"Der Besitz eines Pkw steht für junge Menschen nicht mehr an erster Stelle"

Automobilimporteure-Chef Christian Pesau über die Zukunft der Mobilität, die Vienna Autoshow 2019 und die Leistungen der heimischen Automobilindustrie.

Christian Pesau leitet seit über zehn Jahren den Verband der Automobilimporteure in der Industriellenvereinigung. Grund genug für LEADERSNET, ihn anlässlich der Eröffnung der Vienna Autoshow 2019 zum Interview zu bitten.

LEADERSNET: Herr Pesau, Österreich startet traditionell mit der Vienna Autoshow als erste und wichtigste Messe der Branche ins neue Jahr. Der erneute Besucherrekord (153.224 Besucher gesamt 2018, Jahreszuwachs von 3.000 Gästen – Anm. d. Red.) vom Vorjahr scheint zu beweisen, dass auch beim Autokauf im Digitalen Zeitalter der Face-to-Face-Aspekt nicht zu unterschätzen ist. Wie schätzen Sie persönlich die Bedeutung der Messe für die Branche ein?

Pesau: Auf der Vienna Autoshow hat man vier Tage lang die einzigartige Möglichkeit, Autos von den verschiedensten Herstellern auf einer einzigen Location zu erleben. Das macht den Erfolg zu einem erheblichen Anteil aus. Der Kunde will das Auto sehen und vor allem auch spüren. Mit rund 150.000 Besuchern ist die Vienna Autoshow die größte Publikumsmesse Österreichs. Uns ist es natürlich sehr wichtig, jedes Jahr nicht nur eine große Markenvielfalt, sondern auch noch etwas Neues zu bieten. Heuer gelingt uns das beispielsweise mit der E-Mobility-Area und der SUV-Experience sowie mit einigen neuen Marken.

LEADERSNET: Der große Erfolg der Vienna Autoshow scheint im Widerspruch zu Trends wie Carsharing und veränderten Mobilitätskonzepten vor allem im urbanen Raum zu stehen. E-Scooter sind en vogue und vor allem junge Leute verzichten immer häufiger auf den klassischen fahrbaren Untersatz. Eine kurzlebige Erscheinung oder ein nachhaltiger Wandel?

Pesau: Die Mobilität befindet sich im Wandel, insbesondere wird sie vielfältiger. Der Besitz eines Pkw steht für junge Menschen nicht mehr an erster Stelle, das kommt dann aber dafür zu einem späteren Zeitpunkt. Dennoch ist der Autokauf nicht rückläufig, sondern im Gegenteil: 2018 war ein gutes Jahr, was die Neuzulassungen betrifft. Aber die Art, wie junge Generationen Mobilität wahrnehmen, ändert sich. Die Hersteller reagieren auf diese neuen Entwicklungen mit innovativen Fahrzeugkonzepten, wie bspw. Carsharing. Diese neuen Mobilitätsformen ersetzen aber meist kein Auto, so wird Carsharing häufig von jenen genutzt, die ansonsten gar nicht Auto fahren würden. Auch E-Scooter ersetzen eher kurze Strecken des Zufußgehens und keine Autofahrt.

LEADERSNET: E-Mobility ist nicht das Hot Topic der Stunde, sondern das der letzten Jahre. Nun gibt es auf der Vienna Autoshow 2019 erstmals eine eigene E-Mobility-Area. Wie aussagekräftig ist dieser neue Bereich für die Wichtigkeit von E-Mobility in Österreich?

Pesau: Natürlich ist die Elektromobilität eines der wesentlichen Zukunftsthemen. Vor allem in den kommenden Jahren wird eine Vielzahl an E-Autos auf den Markt kommen, die aufgrund ihrer Reichweiten durchaus alltagstauglich sind. Das liegt in erster Linie auch daran, dass die Hersteller strenge CO2-Flottenziele einhalten müssen. Die Wichtigkeit des Themas spiegelt sich auch auf der Vienna Autoshow wider. Nicht nur was die Produkte betrifft, sondern erstmals auch auf der E-Mobility-Area, wo man sich markenübergreifend über alle Themen rund um die Elektromobilität informieren kann, wie bspw. Laden, Förderungen und Infrastruktur.

LEADERSNET: Vertiefend zum Thema E-Mobility: die großen Hersteller messen sich aktuell in einer Art Wettrüsten was die Elektrifizierung ihrer Modelle betrifft. Wie lange denken Sie wird es dauern, bis E-Mobility oder eine andere Antriebsform gänzlich tonangebend sein wird?

Pesau: Vieles hängt davon ab, was politisch gewollt und unterstützt wird. Dennoch muss es auch von den Kunden angenommen werden. Die Hersteller erfüllen ihre Pflicht und bieten eine immer umfassendere Modellvielfalt im E-Mobility Bereich an. Um eine neue Technologie am Markt durchzusetzen, bedarf es aber meist eines öffentlichen Supports. Daher befürworten wir die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung sowie die Fortführung des E-Mobilitätsbonus, den die österreichischen Automobilimporteure gemeinsam mit dem Bund finanzieren. Geforscht wird aber auch an vielen anderen Ecken, bspw. bei synthetischen Kraftstoffen oder Erdgas. Derzeit kann niemand mit Sicherheit sagen, welche Antriebsart sich letztendlich langfristig durchsetzen wird. Ich denke, dass die Antriebsvielfalt in Zukunft jedenfalls größer wird.

LEADERSNET: Stichwort Automatisierung: Wir gewöhnen uns immer mehr an den Luxus immer weniger tun zu müssen – auch am Steuer. Man hört davon, dass das selbstfahrende Auto ohne Lenkrad nicht mehr weit sein kann. Ist dem so, und wenn ja, wie denken Sie würde ein völlig autonom fahrendes Auto in Österreich angenommen werden?

Pesau: Das selbstfahrende Auto ohne Lenkrad ist definitiv noch weit entfernt. Nicht, weil es technisch nicht möglich wäre, sondern, weil die Infrastruktur und die rechtlichen Rahmenbedingungen dazu erst geschaffen werden müssen. Grundsätzlich kommt das automatisierte Fahren stufenweise, wobei es nicht um das vollautonome Fahren per Se geht, sondern um unterstützende Fahrassistenzsysteme. Auch hier wird es 2019 Fortschritte geben: Die Novelle zum automatisierten Fahren erlaubt das Einparken – ohne, dass sich der Fahrer im Auto befinden muss, sondern nur in Sichtweite. Zudem soll der Autobahnpilot mit Spurhalteassistent erlaubt werden, der Lenker muss die Hände nicht mehr am Lenkrad haben.

LEADERSNET: In einer Roland Berger-Studie aus dem Vorjahr ergaben Erhebungen, dass die beiden wesentlichen Herausforderungen der Automobilbranche Disruption und Globalisierung heißen. Letztere bedingt die Verlagerung der Automobilproduktion schwerpunktmäßig nach Asien, welche Auswirkungen hat das auf den Produktionsstandort Österreich? Welche Maßnahmen müssen getroffen werden um sich zu behaupten?

Pesau: Diese Entwicklungen betreffen nicht nur Österreich, sondern zumindest ganz Europa. Die Batteriefertigungstechnik gilt als eines der größten Wachstumsfelder der kommenden Jahrzehnte. Viele Experten sind der Meinung, dass Europa den Vorsprung Asiens gerade bei der Batteriezellenproduktion nicht mehr wettmachen kann. Das stellt die Industrie in Europa natürlich vor Herausforderungen. Die Batterie ist das Herzstück eines Elektroautos, aber im Gegensatz zur Verbrennungsmotorentechnologie, die stark in Europa und vor allem auch Deutschland und Österreich verwurzelt ist, wird der Markt für Batterien zurzeit dominiert von asiatischen Unternehmen. Zudem verlassen die Hersteller im Bereich der immer wichtiger werdenden Digitalisierung ihren Kernkompetenzbereich und betreten neues Terrain. Sie müssen es nun mit großen IT-Konzernen als Konkurrenten aufnehmen. In beiden Fällen wird es immer wesentlicher werden, Kräfte zu bündeln, Kooperationen einzugehen und zu überlegen, welche Schnittstellen man künftig beherrschen möchte.

LEADERSNET: Technischer Fortschritt oder Emotion, was hat für Herr und Frau Österreicher beim Autokauf mehr Gewicht? Informiert man sich hauptsächlich online oder lieber direkt beim Händler? Und wie entscheiden Sie persönlich?

Pesau: Das Auto ist mit extrem viel Emotion verbunden. Aber da das Angebot immer breiter wird, ist die Information direkt beim Händler oder eben auf der Vienna Autoshow, wo man die Möglichkeit hat 40 Marken unter einem Dach zu besuchen, relevant. Die Kunden kommen zwar durch das Online-Angebot viel besser vorinformiert, der Kauf wird aber in der Regel beim Händler abgewickelt.

LEADERSNET: Die Automobilbranche ist ein wichtiger Antriebsfaktor für die heimische Wirtschaft. Aktuell ist sie zweitwichtigste Exportbranche Österreichs, wir sind Innovationsstandort. Denken Sie, dass die Österreicher eine besondere Beziehung zu ihren Autos pflegen? Und wie hat sich diese Beziehung durch neue Trends in der Branche geändert?

Pesau: Die Automobilbranche ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in Österreich und trägt dadurch massiv zur Wertschöpfung bei und sichert unseren Wohlstand und Lebensstandard. Immerhin erwirtschaftet der automotive Sektor jährlich rund 45 Milliarden Euro und sichert zudem 450.000 Arbeitsplätze. Nicht nur aufgrund der vielen Top-Unternehmen, auch durch den großen ländlichen Raum hat das Auto einen besonderen Stellenwert in Österreich. Der Pkw steht für Freiheit und Komfort, kaum jemand möchte darauf verzichten.

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