Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Corporate Political Responsibility

| Redaktion 
| 01.04.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Noch vor wenigen Jahren hätten vermutlich fast 100 Prozent aller Unternehmer:innen auf Nachfrage gesagt, ein Unternehmen bzw. die Unternehmer:innen selbst sollten sich nicht in politische Belange einmischen. Als Unternehmen solle man sich besser still verhalten, andernfalls seien wirtschaftliche Nachteile zu befürchten. Es scheint so, dass sich dies inzwischen geändert hat – was durchaus positiv zu bewerten ist. So haben in Deutschland zuletzt einige Unternehmer:innen ganz klar mit Äußerungen zu politischen Positionen aufhorchen lassen und sich sogar explizit gegen einzelne politische Parteien ausgesprochen. Bezug genommen wird dabei auf die sogenannten Corporate Political Responsibility (CPR) – aber was können wir uns genau darunter vorstellen?

Mehrere Definitionsansätze

Mit der folgenden groben Beschreibung will ich mehrere Definitionsansätze zusammenzuführen: Demnach bezieht sich das Konzept CPR über die klassischen Bereiche der Corporate Social Responsibility (CSR) hinaus auf das politische Engagement von Unternehmen. Nicht gemeint ist damit politische Einflussnahme oder das "klassische" Lobbying zum Erreichen eines bestimmten ökonomischen Interesses. Ebenso wenig geht es darum, sich für eine Partei einzusetzen oder zu engagieren. Der eigentliche Hintergrund ist der, dass in einer Demokratie alle zum Funktionieren derselben beitragen können und müssen. Unternehmen tun dies insofern, als sie als Arbeitgeber und Steuerzahler per se einen Teil der Demokratie darstellen. Und von diesen Unternehmer:innen wird inzwischen eine klare Positionierung erwartet – vor allem von Mitarbeiter:innen, Kund:innen, Lieferant:innen, kurzum von all ihren Anspruchs- und Dialoggruppen.

Es ist davon auszugehen, dass die in vielen Staaten in den vergangenen Jahren zu beobachtenden links- oder rechtsextremen Tendenzen dazu beigetragen haben, dass nun vermehrt auch darauf geachtet wird, wie Unternehmen sich positionieren. Manche wollen sogar schon Parallelen zu den politischen Tendenzen der 1930er Jahre erkennen, andere betrachten die demokratische Staatsform als Selbstverständlichkeit. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine lässt jedoch bei vielen langsam die Erkenntnis reifen, dass es auf der Welt weniger Demokratien als totalitäre Staaten gibt. Unbestritten ist indes, dass sowohl Freiheit in jeglicher Form als auch langfristiger unternehmerischer Erfolg ausschließlich in einem demokratischen Umfeld realisierbar sind.

Innerhalb der Regeln des demokratischen Prozesses

Wie sollte nun die politische Verantwortung eines Unternehmens wahrgenommen werden? Die Grundregel mag trivial klingen und ist doch gleichzeitig das Wichtigste: CPR muss sich innerhalb der Regeln des demokratischen Prozesses bewegen. Das Fundament sollte die Unterstützung der Demokratie selbst sowie des demokratischen Denkens und Handelns bilden. Dazu gehört Aufklärung, Information und unter Umständen auch eine klare parteipolitische Positionierung der Unternehmerin oder des Unternehmers. Was aber im demokratischen Prozess selbstverständlich unangetastet und weiterhin unantastbar bleiben muss, ist die Freiheit der Arbeitnehmer:innen, sich in einer geheimen Wahl für jedwede demokratische Partei zu entscheiden – es darf keine "Gesinnungsarbeitnehmerschaft" geben oder intendiert werden.

Abgesehen davon ist aber eine klare Positionierung für die Demokratie und Einmischung nicht nur wünschenswert, sondern vielmehr erforderlich. Es ist, so meine ich, auch überaus wichtig, den Menschen und damit auch den Mitarbeiter:innen verständlich zu machen, dass der Erhalt der Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern Arbeit erfordert – und zwar die jeder:s einzelnen. Wie weit sich dabei jedes Unternehmen "nach außen" lehnt und engagiert, hängt aber schlussendlich auch vom Unternehmenstypus und auch dem Können dazu ab. Es gibt hier kein "one size fits all" Ansatz. Aber was Unternehmen immer beitragen können, beginnt bei der viel zitierten Partizipation der Mitarbeiter:innen. Denn was im täglichen Berufsleben geübt bzw. ausgeübt wird, das überträgt sich dann auch auf das Verhalten als Staatsbürger:in. Wenn die Menschen aber da wie dort das Gefühl haben, man könne ohnehin nichts ändern und müsse alles von oben gegeben hinnehmen, dann sind das trübe Aussichten für die Demokratie.

Mitarbeiter:innen empowern

Viele Unternehmen sprechen davon, ihre Mitarbeiter:innen zu empowern – vielfach vielleicht nur ein Buzzword, aber in zeitgemäß geführten Firmen das Um und Auf für wirtschaftlichen Erfolg. Was meint Empowerment nämlich? Den Mitarbeiter:innen die Werkzeuge in die Hand zu geben, gute und eigenständige Entscheidungen zu treffen, ihren Fähigkeiten und Talenten entsprechend eingesetzt zu werden und sie darüber hinaus in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen. Wer Sinn in seiner bzw. ihrer Tätigkeit findet, ist zufriedener, selbstsicherer und konstruktiver und fordert Partizipation letztendlich ein. Damit allein kann ich als Unternehmer:in schon einiges bewirken. Wir gehen dabei noch einen Schritt weiter wir wollen nicht nur in den Unternehmen, sondern auch in der Gesellschaft aktiv die Diskussion über Demokratie anregen und etwas dazu beitragen, die Bürger:innen zur Wahl zu animieren. Ob man als Unternehmen oder besser als Repräsentant:in eines Unternehmens sich klar für oder gegen bestimmte Parteien positioniert, ist vielleicht nicht ganz so einfach umzusetzen und sollte auch gut erwogen werden. Wenn jemand dies kann, finde ich das auch in Ordnung. Ich wäre aber schon mehr als zufrieden, wenn sich die Unternehmer:innen wie oben beschrieben grundsätzlich für die Demokratie einsetzen würden.

Als Unternehmen mit 240 Jahren Geschichte haben wir an dieser Stelle vielleicht nicht immer alles richtig gemacht. Doch die Hierarchien aus Zeiten der Gründung des k. u. k. Tabakregimes sind selbstverständlich längst passé. Inzwischen sind wir achtfach ausgezeichneter Top Employer – ein Zertifikat, das uns nicht nur bescheinigt, dass wir unsere Mitarbeiter:innen in den Fokus stellen, sondern auch eines, das uns als Unternehmen dabei unterstützt, uns in Laufe des Auditprozesses immer weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Zurück zur Demokratie: Lassen Sie uns in diesem Sinne, besonders in diesem Superwahljahr 2024, alle daran arbeiten, die Demokratie zu stärken und Bewusstsein dafür zu schaffen, was Demokratie bedeutet bzw. uns allen bedeuten sollte. Der erste, aber wichtigste Schritt ist denkbar einfach: Beginnen wir damit, unser demokratisches Wahlrecht wahrzunehmen.

www.jti.com


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