Expert:innen Talk
Neues Regierungsprogramm: Was sich für Mieter:innen und Immobilienbesitzer:innen ändert

| Julia Weninger 
| 26.02.2025

LEADERSNET Immobilien hat die Expert:innen Martina Hirsch, Geschäftsführerin s REAL Immobilienvermittlung GmbH, Karina Schunker, Geschäftsführerin EHL Wohnen, Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer Remax, Sascha Haimovici, CEO Austria Sotheby's International Realty und geschäftsführender Gesellschafter von IMMOcontract, sowie die Rechtsanwälte Andreas Schwaighofer und Benedikt Suhsmann zu den Auswirkungen befragt. 

Die neue österreichische Bundesregierung hat ein umfassendes Regierungsprogramm vorgestellt, das zahlreiche Maßnahmen für den Immobilien- und Wohnsektor vorsieht. Ziel ist es, leistbares Wohnen zu fördern, die Baukonjunktur zu stärken, eine nachhaltige Bodenpolitik zu etablieren und den Sektor weiter zu dekarbonisieren. Doch was bedeuten diese Neuerungen konkret für die Immobilienbranche? LEADERSNET Immobilien hat führende Expert:innen der Branche befragt: Martina Hirsch, Geschäftsführerin der s REAL Immobilienvermittlung GmbH, Karina Schunker, Geschäftsführerin EHL Wohnen, Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer von Remax, Sascha Haimovici, CEO Austria Sotheby's International Realty und geschäftsführender Gesellschafter von IMMOcontract, sowie die Rechtsanwälte Andreas Schwaighofer und Benedikt Suhsmann geben ihre Einschätzung zu den geplanten Maßnahmen.

Inflationsbekämpfung und neue Mietregelungen

Eine der wesentlichsten Änderungen betrifft die Wertsicherung von Mieten. Ab 2028 soll ein neuer Index eingeführt werden, um extreme Mietsteigerungen zu vermeiden. Dieser soll eine Einschleifregelung enthalten, bei der ab drei Prozent Inflation die Mehrkosten zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen aufgeteilt werden. Damit soll verhindert werden, dass Mieten ungebremst mit dem Verbraucherpreisindex (VPI) steigen.

Martina Hirsch bewertet diese Maßnahme positiv: "Im Wissen, dass Kompromisse gefunden werden mussten und mit einigen offenen Fragen zur detaillierten Umsetzung, sind drei Punkte positiv zu bewerten: die Schaffung von Klarheit zur Wertsicherungsklausel, die Unterstützung notwendiger Sanierungsmaßnahmen durch eine Bonusregelung bei der Miethöhe sowie mögliche steuerliche Anreize für Immobilienbesitzer:innen und auch die Förderung von Eigentumserwerb junger Menschen, um den Vermögensaufbau zu fördern."

Zusätzlich wird die Indexierung von Altbau- und Genossenschaftsmieten im Jahr 2024 komplett ausgesetzt. 2026 dürfen maximal ein Prozent und 2027 maximal zwei Prozent der Inflation an die Mieter:innen weitergegeben werden. Zudem werden Mietverträge künftig nur noch mit einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren (statt bisher drei Jahren) abgeschlossen.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Sanierung und Dekarbonisierung von Wohnbauten. Hierfür wird eine Bonusregelung bei der Mietzinsbildung eingeführt: Gut sanierte Objekte sollen höhere Mieten erzielen können, während schlecht sanierte Gebäude mit niedrigeren Mietniveaus rechnen müssen. "Dem Thema Sanierung und Dekarbonisierung wird künftig große Bedeutung beikommen, die geplante Bonus-Regelung wird bei der Mietzinsbildung eine entscheidende Rolle spielen. IMMOcontract hat sich schon in der Vergangenheit mit der Thematik intensiv auseinandergesetzt und ist bestens gerüstet, ihre Kunden durch TurnGreen Analysen auf der Basis der ESG-Kriterien bei der passenden Maßnahmensetzung zu unterstützen", meint Sascha Haimovici, CEO Austria Sotheby's International Realty und geschäftsführender Gesellschafter von IMMOcontract.

Andreas Schwaighofer zeigt sich hier kritisch: "Angekündigt wird unter der Überschrift "Leistbares Wohnen“ kostentreibende Anforderungen zu reduzieren, Baustandards zu durchforsten und Bauverfahren zu vereinfachen. Anlass zur Besorgnis gibt das Kapitel 'Leistbare Mieten'. So soll ein neuer gedeckelter Index zur Valorisierung von Mieten geschaffen werden. Bezeichnend ist, dass mit keinem Wort die Nebenkosten angesprochen werden, die ja der wahre Preistreiber bei den Wohnkosten sind. Aber aus fremdem Leder ist halt leicht Riemen schneiden."

"Der Indexierungsstopp für Richtwertmieten ist ein schwerwiegender Eingriff in den Wohnungsmarkt und eine Herabwürdigung des wertvollen Altbaus in Wien", ist sich Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen GmbH, sicher. "Diese Maßnahme führt dazu, dass Eigentümer weniger in Erhalt und Modernisierung investieren, wodurch langfristig Wohnraum verfällt oder dem Markt entzogen wird. Anstatt leistbaren Wohnraum nachhaltig zu sichern, wird mit dieser populistischen Maßnahme eine rückschrittliche Entwicklung gefördert, die dem Wohnungsmarkt und den Mietern schadet", so Schunker. 

Im Regierungsprogramm wird auch die Erarbeitung eines Mustermietvertrages seitens des BM für Justiz angekündigt, merkt Rechtsanwalt Benedikt Suhsmann an.

Steuerliche Änderungen und Wohnbaukredite

Ein essenzieller Punkt betrifft die Grunderwerbsteuer. Bisher konnte diese durch sogenannte "Share Deals" auf 0,5 Prozent des Grundstückwertes reduziert werden, wenn nicht das Grundstück selbst, sondern die Gesellschaft, die das Grundstück besitzt, erworben wurde. Dieser Vorteil soll künftig wegfallen. "Ein sicherlich interessantes und ausgewogenes Vorhaben, vor allem zum Thema der Mietzinsbildung in saniertem/unsaniertem Altbau. Die Anpassung des Steuersatzes bei Share Deals war notwendig. Ob dadurch das Steueraufkommen aber signifikant steigen wird, ist aber fraglich", kommentiert Rechtsanwalt Benedikt Suhsmann von Grohs Hofer Rechtsanwälte.

Um Wohneigentum zu fördern, wird ein "bundeseinheitliches Wohnbaukreditprogramm für junge Menschen" geplant. Zudem soll die Abschaffung der Grunderwerbsteuer beim Erwerb des ersten Eigenheims geprüft werden. Bernhard Reikersdorfer sagt dazu: "Das neue Regierungsprogramm hat das Ziel, die Mietpreise zu stabilisieren, den Wohnungsbau und die Sanierung zu fördern und insbesondere den Erwerb von Wohnungseigentum zu erleichtern. Positiv hervorzuheben ist dabei das geplante bundeseinheitliche Wohnbaukreditprogramm für junge Menschen. Jetzt bleibt abzuwarten, wie schnell und in welcher Form dieses Programm tatsächlich umgesetzt wird und ob die geplanten Maßnahmen ausreichend sind."

Neue Regelungen zur Privatvermietung

Die Kurzzeitvermietung privater Unterkünfte wird strenger reguliert. Ein Onlineregister soll künftig alle touristischen Unterkünfte erfassen, um für mehr Transparenz zu sorgen. Zudem wird der Datenaustausch zwischen Behörden und Online-Plattformen intensiviert. In Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt sind verstärkte Kontrollen gegen illegale Privatvermietung geplant.

Während einige Maßnahmen Klarheit und Stabilität bringen könnten, bleiben viele Detailfragen offen. Vor allem die praktische Umsetzung und die tatsächlichen Auswirkungen auf den Immobilienmarkt müssen sich erst zeigen, blickt die Branche gespannt auf die kommenden Monate.

www.sreal.at

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