Die Wiener Börse hat am Dienstag die Zahlen für das Geschäftsjahr 2024 präsentiert. Neben Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse AG, war auch Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr beim Pressegespräch dabei. Letzterer verwies auf die Vorteile einer stärkeren Kapitalmarktorientierung in der Altersvorsorge für den Staat und jede:n Österreicher:in.
"Ertragreichste Veranlagungsform"
Doch zunächst zu den Ergebnissen der Wiener Börse als Unternehmen. Laut Boschan hat der heimische Handelsplatz das abgelaufene Geschäftsjahr mit Rekordzahlen abgeschlossen. Die konsequente Umsetzung der Geschäftsdiversifizierung, gestiegene Aktienumsätze, ein Allzeithoch bei Anleihen-Listings und die Anbindung neuer Handelsteilnehmer würden die starke Performance des Börsenbetreibers belegen. Zudem habe die Börsengruppe mit vier neuen Unternehmen im Wiener direct market plus und drei neuen Unternehmen im Prager start market ihr Angebot für Wachstumsfirmen weiter ausbauen können.
"Der österreichische Aktienmarkt setzte im vergangenen Jahr zum Höhenflug an und erreichte mit der 10.000-Marke heuer einen historischen Meilenstein. Die derzeit volatilere Marktlage ändert nichts an der Tatsache, dass Aktien auf lange Sicht die sicherste und ertragreichste Veranlagungsform bleiben. Das Erkennen trotz politischer Verschmähung laufend mehr Österreicher:innen", so Boschan.
Geschäftsergebnis auf Rekordniveau
Den Angaben zufolge war das Geschäftsjahr 2024 von steigender Handelsaktivität und einer positiven Entwicklung des österreichischen Aktienmarktes geprägt. Die Aktienumsätze der Gruppe erhöhten sich demnach von 66 auf 74 Milliarden Euro (Wien: 63 Milliarden Euro, Prag: 11 Milliarden Euro). Treiber dieses Aufschwungs waren insbesondere die stark gestiegenen Umsätze am Standort Wien, begünstigt durch M&A-Aktivitäten im Immobiliensektor, hieß es am Dienstag vor Journalist:innen. Neben Handel und Listing hätten auch Erträge aus dem Verwahrgeschäft in Tschechien (Central Securities Depository Prague) einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Geschäftsentwicklung geleistet.
Das Ergebnis vor Steuern übertraf mit 50,1 Millionen Euro erstmals in der Unternehmensgeschichte die 50-Millionen-Marke (2023: 47,9 Millionen Euro). Der Konzernumsatz stieg auf 81,8 Millionen Euro (2023: 78,9 Millionen Euro), wobei 92 Prozent im Ausland erzielt wurden. Das Eigenkapital erhöhte sich auf 184,3 Millionen Euro, der Jahresüberschuss auf 37,3 Millionen Euro. Zum Jahresende 2024 beschäftigte die Gruppe 166,5 Mitarbeitende (Vollzeitäquivalente).
ATX und PX auf Rekordniveau
Der Aufwärtstrend an den Kapitalmärkten setzte sich 2025 fort: Im März durchbrach der ATX inklusive Dividenden erstmals die Marke von 10.000 Punkten, auch der PX erreichte ein historisches Hoch. Trotz erhöhter Volatilität – etwa durch US-Zölle – legten der ATX Total Return seit Jahresbeginn um 13,82 Prozent und der PX Total Return um 15,87 Prozent zu (Stand: 30. April).
Parallel dazu habe der Wertpapierbesitz in Österreich zugenommen. Laut dem Aktienbarometer – einer Studie der Industriellenvereinigung, des Aktienforums und der Wiener Börse – halten mittlerweile 30 Prozent der Bevölkerung Wertpapiere (LEADERSNET berichtete). Das entspreche einem Zuwachs von fünf Prozentpunkten gegenüber der ersten Erhebung 2023.
Kapitalmarkt als Pfeiler der Altersvorsorge
Bei den Gründen, weshalb Österreicher:innen in Wertpapiere & Co. investieren, kam dann Gabriel Felbermayr ins Spiel. Laut der Wiener Börse gewinne die private Altersvorsorge als Anlagemotiv zunehmend an Bedeutung – ein Indikator für das schwindende Vertrauen in die langfristige Tragfähigkeit des staatlichen Pensionssystems. Die öffentlichen Zuschüsse zur Pensionsfinanzierung steigen kontinuierlich. Ein Blick ins europäische Ausland zeige, dass eine Ergänzung der staatlichen Vorsorge durch Kapitalmarktmechanismen nachhaltige Entlastung bringen kann: In Schweden fließen laut Wiener Börse etwa 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens verpflichtend in kapitalgedeckte Pensionsfonds, in den Niederlanden erhalten große Teile der Bevölkerung eine Betriebsrente. Während Österreich rund 15 Prozent des BIP für Pensionen aufwendet, liege dieser Wert in Schweden bei etwa 7,5 Prozent und in den Niederlanden bei rund sieben Prozent. Norwegen habe mit seinem Staatsfonds – aktuell über 1,5 Billionen Euro schwer – frühzeitig vorgesorgt. Über die Hälfte des Fondsvermögens stamme aus Kapitalmarkterträgen, mehr als 70 Prozent sind in Aktien investiert.
"Die Nutzung des Kapitalmarktes ist unverzichtbar, wenn wir den demografischen Wandel, Staatsfinanzen und Innovationsdruck zugleich bewältigen wollen. Es ist der richtige Zeitpunkt, über eine Pensionsreform nachzudenken. Eine Maßnahme wie der Ausbau der betrieblichen Vorsorge hat großes Potenzial generationenübergreifende Gerechtigkeit und eine Win-Win-Win Situation zu schaffen. Alterseinkommen würde abgesichert werden, gleichzeitig der Staatshaushalt entlastet und Eigenkapital für Innovation bereitgestellt", erklärte der Wifo-Direktor.
Ungenutztes Potenzial
Heimo Scheuch, Aufsichtsratsvorsitzender der Wiener Börse AG, schlägt in die selbe Kerbe. "Die Wiener Börse ist ein Handelsplatz nach internationalen Top-Standards – doch ihr Potenzial bleibt ungenutzt. Ohne eine aktive Nutzung des Kapitalmarkts wird Österreich zentrale Herausforderungen wie die Transformation der Wirtschaft oder die Finanzierung der Daseinsvorsorge nicht bewältigen können. Wir brauchen gezielte Anreize für privates Investment, eine stärkere Verankerung des Kapitalmarkts in der Unternehmens- und Infrastrukturfinanzierung – sowie einen transparenten Staatsfonds als langfristiges Fundament für Wachstum und Generationengerechtigkeit. Es ist höchste Zeit, dass Österreich den Kapitalmarkt nicht als Randthema, sondern als zentralen Baustein zur Sicherung seiner Zukunft erkennt", wird Scheuch in einer Aussendung zitiert.
LEADERSNET war beim Jahrespressegespräch. Fotos sehen Sie in unserer Galerie.
www.wienerborse.at
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