Was einst als Nischenphänomen begann, ist heute ein Massenmarkt. Laut den Online-Marktforscher:innen von Marketagent kennen 96 Prozent der Österreicher:innen Temu, 81 Prozent Shein und 78 Prozent Wish. Mehr als jede zweite Person – genau 52 Prozent – hat bereits auf zumindest einer dieser Plattformen eingekauft. Besonders häufig (62 %) werden Kleidung und Schuhe bestellt. Haushaltsartikel folgen mit 41 Prozent.
Das sind die Gründe
Rund 27 Prozent der Nutzer:innen shoppen mindestens einmal im Monat bei einem Billig-Marktplatz, und 72 Prozent davon geben an, dies auch künftig machen zu wollen. Der Hauptgrund: die extrem niedrigen Preise. Für 85 Prozent wirken die Angebote sehr oder eher günstig, 76 Prozent nennen das Preisniveau sogar als wichtigsten Anreiz. Dass die Plattformen auch zum Spontankauf verleiten, zeigt sich deutlich: 68 Prozent der Konsument:innen berichten, bereits mehr gekauft zu haben als ursprünglich geplant – allein wegen der günstigen Konditionen.
Neben den günstigen Preisen verleiten aber etwa auch die große Auswahl (47 %), Rabatte und Aktionen (32 %) sowie einzigartige Produkte zum Kauf. Weitere Gründe sind niedrige Versandkosten (27 %), Bequemlichkeit (23 %), Retourenmöglichkeit (15 %), praktisches Mobile Shopping (14 %), gute Bewertungen (7 %), Empfehlungen von Bekannten (4 %), Empfehlungen von Influencern (2 %) sowie sonstige Gründe (7 %).
Der Preis als treibende Kraft
Doch das Einkaufsvergnügen ist nicht frei von Zwiespalt. Fast 39 Prozent der Nutzer:innen geben an, nach dem Kauf auf Temu, Shein oder ähnlichen Plattformen bereits ein schlechtes Gewissen gehabt zu haben. Der Grund dafür ist klar: 78 Prozent der Befragten stufen die Plattformen als nicht oder kaum nachhaltig ein. Auch in puncto Qualität herrscht Skepsis. Mit einem Durchschnittswert von 3,7 auf der Schulnotenskala liegt die wahrgenommene Produktqualität nur im unteren Mittelfeld. 57 Prozent empfinden die Ware generell als minderwertig.
Studienautorin Andrea Berger ordnet die Ergebnisse ein: "Was heute als Schnäppchen im Warenkorb landet, wird morgen zum Umweltproblem – denn Overconsumption ist der stille Preis des Billigbooms. Der schnelle Klick spart Geld, aber hinterlässt Spuren – im eigenen Konsumverhalten und in der Umwelt. Unsere Studie zeigt, wie stark der Spagat zwischen Preisbewusstsein und Verantwortungsgefühl geworden ist." Unter den Nicht-Nutzer:innen geben 60 Prozent an, den Produkten zu misstrauen, 46 Prozent lehnen die Plattformen grundsätzlich ab. Und 89 Prozent dieser Gruppe planen, auch in Zukunft eher nicht dort einzukaufen.
Zwischen Überzeugung und Realität
Trotz all dieser kritischen Einschätzungen erwartet die Mehrheit eine Fortsetzung des Trends: 80 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Nutzung der Plattformen weiter zunehmen wird. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen. 59 Prozent rechnen mit einem Anstieg des Müllaufkommens, 58 Prozent sehen eine Verstärkung der Wegwerfmentalität und ebenfalls 59 Prozent befürchten eine Schwächung der heimischen Wirtschaft. Die Versuchung durch niedrige Preise ist groß – auch wenn vielen Konsument:innen bewusst ist, dass dies langfristig auf Kosten von Umwelt und lokaler Vielfalt geht.
Der lokale Handel gerät unter Druck
Die Folgen des digitalen Schnäppchentrends sind bereits sichtbar. 62 Prozent der Österreicher:innen beobachten vermehrt leer stehende Geschäftslokale. Gleichzeitig bleibt die emotionale Bindung an klassische Einkaufsstraßen hoch: 80 Prozent würden sie vermissen, wenn es sie nicht mehr gäbe. Ein Großteil der Bevölkerung erkennt den Verlust urbaner Lebenskultur – und dennoch greifen viele lieber zum Smartphone als zum Einkaufssackerl. Immerhin 55 Prozent sehen ein niedrigeres Preisniveau im stationären Handel als mögliche Motivation, wieder öfter lokal einzukaufen. Ob das reicht, bleibt jedoch fraglich.
Marketagent-Gründer Thomas Schwabl bringt die Widersprüchlichkeit auf den Punkt: "Viele wissen um die Schattenseiten von Temu, Shein und Co. Sie sehen die wachsende Müllproblematik, kritisieren die Wegwerfmentalität und beobachten mit Sorge das zunehmende Ladensterben – und kaufen dennoch weiter auf Billig-Plattformen ein. Der Reiz des Einfachen, Schnellen und Günstigen ist groß – auch wenn wir wissen, dass es langfristig zu einem Verlust lokaler Vielfalt und urbaner Lebenskultur führt."
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