"Markenzentrierte Transformation ist mein Thema"

Vor einem Jahr sagte Kristin Hanusch-Linser den ÖBB nach sieben Jahren in der Führungsriege Adieu. LEADERSNET traf die Top-Leaderin zum Interview über ihren Status Quo.

Kristin Hanusch-Linser kann auf über zwei Jahrzehnte in Top-Managementpositionen im Medien- und Verlagsmanagement sowie bei den ÖBB zurückblicken. Vor gut einem Jahr hat sie ihren Abschied von den Bundesbahnen – wo sie zuerst sechs Jahre als Head of Marketing, Communications & Public Affairs sowie Konzernsprecherin fungierte und dann noch ein Jahr das Open Innovation Lab & Service Design Center verantwortete – bekannt gegeben. 

Danach folgte unmittelbar der Schritt in die Selbstständigkeit. Kristin Hanusch-Linser arbeitet mit Organisationen, Top-Executives und deren Teams als Executive Advisor an der "Agilisierung von wirksamen Lösungskompetenzen". Ihr besonderer Fokus auf "Transformation by brand" hat sich aus ihrer langjährigen operativen Praxis als Medien- und Kommunikationsmanagerin entwickelt. Was sich hinter dem Schlagwort "Transformation by brand" verbirgt, warum sie gerne mit "Über-den-Tellerrand-Blickern" zusammenarbeitet, warum sie nicht gerne von Change-Management-Prozessen spricht und was "Wicked Problems" sind, erzählt sie im Gespräch mit LEADERSNET.

LEADERSNET: Frau Hanusch-Linser, Ihr Name wird auch nach einem Jahr immer noch eng mit den ÖBB in Verbindung gebracht. Das liegt aber in der Vergangenheit, Sie haben sich neu ausgerichtet – die Wenigsten wissen, wohin genau. Wo steht die Kristin Hanusch-Linser von 2018?

Hanusch-Linser: Ich stehe tatsächlich genau dort, wo ich mich nach dem Verlassen der ÖBB positioniert habe. Offen gestanden habe bisher nicht wirklich den Drang verspürt, meine Veränderung groß zu kommunizieren, in der Auslage bin ich lange genug gestanden. Nach meinen sieben Jahre bei den ÖBB als Kommunikationschefin und zuletzt für den Aufbau des Innovation Labs verantwortlich, war irgendwie alles getan und erreicht, was zu tun und erreichen ich mir vorgenommen hatte. Ich bin ein Aufbau- und kein Routine-Mensch. Und nach 25 Jahren Top-Management häufen sich halt auch die Déjà-vu-Erlebnisse. Transformation ist mein Lebensmotiv und Thema, das mich in meiner ganzen Laufbahn getragen und begleitet hat: Es ging immer um das Management kommunikationsintensiver Transformationsprozesse.

LEADERSNET: Für ein Unternehmen gehen auch immense Ressourcen verloren, wenn jemand, der so lange mitarbeitet und gestaltet, dieses dann verlässt.

Hanusch-Linser: Ja, aber für mich war es das Richtige, weil es für mich nach sieben Jahren an der Zeit war, mich auch selbst mal wieder neu zu erfinden. Das ist eine Regel, die ich mein Leben lang befolgt habe: So alle sieben Jahre habe ich meine Weisheitsbotschaft "disrupt yourself" auch immer wieder an mir selbst exerziert. Ich kann nicht etwas verkaufen, was ich selbst nicht glaubhaft vorlebe und Wachstum entsteht eben nur dort, wo die eigene Komfortzone endet.

LEADERSNET: Womit beschäftigen Sie sich jetzt konkret?

Hanusch-Linser: Immer noch mit kommunikationsintensiven und markenzentrierten Transformationsprozessen. Ich habe das große Glück, dass ich sehr schnell sehr schöne Mandate und Kunden bekommen habe – und jetzt werdet ihr enttäuscht sein, aber ich rede nicht über meine Kunden. Vertraulichkeit ist ein Kommunikationsprinzip, das gerade auf Topmanagement-Ebene, auf der ich arbeite, auch mit Verlässlichkeit gleichzusetzen ist. Was ich sagen kann, ist, dass es immer um diese "Wicked Problems" geht. Diese harten Nüsse, bei denen wir mit den gewohnten Strategien jenseits des Alltagsgeschäfts nicht weiterkommen oder feststecken. Also wenn die klassische Entscheidungsfindungsmaschinerie "da die Fakten, hier das Problem und dort die Lösung" nicht mehr funktioniert.

LEADERSNET: Das heißt Sie sind eigentlich auf Management-Consulting spezialisiert?

Hanusch-Linser: Ich nenne mich Executive Advisor, das passt am besten. Ich habe meine eigene GmbH und ein hochwertiges Netzwerk, ich arbeite nicht ganz alleine, sondern die Diagnose, die Problemlösungs- und Vernetzungskompetenz liegt bei mir, und das darauffolgende Abarbeiten und Umsetzen der Lösung mache ich mit Netzwerkpartnern.

Kristin Hanusch-Linser © Sabine Hauswirth

LEADERSNET: Wer sind denn Ihre Partner?

Hanusch-Linser: Das sind auch immer Menschen, die wie ich "Out of the Box" denken und in der Lage sind, ein Problem von der ganz anderen Seite zu betrachten. Ich arbeite eben gerne mit "Über-den-Tellerrand-Blickern". Ich beschäftige mich auch intensiv mit Fragen der Digitalisierung und ihren Folgen auf die Organisation und auf neue Leadership-Konzepte. Da tausche ich mich zum Beispiel gerne mit Roland Deiser in Amerika aus. Er hat ein weltweites Netzwerk von Organisationsentwicklern und Top-Managern aufgebaut, die sich sehr zugespitzt mit der Zukunft der Organisation und Leadership befassen. Ich denke eben nicht nur in Netzwerken, ich arbeite auch vernetzt. Daran glaube ich und bin davon überzeugt, dass Vernetzung die Währung der Zukunft ist: Wenn man heute von agiler Unternehmensführung, Agile-Leadership spricht, ist das nur ein neues Wort für eine uralte menschliche Kompetenz: kollaborieren und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Agile Leadership, das ist auch mein zweiter Schwerpunkt. Hier stehe ich für agilen Pragmatismus statt Aktionismus. Denn solange wir im klassischen Top-Down-Denken und Command & Control-Mustern verhaftet sind, werden auch die agilsten Methoden nichts bewirken.

LEADERSNET: Sprich Change-Management-Prozesse ...

Hanusch-Linser: Ich spreche nicht gern von Change-Management-Prozessen. Und zwar deshalb nicht, weil "Change" ein lineares Bild von Alt zu Neu zeichnet. Heute ist A, wir wollen aber nach B und wissen schon, was bei B herauskommen soll, dann wird ein Prozess definiert, der der Weg in Projektschritte eingeteilt und das Ziel eisern verfolgt. Das Problem dabei ist nur, dass man vor lauter Prozesshörigkeit das eigentliche Ziel vergisst. Am Ende war der Prozess perfekt, nur das Ziel passt nicht mehr und wir fangen von vorne wieder an. Was aber wäre, wenn das eigentliche Ziel etwas ist, was man vorher gar nicht gesucht hat?

LEADERSNET: Wie würden Sie es dann bezeichnen?

Hanusch-Linser: Ich spreche von Transformation und zwar von Transformation als Haltung. Es geht darum, den Wandel als Dauerzustand zu verstehen, und jene Kompetenzen aufzubauen, um mit sehr kurzfristigen Veränderungen und Zielanpassungen umgehen zu können. Also Kompetenzen für das Unvorhersehbare zu entwickeln. Das stabile Element kann hier eine intakte und sinnstiftende Marke sein. Was jedenfalls nicht funktioniert ist die akute "Agilisierung" der Organisation durch Methodeninterventionen "wir müssen jetzt Scrum einführen", ein "Innovation-Lab aufbauen" usw. Das können maximal erfrischende Impulse sein, versperrt aber oft den Blick für das Bewährte, für die Stärken, die schon da sind. Worum es nämlich wirklich geht, ist das Tempo zu erhöhen. Und das ist nicht gleichzusetzen mit Beschleunigung, sondern vielmehr mit Abbau von internen Hindernissen, schwerfälligen Prozessen und Beharrungskräften. Dafür ist Agilisierung ein effektiver Impuls zur Selbstorganisationsfähigkeit und Selbstverantwortung im Wandel. Das war auch das Geheimnis des ÖBB-Innovation Labs: crossfunktionale Kooperation, ein Netzwerk der schlauen Köpfe als Innovationsbeschleuniger.

LEADERSNET: Ist das aus Ihrer Sicht vor allem auch ein gesellschaftlicher Wandel, der da einhergeht und nicht nur Unternehmen betrifft?

Hanusch-Linser: Absolut. Und das aus vielerlei Hinsicht – die Treiber der Agilität sind ja ganz klar die Globalisierung, VUCA Welt, Kundenzentrierung, Servitization – vom Produkt zum Service, Generationenwechsel, Wandel von Führung, Entscheidungen unter Druck, permanente Anpassung und klassische Organisationen in der Krise. Digitalisierung verstärkt diesen Wandel, hat aber auch mitgestaltende Kraft: neue dezentrale Arbeitswelten, Automatisierung und Standardisierung von niederschwelligen Tätigkeiten. Das wird es auch brauchen, wenn die Babyboomer-Generation, samt ihren Kompetenzen, innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre ziemlich schlagartig in Pension gehen wird.

Kristin Hanusch-Linser © Sabine Hauswirth

LEADERSNET: Viele Unternehmen beklagen sich, dass sie keine geeigneten Mitarbeiter finden. Wie kann das geändert werden?

Hanusch-Linser: Employer Branding ist das Stichwort. Was Unternehmen jetzt wirklich beschäftigt, ist ihre Position als attraktive Brand am Markt zu finden – nicht nur der Kunden, des Mitbewerbs wegen, sondern vor allem, um Talente zu gewinnen und zu halten. Ich berate Unternehmen genau in diesem Bereich, wo sie vor einer Vielfalt von Teilproblemen stehen und Parallellösungen ansteuern: Digitalisierung vorantreiben, Employer Branding machen, dann Recruiting, jetzt "New Ways of Working" und agiler müssen wir auch werden. Hier eine ganzheitliche Perspektive zu finden, ein Narrativ zu entwickeln, bei dem die Menschen mitgehen und sich als mitgestaltender Teil des Ganzen fühlen, das ist mein Hauptthema, simpel zusammengefasst "Transformation by Brand". Mein Leitspruch ist "Reframe the Problem and frame the Solution". Also den Rahmen zu "verrücken", um das Problem aus einer anderen Perspektive zu sehen. Dabei entdecken, was in der Box noch so alles so drin ist. Den Blick freimachen für Lösungen, die auch oft inside-the-box sind, die nur nicht gesehen werden. Und die Lösung zu kommunizieren und kommunizierbar zu machen.

LEADERSNET: Würden Sie das als Ihren USP bezeichnen?

Hanusch-Linser: Ja, das ist eine Nische, es ist vor allem auch das, was ich immer als Managerin gemacht habe. Der Unterschied ist nur, die letzten 30 Jahre habe ich es immer in Führungsfunktion gemacht, jetzt mache ich es mit und für Menschen in Führungsfunktion.

LEADERSNET: Sie haben die Digitalisierung als eines Ihrer Hauptthemen erwähnt. Welche Schritte setzen Sie hier konkret?

Hanusch-Linser: Unternehmen digitalisieren ihre Arbeitsprozesse, weil sie sich mehr Effizienz versprechen. Der Benefit auf der Prozessebene ist klar: einfacher, schneller und sicherer. Was aber macht die Digitalisierung mit uns Menschen? Was bedeutet sie für die Kunden und nicht zuletzt für die Mitarbeiter? Wie geht es unserem analogen Hirn mit der digitalen Dauerbefeuerung? Wie nutzen wir die Freiräume, die die durch Digitalisierung hervorgerufene Rationalisierung schafft, wie die Ressourcen? Es fallen Arbeitsplätze und Prozesszwischenebenen weg, trotzdem werden neue Kompetenzen gebraucht, weil der Computer eben nicht alles macht. Meine These ist, dass das Analoge immer wichtiger wird, je mehr wir digital abfangen. Und das ist doch eine sehr chancenreiche Perspektive.

www.hanusch-linser.at

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