LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Hattmannsdorfer, Sie wurden zu einer äußerst herausfordernden Zeit Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus. Bereitet Ihnen der Job dennoch Freude und haben Sie sich mittlerweile schon eingelebt?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Absolut – natürlich ist es eine intensive Zeit, aber ich bin mit viel Motivation und einem klaren Ziel angetreten: Den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken, Leistung wieder stärker zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die ersten Wochen waren geprägt von einem hohen Tempo – wir haben mit dem Mittelstandspaket bereits zentrale Maßnahmen auf den Weg gebracht.
LEADERSNET: Dem heimischen Wirtschaftsstandort geht es derzeit nicht gut. Zudem muss die Bundesregierung ein immenses Budgetloch stopfen, wozu auch alle Ministerien mit Einsparungen beitragen müssen. Wo sehen Sie Einsparmöglichkeiten in ihren Verantwortungsbereichen?
Hattmannsdorfer: Der heimische Wirtschaftsstandort steht vor großen Herausforderungen, und die Bundesregierung ist gefordert, das Budget zu konsolidieren. Im Wirtschaftsministerium wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen und das vorgegebene Einsparziel von 15 Prozent erfüllen. Parallel dazu evaluieren wir bestehende Förderungen – etwa wurde der Klimabonus abgeschafft und die Bildungskarenz neu ausgerichtet. Gleichzeitig setzen wir auf schlankere Verwaltungsstrukturen und effizientere Abläufe. Klar ist aber auch: Dort, wo wir eine echte Hebelwirkung haben – wie bei Innovation, Digitalisierung oder der Stärkung des Mittelstands – dürfen wir uns nicht kaputtsparen. Nur mit einer starken, wettbewerbsfähigen Wirtschaft lässt sich unser Wohlstand langfristig sichern.
LEADERSNET: Insgesamt bleibt wenig finanzieller Spielraum, um die Konjunktur zu beleben. Einige Erleichterungen wie die Abschaffung der Belegpflicht für Beträge unter 35 Euro oder der Entfall der NoVA für leichte Nutzfahrzeuge wurden ja bereits beschlossen. Doch allein damit wird man die heimische Wirtschaft wohl nicht in Schwung bringen. Viele Unternehmen klagen über (zu) hohe Energiekosten. Wie wollen Sie dem Entgegensteuern?
Hattmannsdorfer: Glauben Sie mir, könnte man die Energiepreise per Knopfdruck senken, ich würde es sofort tun, denn sie sind ein echter Bremsfaktor für viele heimische Betriebe und beeinträchtigen unsere Wettbewerbsfähigkeit massiv. In den letzten Jahren lautete das Motto oft: Klimaschutz um jeden Strompreis – das war ein Fehler. Wir brauchen jetzt eine Kurskorrektur in der Energiepolitik, die Preis, Versorgungssicherheit und Umweltschutz in Einklang bringt.
Dazu setzen wir auf ein mehrstufiges Maßnahmenpaket: Kurzfristig geht es um zwei zentrale Gesetze zur Preis-Stabilisierung und zum Ausbau der erneuerbaren Energie – inklusive eines Sozialtarifs. Mittelfristig müssen die Netztarife reformiert werden: flexibler, verursachergerechter und mit einem Fokus auf Spitzenkappung. Und langfristig geht es um Versorgungssicherheit durch Innovation – etwa durch Wasserstoff, Biogas und Biothermie. Ziel ist es, unabhängiger vom Ausland zu werden und gleichzeitig die Kosten für unsere Unternehmen spürbar zu senken.
LEADERSNET: Die Industrie klagt auch darüber, dass die Lohnstückkosten in Österreich aufgrund der hohen KV-Abschlüsse in den letzten drei Jahren dermaßen gestiegen seien, dass heimische Betriebe international nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Wie stehen Sie diesbezüglich zu Forderungen nach Nulllohnrunden?
Hattmannsdorfer: Die Lohnstückkosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen und stellen für viele heimische Betriebe eine Herausforderung im internationalen Wettbewerb dar. Was wir brauchen, ist eine ehrliche Debatte über die Gesamtstruktur: Wie entlasten wir die Unternehmen? Wie gestalten wir den Standort wettbewerbsfähiger? Eine Senkung der Lohnnebenkosten, sobald diese auch budgetär darstellbar sind, und weniger bürokratische Hürden sind aus meiner Sicht wichtige Schritte.
LEADERSNET: Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist die überbordende Bürokratie, für die auch diverse Vorgaben der Europäischen Union verantwortlich sind. Hierzulande gibt es mit Sepp Schellhorn einen eigenen Staatssekretär für Entbürokratisierung. Dieser ist aber nicht in Ihrem Ministerium angesiedelt. Klappt hier die Zusammenarbeit dennoch und welche konkreten Maßnahmen sind zum Bürokratieabbau geplant?
Hattmannsdorfer: Bürokratieabbau ist kein Nebenprojekt, sondern ein Standortfaktor. Die Zusammenarbeit mit Staatssekretär Schellhorn funktioniert gut – wir ziehen an einem Strang. Im Wirtschaftsministerium setzen wir mit einer eigenen SOKO Bürokratieabbau konkrete Schritte. National arbeiten wir an One-Stop-Shops für schnellere Verfahren, wollen Vorschriften um mindestens 25 Prozent reduzieren und die Verwaltung reduzieren. Auf EU-Ebene setze ich mich für praktikablere Regeln ein – etwa bei der Lieferketten-, Verpackungs- und Entwaldungsverordnung. Wenn es 70 Leute braucht, um einen Nachhaltigkeitsbericht zu schreiben, dann nehmen wir uns selbst aus dem Spiel. Das muss ein Ende haben. Bürokratie darf kein Wettbewerbsnachteil sein.
LEADERSNET: Um sich vom Ausland unabhängiger zu machen, spielen erneuerbare Energien eine wesentliche Rolle. Doch Genehmigungsverfahren dauern in Österreich besonders lang. Wie kann es hier zu einer Beschleunigung kommen, ohne die Grundrechte der Bürger:innen einzuschränken?
Hattmannsdorfer: Als Wirtschaftsminister bekenne ich mich klar zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Wenn wir beim Ausbau erneuerbarer Energien vorankommen und uns unabhängiger vom Ausland machen wollen, dürfen wir uns nicht länger selbst blockieren.
Dabei geht es nicht um mehr Effizienz: durch Digitalisierung, klare Zuständigkeiten und verbindliche Fristen. Entscheidungen müssen rascher fallen – ohne dabei an Sorgfalt oder Rechtsstaatlichkeit zu verlieren. Nur so gelingt der notwendige Ausbau und bleibt die Akzeptanz bei Bürger:innen erhalten.
LEADERSNET: In Ihrem Verantwortungsbereich fällt auch die ÖBAG. Wie finden Sie die aktuelle Arbeit der teilstaatlichen Holding und schweben Ihnen hier etwaige Änderungen vor?
Hattmannsdorfer: Die ÖBAG ist für mich ein strategisches Instrument zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Wir wollen sie künftig stärker nutzen, um Schlüsselbereiche wie Energie, Telekommunikation und Industrie gezielt weiterzuentwickeln. Dabei geht es nicht nur um Verwaltung, sondern um aktives Gestalten – mit klaren Zielen, transparenter Governance und dem Anspruch, in zukunftsrelevante Bereiche zu investieren und die Versorgung nachhaltig abzusichern.
LEADERSNET: Welche drei der im Interview erwähnten Maßnahmen zur Belebung des Wirtschaftsstandorts wollen Sie im ersten Jahr unbedingt umsetzen?
Hattmannsdorfer: Wir haben uns viel vorgenommen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern – neben dem erwähnten Mittelstandspaket – also der Abschaffung der Nova auf Klein-LKWs, der Abschaffung der Belegerteilungspflicht, die Erhöhung der Basispauschalierungen – die noch heuer umgesetzt werden, arbeiten wir ebenfalls an einer Industriestrategie. Langfristig braucht es jedenfalls die Senkung der Lohnnebenkosten, die gezielte Förderung von Innovation, Forschung und Schlüsseltechnologien. Damit bringen wir Österreich nachhaltig wieder auf die Überholspur.
LEADERSNET: Welche Schulnote von 1 bis 5 würden Sie dem Arbeitsklima in der Dreierkoalition bisher geben?
Hattmannsdorfer: Ich würde dem Arbeitsklima eine gute Note geben. Natürlich gibt es unterschiedliche Zugänge – das liegt in der Natur einer Dreierkoalition. Aber was jetzt zählt, ist, dass man gemeinsam Verantwortung übernimmt und Lösungen ermöglicht.
LEADERSNET: Noch ein kurzer Schwenk auf die globale Bühne. Im von US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochenen Zollstreit fordern Sie ein hartes und geschlossenes Vorgehen der Europäischen Union. Wie stehen Sie zur ersten Reaktion der EU und welche Gegenmaßnahmen halten Sie für unumgänglich, sollte es binnen der 90-Tage-Frist zu keinem adäquaten "Deal" kommen?
Hattmannsdorfer: Die EU muss sich nicht fürchten und kann selbstbewusst auftreten – wir sind der größte Binnenmarkt der Welt. Die erste Reaktion war richtig, jetzt braucht es Konsequenz. Sollte es binnen der 90 Tage zu keinem tragfähigen Deal kommen, müssen gezielte Gegenmaßnahmen folgen – etwa Strafzölle auf Produkte aus republikanischen US-Bundesstaaten, um dort wirtschaftlichen und damit politischen Druck aufzubauen. Auch Maßnahmen im Bereich der Tech-Giganten sind denkbar.
Unser Ziel bleibt klar: keine Eskalation, denn ein Handelskrieg kennt keine Gewinner. Wir brauchen faire Bedingungen für unsere Betriebe.
LEADERSNET: Abschließend: Welche Eindrücke haben Sie nach den ersten Wochen vom Ministerjob – haben Sie sich diesen einfacher/schwerer vorgestellt und wie kompatibel ist er mit ihrem Familienleben?
Hattmannsdorfer: Der Job als Minister ist fordernd, aber das war mir von Beginn an klar. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die Sinn stiftet und Gestaltung ermöglicht. Die Balance zwischen Wien und Oberösterreich erfordert Organisation – ich pendle unter der Woche und bin am Wochenende bei meiner Familie. Dafür braucht es Rückhalt, den ich glücklicherweise habe. Die Zeit mit meinen Kindern ist mir besonders wichtig.
LEADERSNET: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hattmannsdorfer.
Es wäre aber schon toll endlich mal mt dem Stromüberschuss Elektrolyse zu betreiben, um den grünen Wasserstoff-Anteil ein bisserl zu erhöhen. Die massiv negativen Strompreise deuten darauf hin, dass da derzeit kaum was passiert. Das wäre doch ein Betätigungsfeld.
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