"Future of Health"-Studie
Transformation des Gesundheitswesens bedarf radikales Umdenken

| Janet Teplik 
| 01.06.2025

Laut einer Erhebung vollzieht sich der Wandel zum LIFECare-Ökosystem schneller als erwartet: Während frühere Prognosen von einer Umsetzung bis 2035 ausgingen, setzen zahlreiche Pharma-Führungskräfte diese vorzeitiger an. 

Die derzeit herausfordernden Zeiten stellen eine Vielzahl von Branchen vor neuen Aufgaben – so auch das Gesundheitswesen. Dieses befindet sich nämlich aktuell im Wandel und steht vor einer umfassenden Neuordnung. Die Transformation umfasst etwa das Ablegen der punktuellen Behandlung einzelner Erkrankungen und die Aufnahme einer kontinuierlichen Begleitung für ein gesundes Leben – und sie vollzieht sich scheinbar schneller als erwartet. Während nämlich frühere Prognosen von einer vollständigen Umsetzung zum LIFEcare-Österreich bis 2035 ausgingen, rechnet heute mehr als ein Drittel der Pharma-Führungskräfte mit einer Transformation bis 2030. Zu dieser Erkenntnis kam Strategy&, die globale Strategieberatung von PwC, im Rahmen ihrer durchgeführten "Future of Health"-Studie

Wachsende Bedeutung von Prävention

Eine weitere Erkenntnis der Erhebung betrifft die Konsument:innen, denn diese haben abgegeben, dass insbesondere die Prävention für sie immer wichtiger wird. Das zeigen auch die Zahlen: Schon heute investierten Verbraucher:innen in den drei befragten Kernmärkten Deutschland, Großbritannien und den USA im Median 210 Euro pro Monat in ihre Gesundheit. Wobei die USA mit durchschnittlich 307 Euro die Spitze anführen, gefolgt von Deutschland mit 225 Euro und Großbritannien mit 205 Euro. Und auch in Österreich greift man für die eigene Gesundheit inzwischen tief in die Tasche: 230 Euro sind hierzulande pro Monat für Gesundheitsausgaben errechnet worden. 

Zu den Ausgaben für die gesundheitliche Vorsorge zählen neben einer gesunden Ernährung und Sport auch Gesundheitstracker und Genanalysen. Laut Studie zeigt sich hier ein enormes Marktpotenzial. So wird dieses für präventionsorientierte Gesundheitsangebote in Europa und den USA auf rund 605 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Etwa die Hälfte davon entfällt mit 288 Milliarden Euro auf Europa. Deutschland (46 Mrd. Euro) und Großbritannien (54 Mrd. Euro) zählen dabei zu den größten Einzelmärkten. In Österreich wird wiederum ein Potenzial von 5,2 Milliarden Euro pro Jahr prognostiziert.

Digitale Technologien mit Wertschöpfungspotenzial

Im Zeitalter der Digitalisierung bleibt auch das Gesundheitswesen nicht vom technischen Fortschritt unberührt. Laut Erhebung identifizieren die befragten Führungskräfte die größten Wertschöpfungspotenziale im LIFEcare-Ökosystem in digitalen Technologien und der intelligenten Nutzung von Gesundheitsdaten. Wearables, KI-gestützte Diagnostik und datenbasierte Plattformen würden zunehmend personalisierte Diagnosen und maßgeschneiderte Therapien ermöglichen. Knapp 70 Prozent der befragten Verbraucher:innen haben zudem angegeben, bereits Zugang zu eigenen Gesundheitsdaten wie EKG zu haben. Rund 40 Prozent verfügen sogar über komplexe Daten wie Erbgutanalysen.

Doch das Vertrauen in die Technik muss erst noch aufgebaut werden, wie die Erhebung zeigt: Der Großteil der Befragten zeigte sich zögerlich, wenn es darum geht, diese Daten zu teilen. Unter den befragten Führungskräften geben zugleich 56 Prozent an, dass gesellschaftliche Offenheit gegenüber neuartigen Gesundheitsangeboten ein wichtiger Faktor auf dem Weg zum LIFEcare-Ökosystem sei. Als größte Hürde identifizieren sie wiederum regulatorische Vorgaben (51 %), die fehlende Unterstützung durch die Politik und Versicherer (43 %) und die aktuelle Struktur des Gesundheitssystems (39 %). 

"Im Gesundheitswesen blieb die große Disruption bislang aus – anders als etwa in der Telekommunikation mit dem Smartphone, im Einzelhandel mit großen Online-Anbietern oder im Bankwesen mit Fintechs. Ein deutlich verbessertes Verständnis der Humanbiologie sowie die Verfügbarkeit von Patientenprofilierungsdaten rücken diesen Moment nun aber in greifbare Nähe", so Thomas Solbach, Partner bei Strategy& Deutschland und Autor der Studie. "Die Konvergenz von Krankheitsvorsorge und Krankheitsbehandlung sowie der klare Trend Richtung Prävention sind die wesentlichen Treiber dieses Wandels", heißt es weiter. 

Zahlungsbereitschaft 

Zudem hebt Solbach hervor, dass für viele Menschen das Thema Vorsorge vor allem durch die Erfahrung der Covid-19-Pandemie sowie durch wachsende Angebote und eine höhere mediale Präsenz von Präventionslösungen oder Gesundheitscoachings in den Vordergrund gerückt ist. Demnach würden Verbraucher:innen immer mehr Wert auf die eigene Gesundheit legen und offen für neue Angebote sein. Erkennbar sei dies auch an der Zahlungsbereitschaft für Prävention, die in Deutschland und Österreich bei fast zehn Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens liegt. Laut Solbach gelte daher insbesondere für Pharmaunternehmen, "ihre Rolle im Ökosystem neu zu definieren, um einen aktiven und erweiterten Beitrag zu einer gesünderen Gesellschaft zu leisten, in der Krankheiten vorgebeugt wird, anstatt sie zu behandeln". 

Entwicklung von Therapeutika in Richtung Prävention

Pharmaunternehmen sollten also ihre Portfolios gezielt auf präventions- und gesundheitsorientierte Wachstumsfelder ausrichten und ausweiten, um im entstehenden LIFEcare-Ökosystem erfolgreich zu sein. Dazu gehört auch, bislang auf die Behandlung fokussierte Therapeutika in Richtung Vorbeugung weiterzuentwickeln. So sehen 55 Prozent der befragten Führungskräfte Potenzial für einen präventionsgetriebenen Ansatz bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Einschätzung teilen auch die Verbraucher:innen und nennen vor allem Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes als Bereiche, in denen sie die größten Gesundheitspotenziale durch Vorsorgemaßnahmen ausmachen. 

Im Bereich der Onkologie jedoch gehen die Vorstellungen auseinander: Während Führungskräfte Krebs weiterhin als eindeutiges Behandlungsfeld einstufen, glauben die befragten Verbraucher:innen hier an große Vorsorgepotenziale. Weiters zeigte sich im Rahmen der Umfrage, dass Enhancements herausstechen - 50 Prozent der Befragten schreiben diesen eine Bedeutung zu. Dabei handelt es sich um implantierte Tracker, bionische Prothesen oder Genmodifikationen. 

Potenziale einer mutigen Vision

Obwohl sich enormes Potenzial offenbart, sind viele Pharmaunternehmen noch nicht auf den disruptiven Wandel in Richtung LIFEcare-Ökosystem vorbereitet. Die befragten Führungskräfte identifizieren etwa verschiedene Lücken zwischen den heute verfügbaren Fähigkeiten und den künftigen Anforderungen an ihr Geschäftsmodell sowie der internen Aufstellung ihrer Organisation. Insbesondere im Bereich Daten und Digitalisierung seien laut 82 Prozent signifikante Lücken nachzuweisen. Als Fazit geht daher aus der Studie hervor, dass Unternehmen schnell und mutig neue Angebote entwickeln und ihre Prozesse effizienter gestalten müssen. Dabei können auch industrieübergreifende Kooperationen notwendig werden – etwa, um Innovationen wie smarte Sportbekleidung gemeinsam mit neuen Partnern voranzutreiben. 

"Am Beispiel von Alzheimer zeigt sich, welches Potenzial eine mutigere Vision entfalten kann", so Solbach. "Pharmaunternehmen konzentrieren sich aktuell vor allem auf die Verlangsamung des kognitiven Verfalls. Mit KI-gestützten Frühdiagnosen, gezielten Lifestyle-Interventionen und digitalen Therapeutika könnten sie jedoch entscheidend dazu beitragen, den Krankheitsausbruch hinauszuzögern und sich als führende Akteure für Gehirngesundheit und Longevity neu zu positionieren. Der Schlüssel zum Erfolg: Gesundheit nicht mehr nur als Krankheitsbehandlung zu verstehen, sondern als aktives, vernetztes Lebensmanagement."

Die vollständigen Ergebnisse der Studie erhalten Sie hier.

www.strategyand.pwc.com

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