Interview mit Martin Graf
"Es geht um die kosteneffiziente Finanzierung von Investitionen"

Die Energiewende erfordert massive Investitionen, besonders in den Ausbau der Netze. Doch traditionelle Finanzierungsmethoden stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Welche Alternativen gibt es? Martin Graf, Vorstand der Energie Steiermark, spricht im LEADERSNET-Interview über den Entwicklungsbedarf bei Finanzierungsmethoden sowie den Weg der Branche und der Energie Steiermark.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Graf, der Investitionsbedarf in die Energiewende in Österreich ist sehr hoch. Schießt man damit nicht ein wenig über das Ziel hinaus?

Martin Graf: Die Energiewende ist längst keine ideologische Frage mehr, sondern eine energie- und standortpolitische Notwendigkeit. In Österreich ist der Anteil fossiler Energieträger am gesamten Energieverbrauch mit fast 60 Prozent nach wie vor hoch. Hier sprechen wir von Importkosten im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Je mehr wir von diesem Anteil über lokal produzierten, erneuerbaren Strom elektrifizieren, desto mehr Geld fließt in den heimischen Standort. Mit dieser Strategie machen wir Österreich von Importen langfristig unabhängiger und weniger erpressbar. Das hat auch seinen Wert, wie wir gelernt haben.

LEADERSNET: Die Energienetze stehen beim Thema Investitionsbedarf stark im Fokus.

Graf: Wenn wir in die Zukunft blicken und noch mehr Erneuerbare in unsere Netze aufnehmen wollen, dann brauchen wir hohe Investitionen in die Infrastruktur. Ich sage immer, wer Ja sagt zum Ökostrom, muss auch Ja sagen zum Netzausbau. Im Bereich der Netzinfrastruktur gibt es Abschätzungen in Höhe von 53 Milliarden Euro an Investitionen in die Energienetze bis 2040. Dieser Wert umfasst Ersatz- und Neuinvestitionen im Bereich der Übertragungs- und Verteilnetze, wobei mehr als 80 Prozent davon ins Verteilnetz fließen. Das ist nicht verwunderlich, denn die Mehrheit der Erzeugungsanlagen geht dezentral ans Netz. Faktisch bauen wir gerade ein ursprünglich zentral geführtes Energiesystem in ein dezentrales und flexibles um.

LEADERSNET: Sie sehen diese Investitionsbedarfe also als notwendig?

Graf: Absolut. Die Energiebranche hat sich klar zu diesen zukunftsträchtigen Investitionen bekannt und wird – je nach Bedarfsentwicklung – diese Investitionen effizient umsetzen. Das gelingt mit zielgerichteter und bedarfsorientierter Planung. Damit sichert die Branche einen attraktiven, unabhängigeren und wettbewerbsfähigen Standort. Es geht aber stark darum, dass diese Investitionen kosteneffizient finanzierbar sind. Das dämpft Gesamtkosten im System.

LEADERSNET: Können Sie genauer beschreiben, wie Sie die Kosten dämpfen wollen?

Graf: Bislang konnte der Finanzierungsbedarf von österreichischen Energieversorgungsunternehmen weitestgehend mit Krediten gedeckt werden, und bei den Investitionen gab es Seitwärtsbewegungen. Mit Blick auf die stark steigenden Investitionssummen sehen wir jedoch, dass künftig eine erhebliche Kapitalzufuhr notwendig sein wird. Herkömmliche Finanzierungsstrategien stoßen immer mehr an ihre Grenzen.

Konkret geht es dabei um genügend Eigenkapitalausstattung der Unternehmen für die Energiewende. Dazu braucht es unter anderem stabile gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Werthaltigkeit von Investitionen sichern. Grundsätzlich gilt: niedrigere Finanzierungskosten senken die Systemkosten und dämpfen damit auch die Tarifentwicklung.

LEADERSNET: Wie beurteilen Sie den kürzlich vorgeschlagenen Infrastrukturfonds zur Finanzierung?

Graf: Ich begrüße alle Maßnahmen, die zu einer kostengünstigeren Finanzierung der Energieinfrastruktur führen. Ob und wie eine solche Fondslösung Wirkung entfalten kann, hängt jedoch stark von der Ausgestaltung ab. Sachlich können wir uns dazu erst dann äußern, wenn entsprechende, konkrete Konzepte am Tisch liegen.

LEADERSNET: Spielt bei der Umsetzung der Vorhaben eher die Frage der Finanzierung oder die der Komplexität von Genehmigungsverfahren eine Rolle?

Graf: Günstigere Finanzierungskosten sind ein zentraler Hebel zur Senkung der Systemkosten. In diesem Zusammenhang sind aber auch raschere Verfahren entscheidend, um den Ausbau der Energieinfrastruktur zu beschleunigen und die Transformation effizient zu gestalten. Je schneller wir Projekte umsetzen können, desto besser. Dazu braucht es schnellere Genehmigungsverfahren, Menschen und Unternehmen, die das umsetzen können. Bei den Genehmigungsverfahren erwarten wir uns im vorgelegten Entwurf des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetzes (EABG) einige Fortschritte.

LEADERSNET: Welche Strategie verfolgen Sie, um die Kosten für die Energiewende möglichst niedrig zu halten?

Graf: Die Antwort ist hier klar: ein gutes Zusammenspiel von Politik, Kapitalmarkt und der heimischen Energiewirtschaft. Die Energie Steiermark bereitet sich noch intensiver auf die Zusammenarbeit mit dem Kapitalmarkt vor und verfolgt hier ein mehrdimensionales Programm. Außerdem hilft ein koordinierter Plan für alle Beteiligten. Ein Beispiel dafür: Auf unseren Masterplan Grüne Energie folgt unser Masterplan Grüne Finanzierung, den wir gemeinsam mit der Industriellenvereinigung Steiermark im Herbst präsentieren werden. Darin liefern wir top aktuelle Antworten auf Fragen der Finanzierung von Erzeugungsanlagen, Netzinfrastruktur sowie smarten und flexiblen Kundenlösungen.

Ich glaube, wir müssen es nicht nur besser wissen, sondern besser machen. Nur wenn es gelingt, die Energiewende mit Wettbewerbsfähigkeit und Leistbarkeit zu verbinden, werden andere diesem Modell folgen. Mit dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz, kurz ElWG, haben wir eine realistische Chance, den von der Politik versprochenen "Neustart für den Strommarkt" umzusetzen.

LEADERSNET: Die Energie Steiermark hat laut eigenen Angaben Investitionen in Milliardenhöhe bis 2035 geplant. Wo wird genau investiert?

Graf: Bis 2035 wird die Energie Steiermark rund 5,5 Milliarden Euro in grüne Energie, leistungsfähige Netze sowie digitale und flexible Kundenlösungen investieren. Damit stabilisieren und stärken wir den Industrie- und Wirtschaftsstandort Steiermark in einer Phase, die ohne Zweifel von großen Unsicherheiten geprägt ist. Wir sehen, dass jede Investition in die Energiewende umfangreiche Impulse für den Wirtschaftsstandort bringt. Mit diesen Investitionen kurbeln wir Wertschöpfung an und schaffen Jobs in den Regionen der Steiermark und darüber hinaus. Diese Investitionen sind gut überlegt und der Grundstein für eine unabhängigere Energiezukunft. Wir sind ein Konjunkturpaket für die nächsten zehn Jahre.

LEADERSNET: Vielen Dank!

www.e-steiermark.com

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