksichtigt und Planbarkeit schafft", so Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Die Anpassung der KV- und Ist-Löhne in den kommenden zwei Jahren, kombiniert mit Kaufkraftsicherungsprämien, soll laut Neumayer für Planungssicherheit sorgen. Gleichzeitig ermögliche die Option, Prämien in Freizeit umzuwandeln, eine flexible Gestaltung in den Betrieben. Für die Unternehmen stehe dabei klar im Vordergrund, Beschäftigung zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit in einem schwierigen Umfeld zu stärken. Neumayer erklärte, nur wenn Betriebe wirtschaftlich überlebensfähig blieben, könnten Arbeitsplätze langfristig erhalten werden. Der erzielte Abschluss schaffe dafür eine notwendige Grundlage.
Zugleich sehe die IV nun nachhaltige Entlastungen der Unternehmen als vorrangig an. Das beginne bei den Kosten für Arbeit und Energie und reiche bis hin zur Bürokratie. Vor allem neue bürokratische Belastungen, wie sie immer wieder diskutiert würden, seien strikt abzulehnen. Hier setze man auf die derzeit in Ausarbeitung befindliche Industriestrategie der Bundesregierung, betonte Neumayer.
Zukunftsfitter Wirtschaftsstandort
Für WKÖ-Präsident Harald Mahrer ist der KV-Abschluss "ein erster Puzzlestein, um die Preissteigerungen einzudämmen und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern und ergänzt: "Die heutige Einigung ist ein wichtiger Schritt, um die Teuerungsspirale zu durchbrechen und die Inflation langfristig zu senken. Gleichzeitig zeigen sich die Kollektivvertragspartner einmal mehr verantwortungsvoll und lösungsorientiert – gerade in schwierigen Zeiten." Dieses Ergebnis sei laut Mahrer ein Vorzeigebeispiel für zukünftige Verhandlungen.
Auch für WKÖ-Generalsekretär Jochen Danninger ist die Einigung ein wichtiges wirtschaftspolitisches Signal: "Der Abschluss mit Augenmaß zeigt, dass alle Seiten das große Ganze - nämlich sichere Arbeitsplätze und einen wettbewerbsfähigen Standort Österreich - im Blick haben. Denn gerade die exportorientierte Industrie ist ein wesentlicher Wohlstandsmotor für unser Land und braucht daher entsprechende Rahmenbedingungen. Die heutige Einigung trägt dazu maßgeblich bei."
www.metalltechnischeindustrie.at
www.iv.at
www.gpa.at
www.proge.at
www.wko.at
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