LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Ofner, Sie sind seit 2021 Präsident von Austrian Standards International. Immer wieder äußern Sie sich zum Thema Bildung im Zusammenhang mit Standardisierung. Warum ist das Thema Bildung im Zusammenhang mit Standardisierung für Sie so zentral?
Anton Ofner: Bildung und Standardisierung sind für mich untrennbar miteinander verbunden. Standards sind nicht nur technische Dokumente – sie sind komprimiertes Wissen, das in einem transparenten, partizipativen Prozess entsteht. Damit dieses Wissen seine volle Wirkung entfalten kann, muss es verstanden, angewendet und kann auch durchaus kritisch hinterfragt werden – das macht ja Standardisierung auch aus. Das gelingt einfacher, wenn Menschen frühzeitig lernen, wie Standards funktionieren, welchen Nutzen sie bringen und wie man sich selbst aktiv einbringen kann. Wir wollen daher Standards und wie diese entstehen, langfristig stärker in der Bildungslandschaft verankern – von der Sekundarstufe bis zur Hochschule.
LEADERSNET: Da Sie es eben angesprochen haben, dass auch kritisches Denken für die Standardisierung wichtig ist: Was macht den Standardisierungsprozess so besonders?
Ofner: Standardisierung ist ein demokratischer Prozess. Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung sowie andere Interessengruppen bringen ihre Expertise ein, diskutieren und entwickeln gemeinsam im Konsens Lösungen. Bei Austrian Standards koordinieren wir diesen Dialog und stellen sicher, dass alle relevanten Stakeholder berücksichtigt werden – transparent, unabhängig, international und europäisch vernetzt mit Organisationen wie ISO (International Organization for Standardization) oder CEN (Comité Européen de Normalisation).
LEADERSNET: Wie wichtig ist es für Österreich, Teil der internationalen Standardisierungslandschaft zu sein?
Ofner: Es ist äußerst wichtig, dass Österreich in der europäischen und internationalen Standardisierung aktiv mitwirkt. Schauen Sie sich etwa China an: Dort wird Standardisierung ganz gezielt als strategisches Instrument eingesetzt, um globalen Einfluss – insbesondere in Schlüsseltechnologien – zu gewinnen. So hat China z.B. eigene Studiengänge für Standardisierung eingeführt. Das Besondere an der Standardisierung ist: Nicht die Größe eines Landes entscheidet, sondern die Qualität und Relevanz der eingebrachten Expertise. Jede Stimme zählt gleich viel – und das eröffnet auch kleineren, exportorientierten Ländern wie Österreich enorme Gestaltungsmöglichkeiten. Nur wer in der internationalen Normung mitwirkt, kann seine Interessen wahren und globale wirtschaftliche Rahmenbedingungen mitgestalten.
LEADERSNET: Wo sehen Sie konkrete Chancen, Standards in der Ausbildung zu verankern?
Ofner: Ich sehe drei große Chancenfelder: erstens in der beruflichen Erstausbildung – ob HTL, Fachschule oder Lehre. Wenn junge Menschen schon in der Ausbildung erleben, wie Standards den Alltag in Technik, Bau, IT oder Umweltmanagement prägen, entwickeln sie automatisch ein Bewusstsein für Qualität, Sicherheit und internationale Anschlussfähigkeit.
Zweitens an Hochschulen. Hier braucht es ein flächendeckendes Bewusstsein für die Bedeutung von Standards – auch in nicht-technischen Studienrichtungen. Standards sind genauso relevant für Betriebswirtschaft, Gesundheitswesen oder Jus. Standards können hier als praxisnahe Ergänzung zur Theorie und Forschung dienen. Wer schon im Studium lernt, Standards gezielt einzusetzen oder sogar neue zu entwickeln, ist später in der Wirtschaft deutlich handlungssicherer.
Und drittens in der Weiterbildung und beim lebenslangen Lernen. Gerade in Zeiten von Digitalisierung und Nachhaltigkeitswende müssen sich Fachkräfte ständig auf neue Anforderungen einstellen – Standards bieten hier Orientierung und klare Rahmenbedingungen. So schaffen wir eine Generation, die Standards nicht als Pflichtlektüre, sondern als strategischen Werkzeugkoffer für Innovation, Sicherheit und Nachhaltigkeit begreift.
LEADERSNET: Gibt es dafür schon konkrete Initiativen?
Ofner: Wir arbeiten bereits intensiv mit Hochschulen zusammen – von Innsbruck bis Wien. An der FH St. Pölten und an der JKU Linz gibt es seit Jahren eigene Vorlesungen zur Standardisierung. Neben ausgewiesenen Expert:innen aus unserem Haus darf ich selbst z.B. am Juridicum in Wien den Studierenden die Welt der Standardisierung näherbringen. Wir organisieren gemeinsam mit dem Patentamt Webinare zu Patenten und Standards, führen Workshops mit Wissenstransferstellen durch und sind bei internationalen Netzwerken wie der UNECE-Initiative START-Ed aktiv. Und wir unterstützen derzeit die Organisation der EURAS-Konferenz 2026 in Graz – ein weiterer Meilenstein zur Sichtbarmachung von Bildung und Standardisierung.
In Projekten wie "Edu4Standards", die von der EU gefördert werden, verfolgen wir dieses Ziel, etwa durch Academic Standards Days oder Summer Schools in Kooperation mit Universitäten. Ein aktuelles Beispiel ist die Sommerschule der Universität Graz im September 2025. Gemeinsam mit unseren Partnern gestalten wir dort einen interaktiven Workshop zum Thema "Standardisierung unter Berücksichtigung Europäischer Werte und Interessen". Ebenso hervorzuheben ist der Universitätskurs "Mindful Leadership" an der TU Graz, wo ein Modul sich der Standardisierung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft widmen wird. Besonders freut mich, dass dieser Workshop als auch der Universitätskurs unter der Mitwirkung von Prof. Dr. Karl Grün stattfindet – einem der renommiertesten österreichischen Standardisierungsexperten. Er prägt seit vielen Jahren die Arbeit von Austrian Standards und setzt sich mit großem Engagement dafür ein, Standards und Bildung zusammenzuführen. Sein Wissen und seine Erfahrung sind ein unschätzbarer Beitrag, um die nächste Generation für die Bedeutung von Standards zu sensibilisieren.
Darüber hinaus prüfen wir gemeinsam mit Ministerien, wie sich Standardisierung in Curricula strategisch verankern lässt. Außerdem bieten wir Online-Zugänge zu Standards, Unterstützung beim Zitieren wissenschaftlicher Arbeiten und gestalten maßgeschneiderte Formate für Lehrende. Besonders freut mich auch, dass uns immer wieder Schulklassen und Studierende im House of Standards & Innovation in der Heinestraße besuchen kommen.
LEADERSNET: Abschließend gefragt: Warum sollte sich Österreich besonders stark im Bereich Bildung und Standardisierung engagieren?
Ofner: Standards stärken die Wettbewerbsfähigkeit, beschleunigen Innovationen und erleichtern den internationalen Marktzutritt. Sie sind Hebel für wissenschaftliche Exzellenz und wirtschaftlichen Erfolg. Wer Standards in die Bildung integriert, schafft ein Fundament für künftige Generationen – und sichert Österreichs Position in einer globalisierten Welt.
LEADERSNET: Vielen Dank für das Gespräch!
www.austrian-standards.at
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