"Das Problem vieler Unternehmen liegt in der Entmündigung der Marketingabteilungen"

Norbert Mach im Interview mit LEADERSNET über seinen holistischen Ansatz in der Zusammenarbeit mit Unternehmen und "das notwendige Übel" Marketing.

Im digitalen Zeitalter anzukommen bedeutet weit mehr, als nur ein paar Tech-Gadgets anzuschaffen. Viele Prozesse und Umstrukturierungen wollen und müssen in Gang gesetzt werden – bei deren Umsetzung engagieren Unternehmen gerne einen Blick von Außen. Oftmals gehört dieser Scheuklappen-befreite Blick einer externen Agentur, LEADERSNET traf nun einen Mann, der sich allein als unabhängiger Berater in die Dienste und an die Seite von Unternehmen stellt.

Norbert Mach verriet im Exklusiv-Interview mit LEADERSNET, warum er sich nicht als Konkurrent von Agenturen sieht und von einer Welt träumt, in der wir mit Daten unabhängig mehr Kontrolle erhalten, bessere Entscheidungen treffen können und was es mit der "Entmündigung der Marketingabteilungen" auf sich hat.

LEADERSNET: Herr Mach, Sie sind ein erfahrener Marketing- und Digitalprofi und können mit unter 30 bereits auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. Was hat Sie dazu bewogen, das sichere Netz einer führenden Position in einer erfolgreichen Firma aufzugeben und sich selbstständig zu machen? Wie kamen sie dorthin, wo Sie heute stehen?

Mach: Ich bin jetzt schon über acht Jahre im Marketin gbereich tätig. Nach meinen Anfängen bei einem Finanzdienstleister, bei dem ich den Vertrieb im weitesten Sinne sowie dessen Medieneinkauf in Deutschland, Österreich und Ungarn mit verantwortete, zog es mich ins Agenturleben. Ich habe die Entwicklung einer der größten Performanceagenturen hier in Österreich direkt miterlebt und in leitender Position auch aktiv mitgetragen. Nach meinem Abgang habe ich mir Gedanken gemacht, was der nächste Schritt sein soll.

LEADERSNET: Was waren Ihre Gedanken zu dieser Zeit?

Mach: Ich habe im Anschluss viele Gespräche mit Branchenkollegen von Agentur-, Vermarkter- und Kundenseite geführt und der erkannt, dass es gewisse Needs auf dem Markt gibt, welche aktuell von niemanden oder wenigen erfüllt werden. Insbesondere die Beratung zur Implementierung von Marketing- und Daten-Technologie. Als Berater kann ich hierzu unabhängig auf den Kunden maßgeschneiderte Lösungen empfehlen. Somit baue ich rein auf jene Technologie, die meinen Kunden unterstützt, effizienter und effektiver zu werden und iihm mehr Kontrolle über seine Investitionen verschafft. Das war meine Motivation dahinter.

LEADERSNET: Was ist nun als selbstständiger Unternehmensberater in Sachen Digitales ihre Mission?

Mach: Ich wünsche mir eine Welt, in der Kunden selbstständig Daten und Informationen verwalten und dadurch mehr Kontrolle über Budgets und Investitionen erhalten, bessere Entscheidungen treffen und indirekt sogar den ganzen Markt positiv beeinflussen. Denn wenn wir es schaffen, die Opportunitäts- und Transaktionskosten, die durch diese enorme "Informationsassymetrie" – die in der ganzen Medienbranche vorherrscht – entstehen, zu überbrücken, würden alle, sogar die Endkonsumenten, davon profitieren. Das könnte nämlich dazu führen, dass die Marketingkosten in Summe fallen und dadurch auch der Marketinganteil der Produktkosten so weit fällt, dass am Ende entweder mehr Gewinn für das Unternehmen oder sogar günstigere Produkte für die Kunden herausschauen.

Norbert Mach © LEADERSNET / Katharina Schiffl

LEADERSNET: Wie schaffen Sie es, sich als junge Eigenmarke im teils sehr namhaften und etablierten Agenturdschungel der Konkurrenz zu beweisen – die Balance zu finden, Ihre eigene Brand möglichst gut zu vermarkten und dabei als Berater stets objektiv und nah am Kunden zu bleiben, dessen Interessen Sie ja in erster Linie vertreten?

Mach: Ich sehe mich in nicht als Konkurrenz zu Agenturen. Der Agenturfokus liegt klar auf der Medienberatung und ihrer Planung. Mein Fokus liegt in erster Linie darin, den Kunden ihre Entscheidungskraft wieder zurückzugeben, damit sie bessere und wohlüberlegtere Maßnahmen – unabhängig von der Agentur – setzen können. Tatsächlich hatte und habe ich Agenturen und Vermarkter, sowie andere entlang der Wertschöpfungskette im Marketing als Kunden und mache hier keinen Unterschied. Wenn eine Agentur auf mich zukommen und sagen würde, ich möchte meine Effizienz für meine Kunden steigern, dann helfe ich ihnen genauso bereitwillig wie einem Endkunden. Da ich mich vom Agenturgeschäft distanziere, entsteht somit auch kein Interessenskonflikt für Agenturkunden.

LEADERSNET: Können Sie erklären, wie Sie sich von Agenturen abgrenzen? Welche Methodik wenden Sie an?

Mach: Ich möchte dem Kunden ermöglichen, eine übergreifende Sichtweise von dem Problem zu bekommen. Ich helfe ihm dabei, sein Marketing auf einer Gesamtunternehmensebene so zu beleuchten und aufzustellen, dass er nicht aus der Perspektive des Medieneinkaufs, sondern auch aus Produktperspektive und Vertriebsperspektive sein Portfolio überdenken beziehungsweise optimieren kann. Media ist nur ein wichtiger Teil von Marketing, häufig scheitert es aber daran, dass der Advertiser eine falsche Zielgruppe definiert hat. Da können auch Agetnuren keine Wunder wirken, nur beraten und hoffen dass es nicht auf taube Ohren stoßt. Marktforschung kann hilfreich sein, jedoch können sie auch ein verstörtes Bild der Zielgruppe zeichnen. Durch den Big Data Hype haben Unternehmen zwar Zugriff auf ein Meer an Daten die sie zur Verfeinerung ihrer Zielgruppe benötigen, nur wissen sie nicht genau, wie sie aus dem das richtige herausziehen können.

LEADERSNET: Was ist der erste Schritt, wenn ein Unternehmen bei Ihnen um Hilfe anfragt? Eine Analyse der Gegebenheiten?

Mach: Ich verfolge einen holistischen Ansatz zur Analyse der Problemstellung. Ich möchte nicht nur einen Bereich berücksichtigen, da es in den seltensten Fällen an nur einer Sache scheitert. Man kann nicht pauschal eine Aussage treffen wie beispielsweise, dass die Mediaplanung falsch ist oder dass das Produkt zu hochpreisig ist. Das kann eine Kombination von diversen Faktoren sein. Hier stoßen Agenturen auch meistens an ihre Grenzen, denn oft ist in diesen Fällen immer nur eine einseitige "Media- Kreativ-, Digital-Perspektive" vorhanden und jene Faktoren, welche bei der Beurteilung maßgeblich sein können, laufen Gefahr, übersehen zu werden. Ich hatte unlängst einen Fall bei einem Start-up, das auf mich zugekommen ist und mich prüfen lassen wollte, woran die stagnierenden Wachstumszahlen trotz höherem Marketinginvestment lagen. Nach einer längeren Analyse sind wir zum Schluss gekommen, dass das Problem mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht am Marketing per se, sondern dem Pricing liegt. Durch die Überarbeitung der Pricingstruktur hat sich auch das Volumen entsprechend gesteigert. Dadurch ergibt sich eben auch die Fragestellung, wie beispielsweise mithilfe von verhaltensökonomischen Modellen eine Optimierung vorgenommen werden kann.

LEADERSNET: Wie kommt hierbei Marketing-Technologie ins Spiel?

Mach: Basierend auf den gesammelten Informationen können wir erfassen, was wir zur einmaligen oder laufenden Analyse der Problemstellung benötigen. Je nach Budget und Ziel erfolgt dann die Auswahl und Implementierung der geeigneten und notwendigen Systeme. Bei Kunden, die bereits wissen, wohin sie technologisch hinmöchten bzw. mit keinen akuten Herausforderungen kämpfen, kann der vorhergehende Schritt jedoch auch teilweise übersprungen werden. In diesen Fällen liegt der Fokus auf der Erfassung der potentiellen und bereits erfassten Unternehmensdaten und der Anforderung der Fachbereiche und des Managements. Die Beratung fokussiert sich hierbei fast ausschließlich auf Martech-Lösungen, deren Implementierung und Einführung.

LEADERSNET: Wie geht es weiter, sobald die Analyse und Empfehlung steht?

Mach: Das ist gänzlich davon abhängig was der Kunde will. Es gibt Situationen, da werde ich gebeten, das Implementierung der Maßnahmen und Tools zu begleiten, vor allem Fällen, bei denen wir gemeinsam mit der Marketingabteilung der Geschäftsführung die entsprechenden Maßnahmen präsentieren und argumentieren müssen. Das liegt häufig am Problem der Entmündigung der Marketingabteilungen. Dann gibt es wieder Situationen, in denen das Marketing das selbst in die Hand nimmt oder die Abstimmung direkt mit der Geschäftsführung oder dem Vorstand erfolgt.

Norbert Mach © LEADERSNET / Katharina Schiffl

LEADERSNET: Können Sie das genauer erklären, was meinen Sie mit "Entmündigung" der Marketingabteilung?

Mach: Dieses Phänomen können wir hier in Europa sehr oft beobachten: während im anglosächsischen Raum der Marketingbereich sehr viel Einfluss auf das Unternehmen und die Strategie vornehmen können, haben wir in Europa und somit auch Österreich das Problem, dass Marketing hier eher als ein notwendiges Übel behandelt wird. Sie haben wenig Mitsprachrecht in vielen Bereichen, selbst wenn es ihre Aufgabe wäre. Bedenken wir, dass ihre Mitwirkung dafür sorgt, dass das Unternehmen überhaupt läuft und Umsatz generiert, ist das ein wenig paradox. Genau deswegen entstehen dann Probleme. Und deswegen bitten mich auch viele Kunden, dass ich Sie dabei unterstütze, eine Argumentation zur Überzeugung der Geschäftsführung auszuarbeiten. De facto stehe ich hier also auch bei internen Pitch-Präsentationen zur Seite.

LEADERSNET: Sie haben kurz ein Case eines ihrer Kunden aus dem Start-up Bereich genannt. Start-ups sind aktuell ja sehr trendy und werden von vielen Stellen gefördert. Wie sieht ihre Arbeit mit Jungunternehmen aus?

Mach: Start-ups betreue ich selten und meisten pro bono, sofern die Mission und Vision passt. Sie sind im Betreuungsgeschäft jedoch ein bisschen anders. Es ist natürlich ein Unterschied ob man mit einem Konzern mit tausend und mehr Mitarbeitern oder einem Startup mit vielleicht zehn jungen Leuten arbeitet. Start-ups sind wesentlich offener für Änderungsvorschläge und stehen Strategieänderungen positiver gegenüber, sofern diese ihren Investoren gegenüber gut argumentiert werden können. Irgendwo gebietet es auch die Logik, dass sich zehn Leute einfacher adaptieren können als Unternehmen einer gewissen Größe. Bei letzterem wird es dann sehr viel komplexer, da auch die Unternehmenspolitik berücksichtigt werden muss. Dementsprechend laufen bei größeren Unternehmen auch viele politische Themen mit, die man berücksichtigen muss. In Kleinunternehmen kann man Änderungen und Änderungsvorschläge schneller durchdrücken und es kann dann auch eben wesentlich agiler gehandelt werden.

LEADERSNET: Arbeiten Sie mehr mit größeren oder kleineren Unternehmen zusammen?

Mach: Grundsätzlich liegt mein Fokus auf Mittelgroßen- und Großunternehmen, an sich gibt es da aber keine Limitierung. Es hat in erster Linie damit zu tun, dass gerade diese Unternehmen zum Bewältigen der Komplexität einen objektiven Blick von außen suchen um Maßnahmen durchzusetzen und eine strukturiertere Herangehensweise für die Problem- oder Aufgabenstellung benötigen. Bei kleineren Unternehmen ist hier die Notwendigkeit in den meisten Fällen nicht vorhanden, sie können es intern abdecken oder fehlt es einfach an Ressourcen. Effizienz bedingt Investitionen und das ist ein Thema welches budgetär häufig schwer zu argumentieren ist: wieso soll ich jetzt ein paar hunderttausend Euro in Softwaresysteme investieren, wenn ich nicht mit Sicherheit weiß, dass das mir auch etwas bringt. Und das ist immer diese Einstiegshürde welche auch bei großen Unternehmen zum Teil vorhanden ist.

LEADERSNET: Bedeutet das, dass oft auch das Wissen darüber nicht vorhanden ist, welche Möglichkeiten es gibt bzw. was möglich wäre?

Mach: Das ist durchaus ein Problem aber bei nicht nur kleinen Unternehmen, sondern auch bei großen Unternehmen. Wir haben in den letzten zehn Jahren einen exponentiellen Zuwachs an Marketingtechnologiesoftware gesehen, das Ausmaße aufgenommen hat, die unüberschaubar wurden und es auch kein Wunder ist, dass man da den Überblick da auch verlieren kann. In Wirklichkeit ist meine Empfehlung da immer, dass man sich überlegt, was würde man in einer idealen Welt, in der man alles über seine Kunden erfahren könnte, wissen wollen? Wie man das dann umsetzen kann, ist dann eigentlich eine Frage der Kombination von unterschiedlichen Systemen und einem gut durchdachten Konzept und natürlich im Rahmen des Datenschutzes.

LEADERSNET: Wie lange dauert es im Durchschnitt, bis Sie sich einen ersten professionellen Eindruck von einem Unternehmen gemacht haben?

Mach: Das ist sehr unterschiedlich und hängt natürlich vom Briefing ab. Je nach Unternehmensgröße sind das einige Wochen, bis man einen Überblick darüber bekommt, was die Anforderungen der unterschiedlichen Abteilungen sind und wie und was integriert werden muss, um die Ziele des Auftrags zu erfüllen. Die Umsetzung an sich ist dann fast sogar schon vernachlässigbar im Vergleich zu der initialen Analyse, da die Umsetzung meistens dann entweder durch externe Dienstleister, interner Politik oder durch fehlenden Ressourcen verzögert wird. Nach Assessment und Strukturierung ist das Projekt nahezu schon fast fertig. Das initiale Assessment aber kann, um etwas Konkreteres zu sagen, rund ein bis vier Wochen dauern, je nach Unternehmensgröße und Verfügbarkeit der Mitarbeiter.

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Norbert Mach © LEADERSNET / Katharina Schiffl

 

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