None of our business?

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Die Bandbreite an erschreckenden Themen, die tagtäglich über die Nachrichtensendungen, die sozialen Medien und im Gespräch mit Kolleg:innen und Freund:innen auf uns einprasseln, hat beinahe epische Ausmaße angenommen. Anders kann man das gar nicht ausdrücken. Sei es Krieg, Inflation, Schulden, Gesundheit, Klima – irgendwie scheint der Zug in jeder Hinsicht abgefahren zu sein, aber kümmert das irgendjemand? Oft habe ich den Eindruck, dass vieles achselzuckend hingenommen wird, Resignation sich breit macht und die Menschen sich für nicht zuständig erklären. Was soll der oder die Einzelne schon tun?

Die Frage ist: Ist es zunehmende Gleichgültigkeit oder nur die Ruhe vor dem Sturm? Bei einem Spaziergang durch die Wiener Innenstadt vor wenigen Tagen hat mich genau dieser Gedanke gestreift, denn die Stimmung war genau so: zwischen Sodom und Gomorrha bis zur Totenstille. Von „was kostet die Welt" bis zu „Atem anhalten und ja nicht zu viel bewegen". Eine Stadt im manisch-depressiven Zustand, so kam es mir vor.

Resignation in all ihren Ausprägungen

Ähnliches lässt sich derzeit an ganz vielen Stellen, oder, wie ich eingangs schon gesagt habe, in Hinblick auf ganz viele Themen beobachten. Resignation in all ihren Ausprägungen, von „ist eh schon alles egal" bis zu „wir können nichts tun". Das halte ich für ausgesprochen gefährlich! Natürlich kann sich nicht jede:r alle Lasten dieser Welt auf die Schultern packen, das ist schon klar. Aber so völlig gleichgültig in alle Richtungen – damit ist halt auch niemandem geholfen.

Aus den Kreisen der russischen Marine wird bekannt, dass über drei Städte in Deutschland gesprochen wurde, auf die Atombomben geworfen werden sollen – was soll's?! Im österreichischen Budget fehlen jährlich alleine 150 Millionen in nur einem vergleichsweise kleinen Unterbereich – so what?! Die Richtwertmieten sollen im kommenden Jahr um ca. 10 Prozent steigen – wen interessiert's?! Wale nehmen mit der Nahrung täglich bis zu 40 Kilogramm Mikroplastik auf – selber schuld?! Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen, doch das Problem ist tief in unserer Psyche begraben. Eine eigentlich völlig normale verhaltenspsychologische Reaktionsweise: Bedrohungen lösen Flucht aus oder eben ein Sodom und Gomorrha-Feeling. War es denn im dekadenten Alten Rom auch so, frage ich mich da?

In anderen Worten: Wir verschließen die Augen vor dem, was uns Angst macht. Das ist eine sehr natürliche, leider aber wenig hilfreiche Reaktion. Und deshalb müssen wir uns eines umso dringender immer wieder in Erinnerung rufen: Menschen sind zum Glück vernunftbegabt, wir sind nicht „Opfer" unserer Gefühle. Wir können rational an Dinge herangehen, sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, sie analysieren, um schlussendlich etwas zu ändern oder zumindest den Versuch zu unternehmen, eine andere, bessere Richtung einzuschlagen. Hätten es die Römer vielleicht auch noch hinbekommen?

Gleichgültigkeit darf nicht die Oberhand gewinnen

Das funktioniert aber nur dann, wenn wir uns interessieren, anstatt zu denken, es sei „none of our business". Nicht jede:r muss oder kann überall hingreifen und die Welt retten, das ist schon klar. Wenn es so einfach wäre, würde mich das Thema an sich ja gar nicht beschäftigen (müssen). Aber jede:r sollte zumindest im Rahmen seiner Möglichkeiten aktiv werden und – am allerwichtigsten – nicht Gleichgültigkeit die Oberhand gewinnen lassen. Am Ende des Tages sind wir immer noch eins, nämlich soziale Wesen, die sich auch über ihr Umfeld definieren. Das gilt im kleinen Kreis, in der Familie, aber auch in den Unternehmen, in denen wir arbeiten oder mit denen wir zusammenarbeiten, bis hin zu dem, was wir als unsere gesellschaftlichen Pflichten betrachten.

Gerade diese gesellschaftliche Pflicht kann und soll auch von Emotionen getragen sein, aber diese gesellschaftliche Pflicht muss vernunftgesteuert und vor allem auf die Gemeinschaft fokussiert sein.

Verantwortung zu übernehmen, ist erfüllender

Gerade die Arbeitsumgebung bestimmt über viele Lebensjahre die Abläufe und gibt uns währenddessen auch Halt und Struktur. Dazu müssen wir uns aber einbringen, unsere Rollen wahrnehmen und die an uns gestellten Anforderungen erfüllen. (Blinde) Passagiere, Mitschwimmer und Trittbrettfahrer, kurz, die klassischen „Achselzucker", hat es immer gegeben und wird es immer geben, doch sie sollen nicht die Überhand gewinnen.

Die Vergangenheit hat schon mehrmals gezeigt, dass wenn zu viele Achselzucker unterwegs sind, dies extremen politischen oder auch religiösen Meinungen und Strömungen Raum gibt und damit auch zu weiteren Desastern führen kann.

Aus dem Blickwinkel der 238-jährigen Unternehmensgeschichte von JTI Austria betrachtet gilt dies genauso – voran gebracht haben das Unternehmen nicht jene, die sich in Gleichgültigkeit geübt haben, sondern die, die sich gekümmert haben und die Verantwortung übernommen haben. Und das – so kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung versichern – ist auf Dauer auch viel erfüllender, als sich treiben zu lassen. Es ist „our business", und zwar in jeder Hinsicht.

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