"Steigende Strompreise führen nicht unbedingt dazu, dass die E-Mobilität attraktiver wird"

| Tobias Seifried 
| 13.11.2022

Günther Kerle, Vorsitzender Arbeitskreis der Automobilimporteure, spricht im LEADERSNET-Interview u.a. über die nach wie vor schwierige Situation im Autohandel, lange Lieferzeiten und warum die Faszination am Auto anhält. Zudem gibt es mahnende Worte an die Politik.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Kerle, das Jahr 2022 war auch für den österreichischen Autohandel ein schwieriges. Zuletzt sind die Verkaufszahlen jedoch wieder deutlich angestiegen. Ist das bereits eine Trendwende, oder eher nur ein vorübergehendes Phänomen?

Die Zahlen waren sowohl im September als auch im Oktober wieder im Plus, das ist aber auch mit den Corona-Beschränkungen im letzten Jahr zu erklären. Die Situation bleibt schwierig.

LEADERSNET: Den Händler:innen und Importeuren machen vor allem die langen Lieferzeiten aufgrund von Produktionsproblemen (Chipmangel, unterbrochene Lieferketten, Lockdowns in China, etc.) zu schaffen. Wann kann hier mit einer Entspannung gerechnet werden?

War es bisher so, dass wir aufgrund der Lieferschwierigkeiten zwar ausreichend Nachfrage, aber keine Ware hatten, so bemerken wir jetzt, dass auch das Kundeninteresse wegbricht. Das ist natürlich mit den Auswirkungen der Inflation und Teuerung zu erklären. Wir befürchten, dass auch 2023 ein schwieriges Jahr wird.

LEADERSNET: Die fehlenden Neuwagen sorgen auch für ein immer kleiner werdendes Angebot am Gebrauchtwagenmarkt. Hier sind die Preise zuletzt regelrecht in die Höhe geschossen. Mit welchen Maßnahmen versuchen Händler:innen und Importeure gegenzusteuern und so die Nachfrage bedienen zu können?

Das Problem ist, dass wir derzeit nicht wirklich auf Sicht fahren können, da oftmals nicht klar ist, wann und wie viele Fahrzeuge geliefert werden. Gebrauchtfahrzeuge sind daher natürlich ein wichtiges und wertvolles Gut, zuletzt haben sich aber auch da die Preise wieder einigermaßen stabilisiert.

LEADERSNET: Ein weiteres aktuelles Problem sind die enorm gestiegenen Energiepreise. Von diesen ist natürlich auch der Autohandel betroffen. Wie bewerten Sie den von der Regierung geplanten Energiekostenzuschuss – reichen die Maßnahmen, oder fordern Sie weitere Hilfen? Und gibt es eigentlich eigene Unterstützungsinitiativen von Seiten der Importeure für ihre Händler:innen?

Der Energiekostenzuschuss ist so gestaltet, dass nur energieintensive Betriebe in den Genuss dieser Förderung kommen, das wird der Autohandelsbetrieb in der Regel nicht erreichen. Das haben wir auch entsprechend kommuniziert, wir hoffen auf weitere Unterstützungsmaßnahmen. Sonst wird das für viele Betriebe nur schwer zu stemmen sein.

LEADERSNET: Übers gesamte Jahr gesehen, ist der Neuwagenmarkt deutlich im Minus. Bei Elektroautos fallen die Rückgänge aber deutlich geringer aus als bei Verbrennermodellen. Macht sich hier dennoch die vor allem für Firmen gekürzte Förderprämie der Regierung bemerkbar? Der Großteil der E-Autos wird ja von Unternehmen, Institutionen, etc. gekauft.

Der Gesamtmarkt ist deutlich rückläufig und auch die Zahlen der zugelassenen Elektrofahrzeuge sind das, wenn auch nicht ganz so stark. Ein Grund ist die mangelnde Verfügbarkeit, aber natürlich ist auch den Konsument:innen bewusst, dass die Strompreise steigen. Das führt nicht unbedingt dazu, dass die Elektromobilität attraktiver wird, das haben wir auch dem Klimaschutzministerium bei den Verhandlungen zur Ankaufsförderung im nächsten Jahr deutlich kommuniziert!

LEADERSNET: Ein weiteres unerfreuliches Thema, das so gut wie alle Branchen beschäftigt, ist der Fachkräftemangel. Wie sieht es diesbezüglich im Autohandel aus und gibt es spezielle Initiativen, um die Branche für Arbeitskräfte attraktiv(er) zu machen?

Hier passiert sehr viel, wenngleich es immer schwieriger wird, gutes Personal zu finden. Der:die Arbeitgeber:in muss versuchen, sich selbst zu vermarkten, Employer Branding ist das Stichwort der Stunde. Das versuchen viele Betriebe, zusätzlich werden Weiterbildungsmaßnahmen angeboten. Die Situation bleibt aber auch hier herausfordernd.

LEADERSNET: Abschließend noch eine Frage abseits der vielen Probleme, mit denen die gesamte Gesellschaft derzeit zu kämpfen hat. Welche positiven Entwicklungen und Lichtblicke gibt es derzeit im Autohandel?

Das Automobil stellt für viele Menschen noch immer ein höchst emotionales Produkt dar, auch wenn das manchmal schlecht geredet wird. Individuelle Mobilitätsbedürfnisse werden immer einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft genießen. Zudem befinden wir uns inmitten einer Transformationsphase, was es ungleich spannend macht, in dieser Branche zu arbeiten. Es ist eine hochinnovative Industrie, die Faszination dafür bleibt für viele ungebrochen.

www.automobilimporteure.at

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