Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis ist am Sinken

In Österreich gingen Mitte 2022 rund 4,2 Millionen Menschen einer Arbeit nach.

Eine durch die UniCredit Bank Austria durchgeführte Analyse zeigt, dass seit 1995 die Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis zwar gesunken, die Anzahl der Personen die einer Tätigkeit nachgehen, aber gestiegen ist.

"Die Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis ist in Österreich seit 1995 um rund 14 Prozent gesunken. Eine deutlich gestiegene Produktivität und die Zunahme der Anzahl der Beschäftigten haben seitdem dennoch einen Anstieg der Wertschöpfung um real rund 60 Prozent ermöglicht", meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer und ergänzt: "Der Rückgang der eingesetzten Arbeitszeit pro Beschäftigter/Beschäftigtem wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich fortsetzen. Der gesellschaftliche und demografische Wandel wird zu einer großen Herausforderung für die Erhaltung des Wohlstands in Österreich". 

Sinkflug seit Corona beschleunigt

Laut der Studie standen zur Jahresmitte 2022 in Österreich 4,2 Millionen Menschen in einem Beschäftigungsverhältnis. Das ist seit 1995 ein Plus von 1,1 Millionen. Trotz dieser Rekordbeschäftigung werden die Klagen der Betriebe über ein enger werdendes Angebot am Jobmarkt immer lauter. Im Herbst 2022 ist die Anzahl der Arbeitssuchenden inklusive der Personen die sich in einer Schulung befinden, auf rund 250.000 gesunken und weit über 100.000 freie Stellen können im Moment nicht besetzt werden. Mit 2,0 ist die Stellenandrangziffer mit Abstand auf dem niedrigsten Stand der vergangenen drei Jahrzehnte.

"Angesichts des Rekords an Beschäftigungsverhältnissen liegt auch das Arbeitszeitvolumen in Österreich mit saisonbereinigt fast 1,5 Milliarden Stunden im zweiten Quartal 2022 auf einem Allzeithoch. Allerdings ist das Arbeitszeitvolumen seit 1995 'nur' um rund 18 Prozent gestiegen, während die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse um 35 Prozent zugenommen hat", meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.

Seit Corona haben sich die beiden Zeitreihen jedoch noch mehr auseinanderentwickelt. So soll die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse aktuell um rund 2,5 Prozent höher liegen als im Jahr 2019, das Arbeitszeitvolumen soll dagegen leicht abgenommen haben.

Arbeitszeit um über 50 Stunden geringer als 1995

Mit saisonbereinigten rund 360 Stunden pro Beschäftigtenverhältnis ist die durchschnittliche Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis im zweiten Quartal 2022 um über 50 Stunden geringer als im Jahresdurchschnitt 1995. Das entspricht einem Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit um rund 14 Prozent. Allein seit dem Jahr 2019 kam es zu einem Rückgang der Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis um 10 Stunden im Quartal bzw. 3 Prozent.

"Seit 1995 hat sich die wöchentliche Arbeitszeit pro Beschäftigtenverhältnis von rund 32 auf 27 Stunden verringert und das Tempo des Rückgangs nimmt zu. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt aktuell um fast eine Stunde niedriger als vor Ausbruch der Pandemie. Der von den heimischen Unternehmen beklagte Mangel an Arbeitskräften scheint somit auch durch einen Mangel an zur Verfügung gestellter Arbeitszeit durch das Arbeitsangebot hervorgerufen zu werden", meint Pudschedl.

Große Unterschiede in den Branchen

Seit 1995 sind die überdurchschnittlich hohen Rückgänge der Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis vor allem in der Forst- und Landwirtschaft und in der Gruppe öffentliche Verwaltung, Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung sowie in der Gastronomie, Handel, Verkehr, Beherbergung und bei den sonstigen Dienstleistungen zu sehen.

Während der Rückgang bei der Herstellung von Waren und in der Erbringung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen mit rund 15 Stunden relativ geringer ist, soll sich einzig in der Bauwirtschaft die Arbeitszeit im Vergleich zu 1995 konstant halten.

Produktivität stark gestiegen

"Der sinkenden Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis steht jedoch ein deutlicher Anstieg der Produktivität gegenüber. Im Durchschnitt ist ein Beschäftigter seit 1995 um etwa ein Drittel produktiver geworden", so Pudschedl.

Die Bruttowertschöpfung pro geleisteter Arbeitsstunde verdoppelte sich demnach von knapp über 30 Euro im Jahr 1995 auf über 60 Euro im Jahr 2022. Inflationsbereinigt entspricht das seit 1995 einem Anstieg um über 35 Prozent.

"Überdurchschnittlich starke Produktivitätsverbesserungen konnten erwartungsgemäß in der Industrie erzielt werden. Bei der Herstellung von Waren verdoppelte sich der Output pro Arbeitsstunde beinahe. In den Dienstleistungsbereichen konnte die Produktivitätsentwicklung dagegen nicht mit jener im Produktionssektor mithalten", meint Pudschedl.

Die Erbringung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen ist die Ausnahme. Hier zeigt sich eine mehr als Verdoppelung der Produktivität seit 1995.

Anstieg der Wertschöpfung durch Arbeitszeitreduktion gebremst

"Während die Produktivitätsgewinne und die gestiegene Anzahl an Beschäftigten etwa zu gleichen Teilen für den Anstieg der Wertschöpfung seit 1995 um rund 60 Prozent verantwortlich sind, hat die Verringerung der durchschnittlichen Arbeitszeit pro Beschäftiger:Beschäftigtem den Anstieg gebremst. Bei unverändertem Arbeitszeiteinsatz wäre die reale Bruttowertschöpfung in Österreich um über 12 Prozentpunkte höher als 1995", so Pudschedl.

Laut der UniCredit Bank Austria Analyse sank die Arbeitszeit im Zeitraum zwischen 1995 und 2022 im Durchschnitt um rund fünf Stunden pro Woche.

Gesellschaftlicher und demographischer Wandel steigen

In Zukunft soll sich die Entwicklung weiter fortsetzen. Vor allem gesellschaftliche und (arbeits-)rechtliche Veränderungen, wie Teilzeit, geringfügige Beschäftigung und Work-Life-Balance usw., sollen diesen Rückgang auch weiterhin begünstigen. Hinzu kommt eine demographische Entwicklung auf Österreich zu, die zumindest auf eine Abschwächung des Wachstums des Arbeitskräfteangebots hinweist.

"Der gesellschaftliche und demographische Wandel stellen Herausforderungen für den Wohlstand in Österreich dar. Verstärkte Anstrengungen zur Erhöhung der Beschäftigung, eine Verbesserung der Produktivität durch Innovationen sowie der Einsatz effizienterer Leistungserstellungsmethoden könnten dem entgegenwirken. Dies wird sich aber in vielen, vor allem kontaktorientierten Dienstleistungssparten, wie zum Beispiel in der Beherbergung und Gastronomie oder im Gesundheitssektor, nur schwer ohne Qualitäts- bzw. Serviceeinbußen umsetzen lassen", meint Bruckbauer abschließend.

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