„Wir sind als Mobilitätsanbieter gekommen, um zu bleiben“

ÖAMTC-Direktor Oliver Schmerold im großen LEADERSNET-Interview über den Schritt ins eScooter-Sharing-Business, politisch gewollte Staus und Mobilitäts-Visionen für Österreichs Zukunft.

LEADERSNET: Die E-Sccoter von ÖAMTC easy way rollen seit zwei Wochen durch Wien und Graz. Gibt es ein erstes Resümee?

Oliver Schmerold: Wir sind sehr zufrieden damit, wie das Angebot bis jetzt angenommen wird. Über 4.000 Personen haben unsere App runtergeladen und rund 1.000 sind bereits mit unseren eScootern unterwegs gewesen. Einen zusätzlichen Schub erwarten wir uns noch, wenn die Unis wieder starten.

LEADERSNET: Was sind mittel- bzw. langfristige Ziele? Soll der Service auf andere Städte ausgeweitet werden?

Oliver Schmerold: Mit ÖAMTC easy way wollen wir zeigen, dass urbane Mobilität sehr vielfältig ist. Unser Ziel ist es, damit eine Bereicherung für den Mobilitätsmix von Wien und Graz zu bieten. Wir konzentrieren uns jetzt voll auf diese beiden Städte und werden nach den ersten Saisonen prüfen, ob eine Ausweitung auf andere Städte sinnvoll ist.

LEADERSNET: Der ÖAMTC wird mit easy way erstmals Mobilitätsanbieter. Sehen Sie das als Gastspiel oder als Schritt in eine neue Angebotswelt? Könnte etwa Car-Sharing folgen?

Oliver Schmerold: Wie Sie richtig sagen, ist das für uns ein ganz neues Terrain. Wir haben uns diesen Schritt sehr gut überlegt, viel investiert und sind definitiv gekommen, um zu bleiben. Wir haben uns auch bewusst für eScooter-Sharing entschieden, weil wir gesehen haben, dass das Potenzial mit dem bisherigen Angebot noch nicht ausgeschöpft war. Beim Car-Sharing hingegen haben wir vor allem in Wien schon große Player, die die Nachfrage gut abdecken.

LEADERSNET: Der ÖAMTC nennt sich Mobilitätsclub. Im Sommer gab es einen 28 km Stau beim Grenzübergang Walserberg. Was steht einer europäischen Mobilität aktuell mehr im Weg: Logische Kapazitätsgrenzen des Individualverkehrs oder politische Bremsen wie Grenzkontrollen?

Oliver Schmerold: Ob und wo in Europa Grenzen kontrolliert werden, ist eine politische Frage. Dass allerdings teilweise nur auf einer Spur kontrolliert wird, verschärft die Situation. Insgesamt stößt der Individualverkehr sicher irgendwann an seine Grenzen. Staus in Städten, wie wir sie etwa in Wien sehen, sind aber zu einem guten Teil selbst verursacht. Wer Fahrspuren streicht und Ampeln gegen eine grüne Welle schaltet, erzeugt politisch gewollt Stau. Das kritisieren wir, halten aber auch mit neuen Angeboten – wie easy way – dagegen.

LEADERSNET: Der Verkehrssektor ist in Österreich CO2-Hauptverursacher. Wo sehen Sie die zukunftsträchtigsten Modelle: Shared-Modelle, alternative Antriebe, ein Mix aus alledem? Was ist Ihre Vision?

Oliver Schmerold: Der Pkw-Verkehr ist insgesamt für rund 15 Prozent der österreichischen CO2-Emissionen verantwortlich, die Industrie liegt dagegen beispielsweise bei 44 Prozent. Dennoch steht außer Frage, dass der Verkehrssektor seinen Beitrag zur CO2-Reduktion zu leisten hat. Ziel muss die Entwicklung eines nachhaltigen Energie- und Mobilitätssystems sein – mittelfristig führt kein Weg an einem Umstieg auf saubere Antriebstechnologien vorbei. Gleichzeitig sehen wir, dass das Rennen um die Antriebsart der Zukunft noch nicht geschlagen ist. Welche Technologie gewinnen wird, ob es mehrere Sieger geben wird oder es überhaupt einen Sieger braucht, ist heute noch völlig offen. E-Mobilität ist bestimmt eine der Antriebsformen der Zukunft, aber es ist nicht gesagt, dass der Verbrennungsmotor sein Potenzial erschöpft hat – so können u.a. Hybridisierung oder E-Fuels wesentlich zur CO2-Reduktion beitragen.

LEADERSNET: Ein Wunsch an die Gesetzgebung als Weichensteller für Österreichs Mobilitäts-Zukunft?

Oliver Schmerold: Eine Mobilitätswende darf nicht auf Kosten der Konsumenten gehen. Verbote, Steuerhöhungen oder ein erzwungener Umstieg auf nicht ausgereifte Technologien sind der falsche Weg. Wir müssen den Menschen, die ein Recht auf leistbare Mobilität haben, neue Angebote machen. Die Zukunft sehen wir auch in Mikro-ÖV (Mikro-Öffentlicher-Verkehr, Anm.) Lösungen, also etwa auf Gemeinde-Ebene organisierte Sammel-Taxis, oder in der Schaffung eines Wettbewerbsmarktes für Mobilitäts-Bündel-Angebote, Stichwort Mobility-as-a-Service.

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