Während der Coronakrise gehörte es schon fast zum guten Ton, dass CEOs öffentlichkeitswirksam auf Teile ihres Gehalts verzichteten. Prominente Beispiele sind etwa Disney-Boss Bob Iger, der sich sein Grundgehalt nicht auszahlen ließ, oder der damalige Adidas-Konzernchef Kasper Rorsted, der nun u.a. Chairman des Advisory Boards beim österreichischen Kinder- und Jugendfahrradhersteller woom ist, und gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen auf den Jahresbonus verzichtete. 2023 sorgte wiederum die angespannte Wirtschaftslage dafür, dass die Gehälter von Top-Manager:innen in einigen Konzernen gesunken sind – wenn auch oft unter sanftem Druck des Aufsichtsrates –, darunter Apple, Intel und Goldman Sachs.
Effekt auf die Belegschaft
Medial werden diese Aktionen entweder als noble Gesten zum Wohle des Unternehmens gefeiert oder als eiskaltes Kalkül kritisiert, um Sympathiepunkte zu sammeln. "Was dabei oft außer Acht gelassen wird, ist der Effekt, den so ein Gehaltsverzicht auf die Belegschaft hat", sagt Christoph Feichter vom Institut für Unternehmensführung an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Sein Kollege Martin Wiernsperger fügt an: "Wenn CEOs ihr eigenes Gehalt kürzen, kann das positiven Einfluss auf die Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter:innen haben."
Mit einer Reihe von Experimenten konnten die beiden Forscher das nachweisen. Wie stark dieser Einfluss ist, hänge allerdings von zwei Faktoren ab, erklärt Martin Wiernsperger: "Einerseits ist entscheidend, was mit dem Geld stattdessen passiert, andererseits kommt es darauf an, ob der Gehaltsverzicht wirklich freiwillig ist."
Vom Geben und Nehmen
In ihrer Arbeit stützen sich Feichter und Wiernsperger auf die Reziprozitätstheorie in den Sozialwissenschaften: Menschen bauen durch den Austausch von freundlichen Gesten und Geschenken von vergleichbarem Wert gegenseitiges Vertrauen auf. Eine solche Geste müsse nicht unbedingt mit materiellem Gewinn für das Gegenüber verbunden sein: Auch der bewusste Akt, als Zeichen guten Willens etwas von Wert aufzugeben, werde positiv honoriert und festigt Beziehungen.
Diese Reziprozität lässt sich demnach in den unterschiedlichsten Gruppen beobachten – von Stämmen im Amazonas bis in die Büros von Großkonzernen. Wenn CEOs Teile ihres Gehalts aufgeben, vermuteten die beiden Forscher, wird das von der Belegschaft als freundliche Geste wahrgenommen und mit höherer Motivation honoriert. Laut der Reziprozitätstheorie müsste der Effekt aber größer sein, wenn das Geld einem guten Zweck zugeführt wird und wenn kein Zweifel über die Freiwilligkeit des Verzichts herrscht – denn beides signalisiert den guten Willen deutlicher. Am größten müsste der Effekt aber sein, wenn das Geld den Mitarbeiter:innen selbst zugutekommt.
Um das zu testen, haben die Feichter und Wiernsperger mehrere Experimente durchgeführt: Proband:innen wurden in Gruppen von vier Personen eingeteilt und lösten einfache Aufgaben, für die sie kleine Geldbeträge erhielten. Eine Person schlüpfte in die Rolle der Führungskraft und erhielt sowohl einen fixen Geldbetrag als auch eine Belohnung für die Leistung ihrer Gruppe. Dabei hatten sie die Option, auf diesen Fixbetrag zu verzichten. Und tatsächlich stieg die Leistung der Gruppe, wenn sie dies taten – selbst wenn nicht bekannt war, was mit dem Geld passieren würde. Feichtner sagt dazu: "Sie stieg aber noch stärker, wenn dieser Fixbetrag für einen guten Zweck gespendet wurde." Und am höchsten war sie, wenn der Betrag auf die anderen drei Gruppenmitglieder aufgeteilt wurde.
Zurückstecken auf freien Stücken
In einem zweiten Experiment ließen die WU-Forscher den Führungskräften nicht die Wahl, ob sie ihren Fixbetrag behalten oder abgeben sollten, sondern bestimmten es für sie. Dabei war zwar immer noch eine Leistungssteigerung bemerkbar, aber sie war nicht mehr so hoch. "Das hat gezeigt, dass es nicht nur auf den Gehaltsverzicht selbst ankommt, sondern auch darauf, dass man aus freiem Willen darauf verzichtet."
Aber gilt das auch fürs echte Leben, bei dem es nicht um einfache Aufgaben und kleine Geldbeträge geht, sondern um CEOs, die oft um mehrere Größenordnungen mehr verdienen als die Belegschaft? Das haben Feichter und Wiernsperger mit einem dritten Experiment untersucht, bei dem nur Proband:innen mit längerer Berufserfahrung teilnahmen. In einem Planspiel entschieden sie, dass sie für eine Firma, die gerade in Schwierigkeiten steckt, unbezahlte Überstunden leisten würden, wenn der CEO auf sein Gehalt verzichtet.
Dort habe sich gezeigt, dass es weniger darauf ankomme, wie groß der Gehaltunterschied zwischen CEO und Belegschaft tatsächlich ist – viel wichtiger sei die Freiwilligkeit des Verzichts. "Entscheidend ist der symbolische Akt, bewusst ein Opfer zu bringen", resümiert Wiernsperger abschließend.
www.wu.ac.at
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