"Den Leuten aufs Maul und nicht aufs Geldbörsl schauen"

| Redaktion 
| 01.08.2023

Johannes Gutmann, Gründer des Kräuter und Gewürzexperten Sonnentor, spricht im LEADERSNET-Interview über die Meilensteine der letzten 35 Jahre, den Megatrend Nachhaltigkeit und die "DNA der Produkte".

LEADERSNET: "Tee trinken und abwarten" war nie die Devise von Johannes Gutmann. Wie sind Sie auf den Tee gekommen?

Johannes Gutmann: Der Tee ist mir eigentlich in die Wiege gelegt worden, weil meine Eltern oft und gerne Tee getrunken haben. Am Bauernhof hat es einfach keinen Kaffee gegeben, so bin ich auf die Kräuter gekommen. Aber die fertigen Tees, die es damals gab, die haben ja nach nix geschmeckt. Deshalb habe ich die Kräuter vor der Haustür gesammelt und sie aufgegossen. Als ich die ersten Bio-Bäuer:innen kennengelernt habe, ist es erst richtig spannend geworden. Da habe ich gelernt, wie das Aroma des Feldes in die Tasse kommt und wie aromatisch und wohltuend Kräuter-Tee sein kann.

LEADERSNET: 35 Jahre Innovation und kein bisschen leise. Wie groß ist das Unternehmen heute und was waren die Meilensteine der letzten 35 Jahre?

Gutmann: Der erste Meilenstein war natürlich nach der Gründung das Vertrauen der Bauernfamilien zu gewinnen. Ich hatte ja nichts vorzuweisen. "Wir haben eh keine Zeit für die Vermarktung und recht viel bleda als vorher kann es auch nicht werden", meinten sie damals. Ihr Vertrauensvorschuss war ein großes Geschenk! Ich konnte bereits nach dem ersten Jahr von den eingenommenen Beträgen leben. Die Nachfrage war immer da und das ohne Druck. So ist es auch heute noch. Wir müssen keine Kräuter verkaufen – wir dürfen. Nur bin ich heute keine One-Man-Show mehr, sondern Sonnentor besteht aus einem großen Team mit vielen kreativen Köpfen und fleißigen Händen. In Summe sind das gemeinsam mit unseren Schwesterunternehmen in Tschechien und Rumänien bereits 500 Mitarbeitende, die alle zusammen die Zukunft von Sonnentor mitgestalten.

Über 300 von ihnen arbeiten direkt im Waldviertel. Der Erwerb des heutigen Firmensitzes in Sprögnitz war auch einer der größten Meilensteine. Dort durfte ich 1992 einen alten Bauernhof kaufen. Ich wollte immer in der Region bleiben, denn ich komm‘ aus einem Dorf gleich in der Nähe und habe gewusst: Es ist hier nicht nur gut leben, sondern auch gut wirtschaften. So bin ich meinen Wurzeln treu geblieben und es ist die vergangenen 35 Jahre immer aufgegangen.

LEADERSNETDer Megatrend Nachhaltigkeit ist in Ihrem Hause in der DNA Ihrer Produkte. Nachhaltiges Wirtschaften ist offensichtlich möglich. Welchen Tipp geben Sie Ihren produzierenden Industriekolleg:innen?

Gutmann: Ich traue mich da nie, einen Tipp zu geben. Ich kann nur aus meiner Erfahrung berichten. Wenn du aufpasst, woher deine Rohstoffe kommen und unter welchen Umständen sie gewonnen wurden, dann schaffe ich so auch ein mögliches Alleinstellungsmerkmal. Alle industriellen Rohstoffe werden irgendwo hergestellt und es gilt sorgsam mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Ich meine, dass sie umweltschonend und langfristig nachhaltig in einem funktionierendem Sozialsystem produziert werden. Das ist eigentlich die Grundvorausetzung fürs nachhaltige Wirtschaften. Ich kann nur dazu anregen, dass die Lieferkette von Beginn an im Fokus steht – also dass das ganze von Anfang bis Ende umweltfreundlich, menschenwürdig und sozial umsetzbar ist.

LEADERSNET35 Jahre Produktdiversifikation und Produktinnovation – was muss man heute tun, um erfolgreich zu sein?

Gutmann: Desselbe wie von Anfang an: den Leuten aufs Maul schauen statt ins Geldbörsl. Letzteres wird eh von allein gezückt, wenn sie das begeistert, was geboten wird. Das heißt es geht immer darum die Menschen abzuholen. Es muss nicht nur der Bedarf da sein, sondern auch einen Sinn erfüllen. Als ich die Übernahme des Bauernhofs ausschlug, meinte mein Vater: "Bua, essen tun die Menschen des ganze Leben lang." Das war für mich wegweisend – nur wollte ich a) anders, b) besser und c) cleverer als andere dabei sein. Diese ABC-Methode begleitet mich bis heute. Das Schöne daran: Es funktioniert!

LEADERSNETJohannes Gutmann, das schrille Testimonial für Sonnentor. Wie positionieren Sie sich in der Öffentlichkeit und für was stehen Sie als Privatperson?

Gutmann: Ich stehe als ganz normaler Familienvater und Unternehmer in der Gesellschaft. Ich mache oft für andere Platz und dränge mich ganz bestimmt nicht vor. Ich bin einer von vielen und freu mich, dass ich in Österreich geboren bin, dass ich hier meine Ideen umsetzen darf und hier meine Wurzeln habe. Es ist eigentlich die größte Gnade, am Bauernhof aufgewachsen zu sein. Von meinen Eltern habe ich wichtige Werte mit auf den Weg bekommen.

Als "Testimonial" stehe ich für Freude, dass man aus nix was machen kann, seinen Werten treu bleiben soll, an sich selbst glauben muss und dass dieses Selbstvertrauen immer trägt. Ebenso geht’s um die Zivilcourage. Du musst, wenn dir was nicht passt, es einfach anders machen als die anderen und auch aufzeigen. Nur andere zitieren und nicht selbst den Mund aufmachen ist zu wenig.

LEADERSNETEnvironmental Social Governance – kurz ESG ist längst zum Markenkern von Sonnentor geworden. Wie kam es dazu?

Gutmann: Ich habe nie anders gehandelt und es freut mich, dass ich am Anfang zwar verlacht war, aber jetzt nachgemacht werde. Dank der Gemeinwohlökonomie haben wir auch ein Werkzeug gefunden, mit dem wir unser nachhaltiges Engagement tatsächlich messbar machen können. Aktuell wird gerade die neue Bilanz erstellt. Im Herbst wird diese dann veröffentlicht und ist für alle einsehbar.

LEADERSNET: 35 Jahre und hocherfolgreich – wer waren und sind Ihre Wegbegleiter:innen, die dies mit Ihnen geschafft haben?

Gutmann: Zu Beginn waren es die Bauernfamilien. Da sind in der Zwischenzeit zwar viele dazugekommen, aber die Ursprungsbetriebe arbeiten genauso noch immer mit uns zusammen. Dann natürlich auch die Mitarbeitenden - da gibt es einige, die schon seit sehr langer Zeit den Weg von Sonnentor begleiten. Auch meine Frau Edith ist bereits seit 20 Jahren Teil der Sonnentor Familie und gestaltet seit dem ersten Tag aktiv mit. 

LEADERSNETDürfen wir uns auf die Zukunft freuen oder müssen diese mit Respekt erwarten?

Gutmann: Die Zukunft mit Respekt zu erwarten ist immer ein guter Rat, aber sie mit Demut zu gestalten ist eigentlich das Allerschönste – zum Beispiel in Gemeinschaften wie der Bewegung "Enkeltaugliches Österreich", die Sonnentor mitbegründet hat und nun handelt es sich bereits um die größte Bio-Bewegung Österreichs. 

www.sonnentor.com

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV