„Bei uns kann man jeden Wein verkosten“

Just Taste-Gründer Oliver Sartena erklärt, warum man kein Weinexperte sein muss, um guten von schlechtem Wein zu unterscheiden und was es mit der neuen Weinshop.Bar auf sich hat, die diesen Freitag eröffnet.

Oliver Sartena war viele Jahre im Management von Wein & Co. Im vergangenen Jahr hat er gemeinsam mit seinem Partner Dietmar Pirolt das Start-up Just Taste gegründet, ebenfalls ein Weinhändler, aber einer mit anderem Zugang, als die meisten. Das Konzept des Unternehmens: Weinprobieren statt Weinstudieren. leadersnet hat den Unternehmer kurz vor der Eröffnung der ersten Weinshop.Bar am Stubenring zum Interview getroffen und sich mit ihm über seine Herangehensweise an das Business, den neuen Standort, die Expansionspläne von Just Taste und die „Wein-Experten-Sache“ unterhalten.

leadersnet: Es gibt unzählige Weinhändler. Was macht den Unterschied von Just Taste zu diesen Unternehmen aus?

Sartena: Der Unterschied steckt schon im Namen, der drei Dinge beinhaltet. Es geht – wie das Wort „Taste“ schon sagt – um das Verkosten und den guten Geschmack und „just taste“ ist auch eine Aufforderung. Jeder hat seinen eigenen Geschmack und ist damit auch sein eigener Weinexperte. Dafür muss man verkosten und vergleichen können. Am besten alles. Und genau das machen wir. Die meisten Leute sagen: „Ich kenn mich mit Wein nicht aus, ich weiß nur, was mir schmeckt“ und genieren sich dafür. Und genau damit muss die Branche endlich aufhören. Das interessiert auch niemanden. Außer die Experten, die ihre Deutungshoheit gefährdet sehen. Deswegen haben wir gesagt, dass unser Zugang bodenständig, aber nicht banal sein muss, weil nicht jeder ein Sommelier sein kann. Das ist auch gar nicht notwendig ist, weil am Ende nur zählt, ob mir ein Wein schmeckt, oder eben nicht. Jedenfalls ist das das Allererste, was bei einem Genussmittel zählt. Das klingt vielleicht banal, aber das ist das Wichtigste. Wein ist ganz sicher kein banales, sondern ein wahnsinnig vielschichtiges Produkt. Man kann jahrelang Wein studieren und trotzdem immer noch nicht alles wissen. Die Frage ist aber, ob das den Konsumenten überhaupt interessiert. Das Wichtigste war uns daher, dass wir von dieser „Wein-Elite-Experten-Sache“ wegkommen. Es gilt immer noch, dass nur der über Wein reden darf, der sich auch auskennt. Damit ist jetzt Schluss – jedenfalls bei uns. Man kann hunderte Bücher über Wein lesen und wird deswegen aber trotzdem nicht wissen, was einem schmeckt. In Wirklichkeit ist es so, dass man im Leben ziemlich viele Weine trinken muss, um ein Weinexperte zu sein. Jedenfalls einer für den eigenen Gaumen.

leadersnet: Wie schwer war es, eine Nische in diesem gesättigten Markt zu finden?

Sartena: Wir haben im Vorfeld sehr viel Marktforschung betrieben. Es gibt ungefähr 300 deutschsprachige Weinhändler. Von ganz klein bis ganz groß. Die Frage, die wir uns also stellen mussten: „Wer braucht da noch einen weiteren?“ „Kein Mensch“, müsste die Antwort auf diese Frage also lauten. Unser Zugang war aber ein völlig anderer. Ich habe lange in einem Unternehmen gearbeitet, das immer schon sehr innovativ und eines der ersten war, das den Online-Weinhandel am österreichischen Markt positioniert hat. Dort hat man auch schon sehr früh kapiert, dass es nicht einen „Online-Kunden“ oder einen „Offline-Kunden“ gibt, sondern dass es „Kunden“ gibt, und die heißen „Meier“ und „Müller“ und die kaufen mal so und mal so. Das hat mich geprägt. Deswegen war es auch klar, dass Just Taste beides können muss. Wir haben also gesagt, wir machen was Neues für den Konsumenten: Wir lassen alles verkosten. Auch „online“. Und dann haben ein paar mir wichtige Leute gesagt „So ein Blödsinn. Wie soll das gehen?“ Das war genau der Zeitpunkt, als wir beschlossen haben Just Taste zu machen. Noch ohne Lösung für das Problem, aber mit einer klaren, sehr leicht zu beschreibenden Vision. Nämlich alle Weine, wirklich alle, verkosten zu lassen. Stationär sowieso und viele auch „online“. Das ist aber gar nicht so leicht beim Wein. Man hat beispielsweise 500 unterschiedliche Weine im Regal und um jeden zu verkosten, musst du auch jeden aufmachen und nach drei Tagen kann man die noch fast volle Flasche wegschütten, weil der Wein oxidiert ist. Das geht also nicht – jedenfalls ist das kein Geschäftsmodell. Man muss also nachdenken, ziemlich lange und nicht alleine. Sondern dann wirklich mit den Experten. Und am Weg zur Lösung ist uns sehr viel Wein oxidiert.

leadersnet: Macht es überhaupt Sinn, einen Wein online zu bestellen, wenn ich ihn vorher nie gekostet habe?

Sartena: Schon. Wenn ich ohne Verkostung genau weiß, was ich will, gehe ich auch auf Google und suche mir das beste Angebot für ein Produkt raus und das bestelle ich dann. Aus ganz Europa. Meist viel günstiger, als im stationären Handel und in zwei bis drei Tagen hab ich den Wein daheim. Wenn ich was Neues entdecken will, oder nicht ganz genau weiß, was ich überhaupt will, oder was mir schmecken könnte, beginnen die Probleme. Jedenfalls beim Wein. Da bleibt mir dann noch der „Kauf auf Verdacht“. Oder man kauft einfach immer nur das, was man schon kennt. Genauso funktioniert der stationäre Weinhandel aber übrigens nicht und das ist auch genau der Grund, warum die meisten reinen Online-Weinhändler scheitern. Mit ganz wenigen Ausnahmen. Wein ist ein Genuss- und Kommunikationsmittel, wenn Sie so wollen. Ein bewusstseinsveränderndes noch dazu. Die Leute wollen kosten, drüber sprechen, vergleichen, einer Meinung sein, anderer Meinung sein, was Neues entdecken, über guten oder schlechten Geschmack streiten, lachen, lieben und vieles mehr. Das geht mit Wein, vielleicht sogar nur mit Wein. Der stationäre Handel, der Winzer vor Ort, aber vor allem die Weinbars „bedienen“ sich schon dieser alkoholischen Grundstimmung als wichtigstes Verkaufsargument für ein Produkt, dass viele lieben, aber keiner wirklich braucht.

leadersnet: Was kann man also beim Onlinehandel anders machen?

Sartena: Der Online-Weinhandel kennt bislang nur Rabatte und die sind langweilig und haben keinen „Sex“. Letztens hat mir ein Kunde erzählt, dass er unlängst bei einem Online-Diskonter sechs Flaschen Bordeaux um je fünf Euro erstanden hat und nur eine davon war gut. Die anderen fünf hat er weggeschüttet, also in Wahrheit hat er 30 Euro für die Flasche bezahlt. Also kostet er bei uns viel lieber um ein paar Euro ein paar Weine, die ihn interessieren und kauft dann um 20 Euro die eine Flasche, die ihm schmeckt. Somit hat er am Ende Geld gespart. Wein verkauft sich halt nicht, wie ein gutes Buch, obwohl er meist auch immer eine gute Geschichte hat. Genauso wie die Menschen, die ihn machen, meist gute Geschichtenerzähler sind. Das können und machen wir zwar auch in unserem eigenen Blog, aber am Kosten des Weins kommt man trotzdem nicht vorbei. Wir „Genussmittel-Händler“ werden also begreifen müssen, dass es künftig eine Lösung brauchen wird, damit Kunden auch online eine Situation, wie beim Kauf beim Winzer oder in einer Weinbar vorfinden. Zumindest so etwas in der Art. Sonst bleibt dem Onlinehandel immer nur die „Rabattkeule“ als einziges Kaufargument und das genügt auf die Dauer nicht. Ich kenne auch ganz wenig Weinkäufer, die auf der Suche nach besonders billigen Weinen sind. Die meisten Weinkäufer suchen Weine, die ihnen schmecken. Eigentlich kenne ich überhaupt keine „Billigweinkäufer“, aber es wird schon ein paar geben. Wir sprechen jedenfalls die Kunden an, die gerne Weine kaufen, die ihnen schmecken. Und die werden sie auch kosten können.

leadersnet: Wie kann man sich das vorstellen?

Sartena: Man kann heute Kleidung bestellen, anprobieren und wieder zurückschicken, wenn sie nicht passt. Wenn man einen Teppich online kaufen möchte, kann man sich vorher ein Stoffmuster schicken lassen. So etwas müsste es also auch beim Wein auch geben, haben wir uns gedacht. Die Lösung, die wir gefunden haben, ist eine kleine Flasche Wein zu ein 0,187 Litern, also ein „Tasting Sample“ in Kombination mit einer flotten Zustelllogistik. Wir haben jetzt für den Beginn immer vier dieser Kleinflaschen, die in Summe eine ganze Bouteille ergeben, thematisch passend zusammengepackt. Damit starten wir. Das sind unserer „Tasting Packs“. Von denen gibt es aktuell zehn verschiedene und es werden laufend mehr. Wer die heute bestellt, kann morgen schon verkosten. Und ab Herbst werden wir dann die wichtigsten 100 Weine in unserem Sortiment auch einzeln in der Kleinflasche anbieten und „same day“ in den Städten liefern. Sprich, wer dann bis 14 Uhr Uhr weiß, was er oder sie kosten will, stellt sich einfach ein „Tasting Pack“ aus vier Kleinflaschen selbst zusammen und hat am Abend das Packerl daheim. Und wenn ein Wein dann schmeckt, kann man ihn mit einem beiliegenden zehn Euro Euro Gutschein gleich in der Normalflasche online nachbestellen. Und der Spaß kostet 20 Euro inkl. Zustellkosten und Gutschein.

© Just Taste

leadersnet: Und das geht sich wirtschaftlich aus?

Sartena: Ungestützt nicht. Aber die Winzer haben ein hohes Interesse daran, dass Kunden ihre Weine verkosten können. Das bringt ihnen nämlich oftmals mehr, als alle andern Werbemaßnahmen. Wir bekommen daher die Weine für die Tasting Packs zu einem sehr guten Preis. Und auch ein paar andere Partner, wie Zu- und Ablieferer, finden das Projekt spannend und unterstützen Just Taste mit außergewöhnlichen Konditionen. Die Wirtschaftlichkeit ist dabei aber nur das Eine, die technische Umsetzung der kleinen Flaschen in den „Tasting Packs“ hingegen das Andere und eine richtige Herausforderung gewesen. Die gab es nämlich bislang nicht und daher hat das auch keiner gemacht.

leadersnet: Wie haben Sie das hinbekommen?

Sartena: Was für den Kunden „vorne“ sehr einfach klingt, erfordert „hinten“ eine kleine logistische und technische Meisterleistung. Wir haben sehr lange und sehr intensiv mit Winzern, Kellereitechnikern und Anlagenbauern darüber gesprochen, wie es gehen kann, einen Wein, der schon fix und fertig verschlossen ist, nochmals „zu öffnen, ohne ihn zu öffnen“ und daher auch ohne Qualitätsverlust oder Veränderung des Geschmacksbilds mit einem professionellen Verfahren ohne Oxidation in die Kleinflasche zu bekommen. Und zwar egal, ob der Wein verkorkt ist, oder einen Drehverschluss hat. Die Lösung ist eine Anlage, die derzeit nur wir haben und deren Entwicklung von der Planung bis zur Serienreife 18 Monate gebraucht hat. Einfach zusammengefasst kann man sagen, dass auf der einen Seite eine Normalflasche reingeht und auf der anderen Seite vier kleine Flaschen rauskommen. Dazwischen stehen 15 Meter Kellerei-Hightech um 150.000 Euro – die Arbeitszeit noch gar nicht eingerechnet. Und auf die passen wir sehr gut auf (lacht). Und mehr sagen wir dazu auch nicht, weil das ist, wenn sie so wollen unser wertvollstes Betriebsgeheimnis, unser Goldschatz sozusagen.

leadersnet: Würde es sich nicht anbieten, diese kleinen Flaschen, die für die Verkostung vorgesehen sind, ganz regulär zu verkaufen?

Sartena: Durchaus. Angedacht war es nicht, aber unser „Investor der Stunde null“ hat uns vor ein paar Monaten auf diese Idee gestoßen. Diese kleinen Flaschen würden nämlich sein „Alkoholproblem“ lösen – das in Wahrheit gar keines ist. Denn es liegt darin, dass er und seine Frau gern ein Glas Wein zum Abendessen trinken. Und zwar ein Glas pro Person und nicht mehr. Und wenn er dafür eine normale Flasche aufmacht, schüttet er mindestens die Hälfte davon nach ein paar Tagen weg, obwohl er diese ganzen Weinkonservierung-Systeme alle daheim hat. Und unsere kleinen Flaschen ergeben genau zwei Gläser Wein. Das würde für die beiden also perfekt passen. Wir werden also auch darüber nachdenken und vielleicht ab Herbst dann auch die kleinen Flaschen einzeln anbieten. Aber dann richtig. Mit einem kleinen Klimaschrank, kleinen Weinregalen, Flaschenkühlern und so weiter dafür. Dann kann sich jeder daheim sein eigenes „Wein-Minimundus“ bauen. Adventskalender wird es dann natürlich auch geben, das liegt auf der Hand.

leadersnet: Gibt es Pläne Just Taste auch ins Ausland zu bringen oder liegt der Fokus nur auf Österreich?

Sartena: Ganz im Gegenteil. Unser Fokus liegt auf dem deutschem Markt, die Weinshop.Bar in Wien ist unser Pilot. Der österreichische Markt ist auch schon sehr gut besetzt, mit meinem ehemaligen Arbeitgeber zum Beispiel. Das würde keinen Sinn machen. Die nächste Weinshop.Bar ist daher auch im Herbst in Berlin geplant und dann stehen weitere deutsche Großstädte auf dem Plan. Aber jetzt machen wir mal Wien sehr ordentlich und dann sehen wir weiter. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren lernen müssen, dass sich Pläne auch sehr rasch ändern können und alles immer ein wenig länger dauert, als geplant. Das ist halt so. Daher machen wir das, was wir tun engagiert, aber in der Zeit, die dafür nötig ist. Wir wollen da etwas langfristig Erfolgreiches auf die Beine stellen. Jetzt ist mal der Stubenring dran. Dort drüben wartet eh schon wieder der Ladenbauer auf mich und schaut auf die Uhr.

leadersnet: Eine rasche Abschlussfrage noch. Was darf ich mir von der Weinshop.Bar am Stubenring erwarten?

Sartena: 600 Weine, alle zu verkosten, viele bis 6 Uhr abends gratis. Weiters alle Weine glasweise im Lokal, dazu passend ein Essen mit besten Zutaten am Teller, aber ohne „ChiChi“ drumherum, auf Wunsch wird dann der Weineinkauf, kostenlos nach Hause zugestellt – ab sechs Flaschen. Und das von Montag bis Samstag von 10 Uhr bis 23 Uhr. Und weil unsere Adresse der Stubenring 16 ist, haben wir auch 16 Eröffnungsangebote um genau 16 Euro. Einen fantastischen Winzer-Champagner zum Beispiel, oder einen der besten zehn Bordeaux' der Welt. Am Freitag, 5. Mai um 10 Uhr geht's los.

www.just-taste.com

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