In der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) zeigt man sich ambitioniert, die Wogen der vergangenen Wochen zu glätten. Wie LEADERSNET berichtete, sorgte die geplante Gehaltserhöhung in der WKÖ für harsche Kritik. Um 4,2 Prozent und somit über die Inflationsrate reichend, sollten die Gehälter der rund 6.000 Mitarbeiter:innen angezogen werden. Kritiker:innen sahen in der massiven Erhöhung ein falsches Signal in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten, woraufhin der WKÖ-Präsident Harald Mahrer zurückruderte und eine Erhöhung von 2,1 Prozent festsetzte (LEADERSNET berichtete). Doch damit war die Achterbahnfahrt der WKÖ noch nicht am Ende angelangt.
Rücktritt von Harald Mahrer
Nach Kritik an der Gehaltsanpassung stand Präsident Mahrer auch weiterhin unter Druck. Trotz einstimmigen Vertrauensvotums der Führungsspitze der Kammerorganisation (LEADERSNET berichtete), zog der Funktionär Konsequenzen und legte infolge des Eklats die Ämter als Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und als Obmann des Wirtschaftsbundes nieder (LEADERSNET berichtete). An seine Stelle folgte die Tiroler Unternehmerin Martha Schultz, die interimistisch die Agenden Mahrers, sowohl in ihrer Funktion als amtsführende WKÖ-Präsidentin als auch als geschäftsführende Präsidentin des Wirtschaftsbundes, übernahm (LEADERSNET berichtete).
Neues Kapitel?
Am Donnerstag, dem 27. November 2025, ist das Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer erstmals seit der Aufregung um die Entschädigungen und Gehälter sowie dem Rücktritt von Mahrer zusammengekommen. Im Zuge dessen trat Schultz erstmals öffentlich auf und hielt eine Rede, in der sie betonte, dass das WKÖ-Image "ramponiert" sei und sie Reformen anstrebe. So wurde der Weg Richtung Reformen schließlich durch einen Allparteienantrag angestoßen. "Ab heute schlagen wir ein neues Kapitel in der Wirtschaftskammer auf", kündigte Schultz an. "Keine Revolution, aber eine Reform", hieß es. Und weiter: "Wir werden einiges ändern müssen, wenn wir Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückgewinnen wollen. Bei unseren Mitgliedern in den Unternehmen, bei der Politik und in der Bevölkerung."
Schultz betonte dabei, dass trotz "guter Arbeit in der Vergangenheit" kein Anlass zur "Selbstzufriedenheit" bestehe, denn das Image der Wirtschaftskammer in der Öffentlichkeit seit ramponiert. "Wir werden dargestellt als aufgeblähter Bürokratieapparat mit zu vielen Funktionären, mit zu üppigen Einkünften und zu wenig Effizienz. Dieses Bild müssen wir korrigieren, weil es uns in dieser Schärfe auch nicht gerecht wird." In diesem Zusammenhang hob die Interimschefin auch Leistungen der WKÖ für ihre Pflichtmitglieder hervor, die gut und wichtig seien.
Zusammenhalt und Ausgleich der Interessen
Die Interimschefin nahm ebenso Bezug auf die Sozialpartnerschaft, die wegen der WKÖ-Krise auch ein gewisses Schlaglicht bekam. Und sagte hierzu, dass die Wirtschaftskammer "das Kernstück" sei. "Wir fühlen uns verantwortlich für den Zusammenhalt und den Ausgleich der Interessen. Wir haben eine Schlüsselrolle für das Funktionieren unseres demokratischen Grundkonsenses." Die Pflichtmitgliedschaft verteidigte Schultz und entsandte eine deutliche Botschaft an all jene, die diese aushebeln wollten – darunter etwa FPÖ und NEOS: "Ich kämpfe für unsere Unabhängigkeit und gegen eine staatliche Einmischung in unsere Agenden. Nur, wenn alle Unternehmen beitragen, sind wir stark. Lassen wir uns von Parteipolemik nicht irritieren, unsere Linie heißt Sachlichkeit und Vernunft im Rahmen der Sozialpartnerschaft."
Schultz forderte zudem von der Bundesregierung "mehr Punch, mehr Mut und mehr größeres Denken". Es reiche laut ihr nicht, möglichst konfliktfrei das Regierungsprogramm abzuarbeiten, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht verbesserten. Für einen Wirtschaftsaufschwung brauche es Investitionsanreize und Bürokratieabbau, aber keine neuen Steuerideen, so die Tiroler Unternehmerin.
An die eigene Nase gefasst
Mit Blick auf den Imagewandel nahm Schultz die WKÖ beim Thema Aufschwung selbst offensiv an der Nase. "Die Wirtschaftskammer will und muss für eine Trendumkehr hin zu einem dynamischen Wirtschaftsaufschwung eine entscheidende Rolle spielen. Es liegt an uns, die positiven Meldungen, die uns in eine Aufbruchsstimmung versetzen, wieder deutlich hörbar zu machen: über die Innovationen, die in unseren Betrieben stattfinden, die Erfolge unserer Unternehmen im Ausland, die Leistungen unserer Lehrlinge", meinte sie. "Deshalb müssen wir bei uns selbst beginnen."
Die Kammer stelle sich dieser Aufgabe, heißt es. Den ersten Schritt habe man bereits mit dem Aussetzen der Erhöhung der Funktionsentschädigungen gesetzt. Dazu kam, dass die Mitarbeitenden 2026 wirklich "nur" 2,1 Prozent mehr Gehalt erhalten. Für die Gehaltsverhandlungen 2027 soll ein neues Modell entwickelt werden. Und auch für die WKÖ auf der Wiener Wieden bedeute der neue Weg: "Wir schauen, wo geht es schneller und wo geht es unbürokratischer. Wir durchforsten die Strukturen mit dem Ziel, moderner, effizienter und kostengünstiger zu werden. Das, was wir hier an finanziellen Spielräumen schaffen, werden wir an unsere Mitglieder weitergeben."
Appell an Länderkammern und erster Zwischenbericht 2026
Die neun weiteren Länderkammern adressierte Schultz ebenfalls: "Dasselbe gilt für alle Bereiche der Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten." Man werde sich bei den Reformschritten auch nach den Ergebnissen der angekündigten Rechnungshofprüfung richten, die schon im Dezember beginnen soll. Weiters meinte die Interimschefin, dass man den Weg zu einem Reformpaket, das alle WKÖ-Fraktionen am Donnerstag gemeinsam beschlossen haben, auch durchziehen werde. Sie will aber auch erzählen, "was wir für unsere Mitglieder wirklich leisten".
Laut des beschlossenen Antrags aller Fraktionen wird nunmehr eine Reformgruppe eingesetzt. Diese soll eine Aufgaben- und Angebotsreform, eine Struktur-/Organisationsreform, eine Wahlrechtsreform, eine Transparenzoffensive und eine Finanzierungsreform erarbeiten und mit dem erweiterten WKÖ-Präsidium regelmäßig beraten. Ein erster Zwischenbericht soll dem Wirtschaftsparlament im ersten Halbjahr 2026 vorgelegt werden, erste Ergebnisse der Umsetzungsmaßnahmen und Reformfortschritte sollen beim Wirtschaftsparlament im zweiten Halbjahr 2026 kommuniziert werden.
Auf Augenhöhe
Die kleineren Fraktionen vom ÖVP-Wirtschaftsbund forderten zur Reformgruppe, dass dort wirklich auf Augenhöhe und über praktisch alles diskutiert werden müsse – wenn auch real, nicht über die Pflichtmitgliedschaft. Man sei bereit, aber auch kritisch, so der Tenor. Im Wirtschaftsparlament sitzt noch die Liste Industrie, die Freiheitlichen (FW), Sozialdemokraten (SWV), Grüne und NEOS (UNOS) mit jeweiligen Listennamen für die Wirtschaftskammer.
Da die Freiheitlichen trotz des gemeinsamen Antrags nicht ganz an den Reformwillen glauben wollen, brachten sie einen Dringlichkeitsantrag gegen die Pflichtmitgliedschaft ein. Sie zeigen sich überzeugt, dass man nur ohne eine solche Reform umsetzen könne. NEOS und Grüne brachten ebenfalls einen Dringlichkeitsantrag ein, jedoch zur Abschaffung der Kammerumlage 2. Den Anträgen wurde von der Mehrheit keine Dringlichkeit zugebilligt. Der ÖVP-Wirtschaftsbund regiert in der Wirtschaftskammer absolut. Wie dieser sah auch der SWV (SPÖ) keine Dringlichkeit. Im Plenum stellten die Fraktionen schließlich noch weitere Anträge, ganz nach ihrer politischen Ausrichtung – von denen manche durchgingen, manche nicht.
Was ist nun mit Harald Mahrer?
Mahrer, der sein Präsidentenamt bei der WKÖ räumte, hat unterdessen bekannt gegeben, sich nun auch als Präsident der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zu verabschieden – das berichteten die Presse und Kurier. Der Rücktritt werde laut Medienberichten per 30. November wirksam. Laut Angaben des Kurier übernimmt die ÖGB-Geschäftsführerin Ingrid Reischel interimistisch und wird somit die nächste Sitzung des obersten Aussichtsgremiums der Notenbank, die am 9. Dezember 2025 ansteht, leiten.
www.wko.at
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