"KI hat das Potenzial zum echten Gamechanger"

International tätige Firmen sind beim globalen Handel mit vielen Zoll- und Exportkontrollvorschriften konfrontiert. In diesem Markt hat sich das Linzer Zollsoftware-Unternehmen MIC als weltweiter Marktführer etabliert. CCO Rainer Roll spricht mit LEADERSNET darüber, wie sich die weltweite wirtschaftliche Abkühlung auf MIC auswirkt, welche Herausforderungen auf den IT-Standort Österreich generell zukommen und welche Chancen, aber auch Risiken mit den rasanten Entwicklungen bei KI verbunden sind.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Roll, das wirtschaftliche Umfeld hat sich im Jahr 2023 deutlich abgekühlt. Hat das auch Auswirkungen auf ihr Unternehmen?

Rainer Roll: Die Erfahrung in den letzten 35 Jahren hat uns gezeigt, dass in schwierigen Zeiten die Unternehmen in die Automatisierung von Prozessen investieren. Zoll als ein zeitkritischer Prozess der Supply Chain gehört hier auch dazu. Zusätzlich wird die Nachfrage aufgrund steigender Handelsvolumina, komplexer globaler Logistikströme sowie zahlreichen gesetzlichen Änderungen – wie Sanktionen, Brexit, neue Freihandelsabkommen – weiter verstärkt. Wir erzielen kontinuierlich ein organisches Wachstum von rund 15 Prozent jährlich.

LEADERSNET: Wie sehen Sie die Entwicklungen bei MIC im nächsten Jahr?

Roll: Unser Geschäft ist permanent von sich ständig ändernden Regularien - beispielsweise Sanktionen oder EU Zollreform - begleitet. Zusätzlich steigen die Handelsvolumina kontinuierlich an - etwa durch eCommerce - und erfordern nicht nur bei großen globalen Konzernen, sondern auch immer öfter bei international agierenden mittelständischen Unternehmen IT gestützte Automatisierung von Zollprozessen. Wir sind also laufend gefordert, unsere Produkte gemäß den gesetzlichen Vorgaben anzupassen und technologische Innovationen voranzutreiben.

LEADERSNET: Welche Herausforderungen sehen Sie für den Standort Österreich in der sich aktuell sehr schnell wandelnden Digitalisierungswelt – vor allem auch in Hinblick auf das Thema KI?

Roll: KI kann einen wesentlichen Beitrag zur Produktivitätssteigerung leisten und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten und weiter ausbauen. Generell sehe ich bei KI mehr Chancen als Risiken, sofern das Potenzial der KI von Menschen richtig eingesetzt wird. Das Potenzial der KI könnte aufgrund der rasanten Entwicklung (Stichwort "Superintelligenz“) die Menschheit überfordern, jedoch eine zu starke Regulierung die Innovationskraft bremsen. Es muss sichergestellt sein, dass europäische Unternehmen nicht durch zu starke Regularien in diesem Bereich noch mehr ins Hintertreffen gelangen, somit Chancen liegengelassen und diese durch US oder chinesische IT-Riesen ergriffen werden. Die Herausforderung wird sein, auf globaler Ebene eine vernünftige Balance zwischen der Geschwindigkeit der Innovationskraft von KI und notwendigen Regularien zu finden. Ich hoffe, dass dies gelingt, denn dann hat KI das Potenzial, zu einem echten Gamechanger zu werden – ähnlich wie die Entwicklung des Internets.

LEADERSNET: Seit wann beschäftigen Sie sich bei MIC mit KI?

Roll: Wir haben bereits in 2020 ein für Data Science dediziertes Team etabliert, welches unter anderem von Absolvent:innen des JKU Masterstudiums "Artificial Intelligence" permanent ausgebaut wird. Dieses Team arbeitet intensiv an der Identifizierung sowie Umsetzung von Anwendungsfällen unter Einsatz von KI bzw. Machine Learning im Bereich Zoll- und Exportkontrollsoftwarelösungen und trägt so wesentlich zur Innovationskraft im Unternehmen bei.

LEADERSNET: Welchen Impact könnte KI auf Ihre Branche konkret haben?

Roll: MIC ist ein Anbieter von Zoll- und Exportkontrollsoftwarelösungen. Dabei unterstützen wir beispielsweise international tätige Unternehmen mit unseren Softwarelösungen für jedes einzelne ihrer Produkte die richtige Zolltarifnummer je Land zu bestimmen. Die Zolltarifnummer ist ein wesentlicher Teil der Handelsprozesse und der entscheidende Schlüsselfaktor für die Berechnung von Zollabgaben und der korrekten Anwendung von Freihandelsabkommen. Unter Einsatz von KI gestützten Co-Piloten können hier enorme Produktivitätssteigerungen erzielt werden. Kürzlich haben wir für einen der größten deutschen eCommerce Anbieter KI Modelle anhand von 650.000 Artikeln mit über 3,1 Millionen Produktbildern unter Einsatz von modernsten Techniken wie NLP (Natural Language Processing) in Kombination mit CV (Computer Vision) trainiert. Aber auch Chatbots, welche beispielsweise die Interaktion mit Zolltarifinhalten und Benutzern ermöglichen, um bei der Produkttarifierung in natürlicher Sprache zu helfen, sind bei MIC bereits in Pilotierung. Denkbar sind auch KI-gestützte Co-Piloten für Zollanmeldungen, welche mit der Bereitstellung von Vorschlägen und Anleitungen für verschiedene Felder bei der Abwicklung einer Zollanmeldung unterstützen.

LEADERSNET: Setzen Sie KI bereits selbst aktiv ein und wenn ja, wobei hilft sie Ihnen?

Roll: Ja, bei der Software-Entwicklung sehen wir durch den Einsatz von KI gestützten Co-Piloten enormes Potenzial in der Reduktion von Problemlösungszeiten und von repetitiven Tätigkeiten. Es werden sich durch den Einsatz von KI die Tätigkeitsfelder verändern, aber der Mensch wird weiterhin ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein.

www.mic-cust.com

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